Triabunna – auf einer Halbinsel an der Ostküste Tasmaniens gelegen – ist ein windiges und naturbelassenes Fleckchen Erde. Hier gedeiht ein Seetang, den der Australier Sam Elsom gerne als „pures Gold“ bezeichnet.
Denn mithilfe der Algen rechnet sich Elsom gute Chancen im Kampf gegen den Klimawandel aus. Bei dem wertvollen Seetang, den der Australier seit 2019 vor der Küste Triabunnas züchtet, handelt es sich um eine Algenart namens Asparagopsis. Letztere ist bekannt dafür, dass sie die Methanemissionen von Nutztieren wie Schafen und Rindern deutlich reduziert, wenn sie dem Futter der Tiere beigemischt wird.
Elsom hat mit seiner Firma Sea Forest die erste große Asparagopsis-Farm des Landes gegründet. Aus dem Algenextrakt stellt er ein Futterergänzungsmittel her. Untersuchungen deuten darauf hin, dass nur sehr wenig Asparagopsis in das Futter eines Wiederkäuers eingestreut werden muss, um die Methanemissionen zu senken. Bei einer Kuh, die täglich 14 Kilo Trockenmasse zu sich nimmt, müssen gerade mal 50 Gramm der Algen beigemischt werden.
Algen sind grundsätzlich dankbar im Anbau. Sie sind die am schnellsten wachsende Pflanze der Welt – sie wachsen 30 bis 60 Mal schneller als Landpflanzen und absorbieren dabei bis zu fünfmal mehr Kohlendioxid.

Tierische Umweltverschmutzer
Die Vorteile des australischen Wundergewächs sind auch den Juroren des prestigeträchtigen „Earthshot“-Preises zu Ohren gekommen, den kein geringerer ins Leben gerufen hat als Prinz William selbst. Die Umweltexperten von „Earthshot“ haben berechnet, dass die Anwendung des Algenextrakts bei 15 Prozent der weltweiten Rinderpopulation die globalen Emissionen um drei Gigatonnen reduzieren könnten.
Das Potenzial ist jedoch nochmal größer, wenn man sich vor Augen hält, dass insgesamt mehr als eine Milliarde Rinder und mehr als 1,2 Milliarden Schafe auf der Erde leben, die für 30 Prozent der weltweiten Methanemissionen verantwortlich sind. In Deutschland allein wurden 2023 fast elf Millionen Rinder gehalten, davon fast vier Millionen Milchkühe. Methan ist ein Gas mit einer nochmals größeren wärmenden Wirkung als Kohlendioxid. Das Gas wirkt in der Atmosphäre über 100 Jahre lang 28-mal stärker als CO2. Auf 20 Jahre gerechnet sind es sogar 84-mal, da Methan über einen kurzen Zeitraum sehr stark erwärmend ist, während CO2 über einen sehr langen Zeitraum zu einer konstanten Erwärmung führt. Jede Kuh auf dem Planeten emittiert jedes Jahr durchschnittlich 100 Kilo des Gases, was bedeutet, dass die Viehhaltung 14 Prozent aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verschuldet. Methanemissionen zu reduzieren, spielt im Kampf gegen den Klimawandel also eine essenzielle Rolle. Nicht umsonst haben die US-Regierung und die EU eine Initiative zur Reduzierung der Methanemissionen ins Leben gerufen, der über 110 Länder beigetreten sind.

Algen als Kohlenstoffsenken
Asparagopsis ist zwar in den Gewässern um Australien und Neuseeland beheimatet, aber vielseitig genug, um in anderen Teilen der Welt an Land oder im Meer angebaut zu werden. Laut einer Studie, die Anfang des Jahres im Fachmagazin Nature Sustainability veröffentlicht wurde, könnten Algen allgemein eine essenzielle Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Würden Algen zehn Prozent der menschlichen Ernährung abdecken, so würde dies die für Nahrungsmittel benötigte landwirtschaftliche Fläche um 110 Millionen Hektar verringern, haben die Forschenden errechnet. Letzteres ist eine Fläche doppelt so groß wie Frankreich.
Die globalen landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen könnten damit um bis zu 2,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr reduziert werden. Dafür bräuchte es allerdings eine Meeresfläche von fast der Größe Australiens, um die kommerzielle Algenzucht aufzubauen und Nahrung für Menschen, Futterergänzungsmittel für Rinder und alternative Brennstoffe zu liefern. Ein zusätzliches Plus der Algen ist, dass die Gewächse selbst der Atmosphäre ebenfalls Kohlendioxid entziehen, indem sie dieses durch Fotosynthese in organische Biomasse umwandeln. Diese Biomasse kann dann in die Tiefe des Meeres absinken und wird auf diese Weise aus den Oberflächengewässern entfernt.

Mit dem Gütesiegel von Prinz William
Im letzten Monat wurde Elsom mit seinem Projekt nun als einer von 15 Finalisten für den „Earthshot“-Preis ausgewählt, zu dessen Juroren neben Prinz William auch der renommierte Umweltschützer Sir David Attenborough gehört. Laut des britischen Thronfolgers befindet sich die Erde „an einem Wendepunkt“. Sollten sich die Menschen dafür entscheiden, so weiterzumachen wie bisher, würden sie den Planeten irreparabel schädigen. Auf der Webseite des Preises appelliert er deswegen an die Fähigkeit der Menschen zu Führung, Innovation und Problemlösung. „Die nächsten zehn Jahre stellen uns vor eine unserer größten Prüfungen – ein Jahrzehnt voller Maßnahmen zur Reparatur der Erde“, sagte er.
Anfang November wird nun verkündet, ob die Australier es mit ihrem Algenprojekt auch unter die insgesamt fünf Gewinner des Preises schaffen werden. Ausgelobt sind eine Million Pfund pro Gewinner. Die Preisverleihung findet in Singapur statt, wobei die Gäste ermutigt werden, nachhaltige oder recycelte Mode zu tragen. Dies kommt Elsom gelegen, der seine Karriere einst als Modedesigner startete und ein eigenes nachhaltiges Modelabel betrieb. „Schon damals lagen mir Innovation und Nachhaltigkeit am Herzen, beispielsweise haben wir aus Plastikflaschen Stoffe produziert“, berichtete Elsom im Telefoninterview.

Ein Auge für Mode und Tang
Seine Mode schaffte es in große Kaufhäuser in London und New York, doch völlig erfüllte dies Elsom nicht und die Verbraucher waren zudem nicht wirklich bereit, die zusätzlichen Kosten für die nachhaltige Mode zu zahlen, die er anbot. Als er 2017 dann ein Webinar des australischen Klimarates sah, das über die globale Erwärmung informierte, war er so schockiert und entsetzt, dass er sich entschloss, eine der angebotenen Lösungen umzusetzen. Dies brachte ihn „auf die Alge“ und nach langer Recherche auf Asparagopsis.
Doch der Verkauf an die australischen Landwirte gestaltet sich bisher schwieriger als gedacht. Dass die Farmer bisher von dem „Wundermittel“ zurückschrecken, hat ganz einfach mit den zusätzlichen Kosten zu tun. Elsom ist deswegen auch zum politischen Streiter geworden. Er verbringt einen großen Teil seiner Zeit damit, sich für Emissionsgutschriften für den Futterzusatzstoff einzusetzen, die dazu beitragen würden, die Kosten für die Landwirte zu decken. Außerdem will Elsom über die Grenzen Australiens hinausschauen. „Wir haben hier am Ende der Welt eine Lösung entwickelt, die dem gesamten Planeten helfen könnte“, sagte er. In Europa will Elsom beispielsweise noch in diesem Jahr erste Versuchsprojekte starten.
De Maart
Formidabel Geschicht