Café TricotWenn Schlaufen Geschichten erzählen

Café Tricot / Wenn Schlaufen Geschichten erzählen
„Café Tricot“: Marija und Slavena waren mit 33 und 35 Jahren die jüngsten Teilnehmer des Events Foto: Carole Theisen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Gemeinsam stricken und zugleich Brücken zwischen den Generationen schlagen – das ist das Hauptanliegen der „Café Tricot“-Treffen, die die „Mamie et Moi Asbl.“ ins Leben gerufen hat. 

„Die Idee von ‚Mamie et Moi‘ ist es, eine Brücke zwischen den Generationen und Kulturen in Luxemburg zu schlagen. Wir wollen Gemeinschaften fördern und Menschen dabei unterstützen, ihr Handwerk mit anderen zu teilen“, erklärt Camille Alexandre, die die Organisation „Mamie et Moi“ vor fast zehn Jahren zusammen mit Cristina Picco gegründet hat.

Die Inspiration zum Stricken kam, als beide Frauen schwanger waren und etwas Symbolisches für ihre Kinder schaffen wollten. Anstatt Kleidung von großen Marken zu kaufen, entschieden sie sich dazu, die Familientradition des Strickens zu bewahren bzw. wiederaufleben zu lassen. Diese Entscheidung wurde von den Erinnerungen an ihre Großmütter beeinflusst, die stets Decken für neugeborene Familienmitglieder gestrickt hatten. Diese Decken wurden zu Symbolen der Wertschätzung und stimmen mit den Werten von „Mamie et Moi“ übereinander: ökologisch, sozial und erfüllend.

Ein inklusiver Raum

Camille Alexandre hat die Asbl. „Mamie et Moi“ vor zehn Jahren zusammen mit Cristina Picco gegründet
Camille Alexandre hat die Asbl. „Mamie et Moi“ vor zehn Jahren zusammen mit Cristina Picco gegründet Foto: Carole Theisen

Bei „Mamie et Moi“ geht es nämlich um mehr als um das Kunsthandwerk Stricken. Es geht um die Schaffung eines inklusiven Raums und einer neutralen Plattform – sei es in Parks, Museen oder Kulturzentren –, in der Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen willkommen sind und sich wohlfühlen. Die regelmäßige Teilnahme von Andrée, 89, verdeutlicht den positiven Einfluss solcher Veranstaltungen auf das soziale Leben von Senioren. „Als ich aufgehört habe, zu arbeiten, hatte ich nicht mehr viel zu tun. Das ‚Café Tricot‘ war eine fantastische Idee für Begegnungen. Man lernt viele Leute kennen und die Stimmung ist stets positiv“, sagt Andrée.

Leíla unterstreicht derweil ihre langjährige Liebe zum Handwerk: „Ich liebe das Stricken, ich liebe das Häkeln, ich bin gelernte Schneiderin, aber ich übe diesen Beruf leider nicht hier in Luxemburg aus.“ Sie wurde Mitglied der ASBL, nachdem sie an einer Aktion gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump teilgenommen hatte, bei der man pinke Mützen mit Katzenohren stricken sollte und anschließend in den Rotondes demonstrieren ging. Seitdem ist sie aktives Mitglied und schätzt nicht nur die Handwerkskunst, sondern auch die Gemeinschaft.

„Stricken und Häkeln sind für viele nicht nur kreative Ausdrucksformen, sondern auch Therapie“, erklärt Leíla. „Die Schlaufe, sei es beim Stricken oder Häkeln, erzählt immer eine Geschichte und mit dieser einen Schlaufe können wir richtige Wunder vollbringen.“

Vor mehr als 30 Jahren gab es wunderbare Stoffgeschäfte im Stadtzentrum, die jedoch nach und nach verschwanden

Sue, begeisterte Teilnehmerin an den Treffen

Sue, eine Australierin, erinnert sich an die Zeit, als sie nach Luxemburg kam und ihre eigenen Kleider nähte. „Vor mehr als 30 Jahren gab es wunderbare Stoffgeschäfte im Stadtzentrum, die jedoch nach und nach verschwanden“, erzählt sie. Mit der Zeit wurde der Stoff außerdem teurer und „Fast Fashion“ begann überhandzunehmen. „Mit dem Stricken hörte ich jedoch nie auf, weil es mir einfach Spaß macht“, sagt Sue.

Ein Laden hat jedoch die Herausforderungen der vergangenen 30 Jahre überlebt: die Bastelkiste. „Es ist Alibabas Höhle. Sesam öffnet sich und man findet einfach alles, was man sucht“, schwärmt Andrée. Und Ana Maria fügt hinzu: „Es ist ein Spielparadies für Erwachsene … und für Kinder.“

Neue Trends

Isa, Mitarbeiterin der Wollabteilung in der Bastelkiste, erzählt von der Dynamik des Strickens als Hobbys: „Die Alten bleiben dabei und die Jungen kommen dazu.“ In den letzten fünf bis sechs Jahren hat sich das Interesse daran zweifellos gesteigert und die Bastelkiste bleibt ein lebendiger Treffpunkt für alle, die Spaß am Selbermachen haben: Stricken, Häkeln, Nähen usw.

Die Fortschritte in der Garnentwicklung wie die Einführung von Samtwolle haben eine regelrechte Begeisterung bei den jungen Strickern ausgelöst. Isa erzählt lachend, wie die Nachfrage nach dieser besonderen Wolle manchmal kaum zu bewältigen ist. Die sozialen Medien, insbesondere Plattformen wie YouTube und Instagram, haben das Stricken weiter popularisiert. Verstärkt wurde dieser Trend durch die Pandemie, als die Menschen zu Hause nach sinnvollen Beschäftigungen suchten.

Es scheint also, als ob das Kunsthandwerk zurzeit dabei ist, eine Renaissance zu erleben. Veranstaltungen wie das „Café Tricot“ von „Mamie et Moi“ tragen dazu bei, diese Entwicklung zu fördern und gleichzeitig Menschen zusammenzubringen. All jene, die den Wert von Selbstgemachtem möglicherweise übersehen, erinnern diese engagierten Frauen daran, dass in jeder Schlaufe eine Geschichte, in jedem selbstgemachten Stück eine Identität steckt.