Mitten in die nervöse Debatte über ein vorzeitiges Ende der Ampel-Koalition traf am Mittwoch der Paukenschlag der Grünen: Der Parteivorstand tritt geschlossen zurück. Zu viele Wahldebakel bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und zuletzt in Brandenburg in Folge, zu rapide sinkende Werte in den Umfragen – das betrifft, mit wenigen Ausnahmen bei einzelnen Wahlen, alle Ampel-Parteien. Doch die Grünen-Chefs Ricarda Lang und Omid Nouripour zogen nun die Reißleine. Mit ihrem Rücktritt luden die beiden einen großen Teil der Verantwortung für die tiefe Krise der Partei auf sich – auch wenn sie diese sicherlich nicht alleine zu verantworten haben.
Dieser aufsehenerregende Schritt fegte für einen Moment alle Spekulationen darüber beiseite, ob die FDP die Ampel sprengen könnte. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte zuletzt im Gespräch mit dem Tageblatt einen „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen und muntere Debatten im politischen Berlin losgetreten, ob die FDP zum Koalitionsbruch bereit wäre. Am Tag nach der Brandenburg-Wahl löste er zumindest auf, wie er den Zeitraum „Herbst“ definiert: bis kurz vor Weihnachten. Nun, bis dahin stehen noch Kernthemen der Koalition auf der Tagesordnung des Bundestags.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Verabschiedung des Haushalts und des Rentenpakets II zur Bedingung gemacht. Die Frage wird sein, ob die Ampel die Projekte gemeinsam verabschiedet bekommt. Da fällt umso mehr auf, dass der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sich im Hintergrund zu Höherem aufschwingt. Auf die Frage, ob das Rentenpaket für Vogel einen Gewissenskonflikt darstelle, sagt er in einem Zeit-Gespräch: „Für mich ist das eine grundsätzliche Frage, ja.“ Dagegen hatte Lindner den Gesetzentwurf zur Rente für „ausverhandelt“ erklärt. Zurück bleibt der Eindruck, dass sich auch in der FDP Gewichte verschieben. Noch ist Lindner unumstößlich – aber er wird für sich wägen müssen, ob er die so ungeliebte Regierung fortsetzt.
Personalfragen Mitte November klären
Für die SPD hat die Rentenpolitik besonderes Gewicht. Gelingt es nicht, das Rentenpaket II noch durchzubringen, würden sich auch in der Kanzlerpartei die Stimmen mehren, die die Ampel für gescheitert erklären und ihr Ende fordern. Damit könnte auch die Kandidatenfrage rasch an Fahrt aufnehmen und Scholz’ erneute Kanzlerkandidatur in Zweifel gezogen werden. Für den Moment aber hat sich der Druck innerhalb der SPD etwas gemäßigt, wozu der knappe Sieg von Dietmar Woidke (SPD) vor der AfD bei der Brandenburg-Wahl beigetragen hat.
Man läuft ja aus einem Amt nicht einfach weg, weil die Umstände schwierig sind
Akuter sind die Personalfragen bei den Grünen, die bei ihrem Bundesparteitag Mitte November einen neuen Parteivorstand wählen müssen. Auch die Kanzler- oder aber Spitzenkandidatur von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) ist noch nicht geklärt. Habeck selbst will diese Frage in geheimer Wahl Mitte November klären. Wenn es nach ihm gehe, werde man auf dem Parteitag eine sehr ehrliche Debatte darüber führen, „wer wir sein wollen, was wir in den Regierungsjahren gemacht haben, was wir geleistet haben und welche Personen – und ob ich eine der Personen sein kann, die diese Partei dann in den nächsten Jahren nach vorne führt“, sagte Habeck am Mittwochabend im ZDF.
Dabei gab es am Mittwoch, unmittelbar nach dem Auftritt von Lang und Nouripour, auch Rücktrittsforderungen an Habeck und an Außenministerin Annalena Baerbock. Allerdings kamen sie nicht aus Ampel-Reihen, sondern von CDU und CSU, die offenbar ein Interesse daran haben, die aufgeriebene Regierungskoalition weiter zu beschädigen und Neuwahlen herbeizuführen. CSU-Chef Markus Söder fordert diese ganz offen.
Kein harmonischer Herbst in Aussicht
Mit diesen Anwürfen konfrontiert, betonte der Vizekanzler den Unterschied zwischen Parteivorsitz und Regierungsamt. „Man läuft ja aus einem Amt nicht einfach weg, weil die Umstände schwierig sind“, so Habeck in der ARD. „Ich finde, man muss einen Job, den man angefangen hat, zu Ende bringen wollen.“ Die Ampel sei „noch lange nicht zu Ende“, sagte Habeck und verwies auf den noch unfertigen Haushalt für 2025 und offene Gesetzesvorhaben.
Ihren Job zu Ende bringen können Lang und Nouripour jedenfalls nicht mehr – und daran war Habeck nicht ganz unbeteiligt. Schon länger waren aus Habecks Lager Zweifel am Führungsstil und an der Überzeugungskraft der Parteispitze gestreut worden. Offene Rücktrittsforderungen gab es zwar nicht. Doch es wurde bewusst immer mehr Druck auf Lang und Nouripour aufgebaut. Habeck dementierte dann auch nicht, dass er besonders Lang vorgeworfen habe, für die schlechten Wahlergebnisse der Grünen verantwortlich zu sein. Stattdessen sprach er davon, dass Politik häufig ein „hartes und undankbares Geschäft“ sei.
Davon können alle Ampel-Parteien ein Lied singen. Für die FDP stellt sich die Frage, ob man überhaupt damit punkten könnte, die Ampel zu beenden. Denn im Fall von Neuwahlen könnten sich die Liberalen nicht sicher sein, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Auch in der SPD knirscht es. Die schlechten Umfragewerte der Partei und des Kanzlers machen die Genossen zunehmend nervös. Insbesondere die Abgeordneten müssen damit rechnen, dass viele von ihnen ihre Mandate im Bundestag verlieren werden, wenn es so weitergeht. Harmonisch jedenfalls dürfte dieser Herbst nicht werden.
De Maart
Sie können es nicht.Die Union wird es wohl schaffen.Mit der AfD an den Fersen.
Schwarz oder Schwarz/Rot wird wohl die nächste Regierung stellen. Wie überall in Europa gilt es den braunen Mist tief unterzugraben.