Samstag13. Dezember 2025

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DüdelingenWie ein homophober Angriff vor zwei Jahren Yannick Schumacher bis heute prägt

Düdelingen / Wie ein homophober Angriff vor zwei Jahren Yannick Schumacher bis heute prägt
Beschimpfungen wegen seiner Sexualität sind für Yannick Schumacher Alltag Foto: Editpress/Alain Rischard

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„Steck’ dir einen Pfahl in den Arsch“ – mit diesen Worten beschimpfte im Juni 2023 ein Mann Yannick Schumacher unvermittelt bei einem Festivalbesuch in Düdelingen. Nicht nur die Beleidigung, auch die Reaktion eines Polizisten hinterließ Spuren. Das zeigt das Gespräch mit dem 38-Jährigen zwei Jahre nach dem Vorfall.

„Mein Leben lang werde ich beleidigt, Schwuchtel oder Ähnliches genannt. Doch dieses Mal bat ich um Hilfe, bekam allerdings keine. Das hat mir einen Knacks gegeben“, erzählt Yannick Schumacher bei einem Gespräch in einer Brasserie in Düdelingen. Nur wenige Hundert Meter entfernt wurde er zwei Jahre zuvor auf dem Musikfestival „Usina“ verbal attackiert. „Stiech dir e Poul an den Aarsch“, rief an dem Abend ein betrunkener Mann ihm unter anderem unvermittelt zu, als der heute 38-Jährige sich etwas zu essen holen wollte. Solche Beleidigungen gehören seit dem Outing des Düdelingers mit 15 Jahren zu seinem Alltag dazu – wie er dem Tageblatt im Juni 2023 nach dem Vorfall berichtete.

Einige Wochen nach dem Vorfall erzählte Yannick Schumacher im Juni 2023 dem Tageblatt schon einmal von den Ereignissen
Einige Wochen nach dem Vorfall erzählte Yannick Schumacher im Juni 2023 dem Tageblatt schon einmal von den Ereignissen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Das Gespräch zwei Jahre später zeigt: Der Vorfall im Sommer vor zwei Jahren hat Spuren hinterlassen. „Seitdem habe ich Probleme, in der Öffentlichkeit zu sein. Wenn viele Menschen zusammenkommen, habe ich ständig das Gefühl, dass wieder jemand die Klappe aufreißt“, sagt der Mann, den viele als Yaya Van Chique aus den sozialen Medien kennen. „Die Leute sagen immer, dass ich ja überall unterwegs bin. Das ist nicht mehr so.“ Ins Kino geht er mit dem Plan, schnell vom Parkhaus in den Saal zu kommen. Festivalbesuche – wie am vergangenen Wochenende in Echternach – gibt es nur noch in Begleitung von Menschen, die ihm Sicherheit geben. 

Auch im Juni 2023 konnte er beim Festival in Düdelingen auf die Unterstützung einer Freundin und auf die Zivilcourage anderer Gäste zählen. Nach weiteren Beleidigungen stellten sich einige dem Pöbler entgegen, die Frau am Essensstand schickte diesen schließlich fort. Für Yannick Schumacher war klar: Solche Angriffe will er nicht länger hinzunehmen und dafür sorgen, dass diese dokumentiert werden. Bestimmt sagt er: „Meine Erlebnisse sind kein Einzelfall. Wie viele Fälle tauchen gar nicht erst in der Statistik auf? Ich will das aufs Tapet bringen – sodass sich mehr Betroffene trauen, Anzeige zu erstatten.“ 

Enttäuschung auf Dienststelle

Als der Grafiker am Juniabend 2023 wegen verbaler Belästigung Anzeige erstatten wollte, fragte der diensthabende Beamte auf dem Kommissariat in Düdelingen jedoch nur, was er sich davon erhoffe. „Ich dachte, irgendwo läuft eine versteckte Kamera“, erzählt Yannick Schumacher gefasst. Er habe keine Priorität und solle vier Tage später am Mittwoch wiederkommen, hieß es. Der 38-Jährige versteht, dass die Polizei wegen des Festivals und einer weiteren Veranstaltung viel zu tun hatte, sagt aber: „Der Ton macht die Musik. Hätte der Mann es ruhig erklärt, wäre es kein Problem gewesen.“

Erschüttert und weinend verließ er damals die Dienststelle. „Früher hätte ich mich einfach zurückgezogen, diesmal überwand ich mich und bat um Unterstützung.“ Doch die bekam er in dem Moment nicht. Er zweifelte an der Menschheit und an sich selbst, fühlte sich zudem unsicher: „Ich wusste ja nicht, ob mir der Mann draußen erneut begegnet“, erzählt er und man merkt, dass die Ereignisse ihm immer noch zusetzen. Die Pressestelle der Polizei wollte sich vor zwei Jahren nach dem Vorfall übrigens nicht dazu äußern. In den Monaten danach ging es dem eigentlich so lebhaften Mann schlecht. Als Kandidat für die Gemeindewahl auf der LSAP-Liste wollte er fast das Handtuch werfen. „Ich war durch und wollte mich einfach nur verschanzen.“

Ich wollte mich nicht mehr wegen meiner Sexualität oder aus einem anderen Grund öffentlich niedermachen lassen

Yannick Schumacher nach einer homophoben Attacke

Das zeigt auch ein Video, das der Düdelinger einen Tag später in den sozialen Medien veröffentlichte. Wochenlang erhielt er darauf verschiedene Reaktionen. Polizisten entschuldigten sich für das Verhalten ihres Kollegen. „Das fand ich cool.“ Über eine Freundin erfuhr er aber, dass polizeiintern behauptet wurde, er habe auf der Dienststelle einen Aufstand gemacht und sei betrunken gewesen. „Das stimmt nicht, ich habe damals kaum Alkohol getrunken.“ Auch innerhalb der Community behaupten einige, er wolle sich nur in den Mittelpunkt stellen. „Mich hat das verunsichert. Man darf finden, dass ich in dem Video übertreibe, aber ich habe das in dem Moment so empfunden. Ich lasse mir nicht den Mund verbieten.“

Beschwerde gegen Polizist

Anzeige gegen den Angreifer hat Yannick Schumacher nie erstattet: „Ich kann nicht sagen, warum ich es nicht gemacht habe. Aber so wie ich mich behandelt gefühlt habe, hatte ich einfach kein Bock mehr.“ Zufällig ist er dem Mann noch einmal begegnet, der Düdelinger hat ihn allerdings nicht angesprochen. Was er aber gemacht hat: bei der Generalinspektion der Polizei (IGP) Beschwerde gegen den Polizisten eingelegt. Detailliert schrieb er die Ereignisse und seine Erfahrung mit dem Beamten nieder. „Am Telefon fragte man mich nochmals, ob ich diesen Weg wirklich gehen wolle – da viele sich im Eifer des Gefechts beschweren. Der Mann am Telefon war aber sehr nett“, so Yannick Schumacher.

Nach einem Gespräch mit dem betroffenen Polizisten erhielt er im Oktober 2023 ein Schreiben, demzufolge seine und die Aussagen des Beamten „nicht ganz übereinstimmten“. Abschließend heißt es in dem dem Tageblatt vorliegenden Dokument allerdings: „Der Polizist soll im Umgang mit dem Bürger alle persönlichen Bemerkungen und Kommentare unterlassen. Das trägt weder etwas zur Sache noch zur Verbesserung der Qualität am Bürgerdienst bei.“ Resigniert nahm der 38-Jährige das Ergebnis hin. Über den erwähnten Satz freut er sich zwar, sagt aber auch: „Sie wussten nicht, worum es mir ging.“

Das sagt die Festivalorganisation

Anfang Juni 2023 wurde Yannick Schumacher auf dem Usina-Festival in Düdelingen verbal angegriffen und beim Versuch, auf der Polizeidienststelle vor Ort Anzeige zu erstatten, wieder nach Hause geschickt. In einem Video berichtete er darüber. Als der kommunale „Service à l’égalité des chances“ (SEGA) über die sozialen Medien von dem Vorfall erfuhr, nahm dieser laut Pressestelle der Gemeinde Düdelingen Kontakt zu Yannick Schumacher auf. Die Stadt organisiert das Festival gemeinsam mit „den Atelier“ und „de Gudde Wëllen“. Zusammen mit „4motion“ und dem „Centre LGBTIQ+ Cigale“ wurde laut Gemeinde 2024 das Konzept der „Safer Nights“ eingeführt – mit Awareness-Teams, Kommunikation zu antidiskriminatorischen Verhaltensweisen und einem Safe-Space. Auch 2025 wurde dies mit dem gemeinnützigen Verein „4motion“ umgesetzt. „Im Rahmen der ‚Safer Nights’ 2024 und 2025 wurden keine Vorfälle gemeldet. Das Publikum reagiert positiv darauf und der Einsatz der Teams wirkt präventiv sowie als Sensibilisierung“, heißt es von der Pressestelle der Gemeinde Düdelingen. Ergänzend gab es bei den nachfolgenden Festivals Rundtischgespräche zu inklusiven Themen. Verschiedene Gemeindedienste erhielten außerdem eine Fortbildung zur Organisation von sicheren Veranstaltungen in Düdelingen. John Rech, Direktor des Kulturzentrums „Opderschmelz“, weist noch darauf hin, dass dem Sicherheitspersonal vor allen Großveranstaltungen die Grundprinzipien der „Safer Nights“ vermittelt werden und auch die Angestellten der Gemeinde diese beachten.

Er hatte an dem Abend beschlossen, sich nicht mehr so behandeln zu lassen. „Ich wollte mich nicht mehr wegen meiner Sexualität oder aus einem anderen Grund öffentlich niedermachen lassen. Ich wollte auf meine Rechte bestehen, die ich als homosexueller, Luxemburger Mitbürger habe“, sagt Yannick Schumacher. Er erinnert daran, dass in vielen Ländern Menschen wegen ihrer Sexualität noch immer verfolgt oder getötet werden und fordert mehr Empathie und Auseinandersetzung mit LGBTIQ+ („Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex and Queer“)-Themen, auch wenn sie einen nicht direkt betreffen. Trotz schwindender Hoffnung betont er: „Ich werde immer für meine Rechte und die derer kämpfen, die eine Stimme brauchen.“


Mehr zu diesem Thema:
– Yannick Schumacher berichtet von Angriff in Düdelingen – und der „Angst, dass niemand einem Schwulen helfen will“

Hottua Robert
17. August 2025 - 11.28

>"Ich werde immer für meine Rechte und die derer kämpfen, die eine Stimme brauchen". Dazu braucht man auch die Presse, die vierte Gewalt im Rechtsstaat. Zumal wenn es um lebensgefährliche und tödliche Angelegenheiten geht. MfG, Robert Hottua, 2004 Gründer der LGSP