Sonntag19. Oktober 2025

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Domaine Tageblatt (6)Wenn das Philosophieren vor dem Trinken beginnt: Über die Kunst des Rebenschneidens

Domaine Tageblatt (6) / Wenn das Philosophieren vor dem Trinken beginnt: Über die Kunst des Rebenschneidens
Noch sind die Hände tief in den Taschen vergraben. Spätestens im neuen Jahr wird sich das ändern. Foto: Editpress/Georges Noesen

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Parzelle putzen und Reben zurückschneiden: Langsam, aber sicher nähert sich der Zeitpunkt, an dem das Tageblatt-Team selbst Hand anlegen muss. Der Rebschnitt ist ein entscheidender Moment in der Herstellung unseres Weines. Ein Besuch mit Anleitung bei der Domaine Schumacher-Lethal.

Der braune Labrador begrüßt uns schwanzwedelnd, als wir die Tür zur Kellerei aufschlagen. Nach einem ersten freudigen Beschnuppern werden schnell weitere Streicheleinheiten eingefordert. Molly gehört zur Kellerei von Tom Schumacher von der Domaine Schumacher-Lethal. Tom ist gerade damit beschäftigt, ein Problem an einer Etikettiermaschine zu beheben. Könnte aber auch eine Befüllungsmaschine sein. Oder alles in einem. Sollten wir womöglich wissen, denke ich mir. Aber alles zu seiner Zeit.

Tom hat sich bereiterklärt, uns Wein-Novizen an seinen eigenen Weinreben zu zeigen, wie eine Weinrebe richtig zurückgeschnitten werden soll. Schließlich wollen wir, wenn wir im Januar in unserer eigenen Parzelle auf dem Remicher Galgenberg herumwerkeln werden, etwas vorbereiteter sein als bei unseren vorherigen Terminen. Wir sind an diesem kühlen Dezembermorgen mit vier Journalisten und einem Fotografen vor Ort: Cédric, Chris, Herbert, Georges und ich. Der Hilfeschrei unseres Chefredakteurs Chris, der vor zwei Wochen alleine die Schulbank drücken musste und wohl befürchtete, den Rest des Projektes alleine zu stemmen, blieb nicht ungehört. „On a glissé chef“ – sind aber jetzt wieder vollends auf Kurs. Apropos ausrutschen: Meine weißen Sneaker, die mir bei der ersten Weinbergbegehung im November so einiges an Spott eingebracht haben, habe ich dieses Mal gegen Wanderschuhe ausgetauscht.

Erster Schritt Richtung Schnitt

Unter den wachsamen Augen von Tom Schumacher (Mitte) erklärt uns Jorge die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rebhölzern
Unter den wachsamen Augen von Tom Schumacher (Mitte) erklärt uns Jorge die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rebhölzern Foto: Editpress/Georges Noesen

Per Autokorso machen wir uns die „Wuermer Mauer“ hoch und durch die nebelverhangenen Weinberge zu einer Parzelle des 13 Hektar umfassenden Weingutes auf. Dort wartet bereits Jorge Marques Antunes auf uns, der seit 32 Jahren der Domaine Schumacher die Treue hält und sich an einigen Rivaner-Rebstöcken abarbeitet. Wir hatten noch nicht einmal die Möglichkeit, eine Frage zu stellen, da hatte Jorge bereits zwei Rebstöcke mit seinem elektrischen „Sécateur“ zurückgeschnitten. Fragende Blicke Richtung Tom reichten aus, damit er uns erste Erklärungen gab: Auf eine oder zwei Reben zurückschneiden, wie weit zurückschneiden, wo sollte man am besten ansetzen?

„Wir lassen eine oder zwei Reben stehen“, sagt Schumacher. Woran er das festmache? „Unter anderem daran, was ich noch im Keller lagere.“ Eine Rebe ist meist gleichbedeutend mit mehr Qualität, zwei mit mehr Quantität. Das ist aber nicht das Einzige, was es zu beachten gilt, ergänzt Jorge: „Die Rebe sollte möglichst unten am Rebstock zurückgeschnitten werden, das macht die restliche Arbeit weitaus einfacher.“ 


Wie schlagen sich die Tageblatt-Mitarbeiter im Wingert?
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Für eine Reihe von geschätzten 80 Metern benötigt er rund eine Stunde. Eine Parzelle von 26 Ar kann er in drei bis vier Tagen zurückschneiden. „Beim Rivaner ist das kein Problem, Auxerrois und Traminer ebenso“, sagt Jorge. Denn: Je nach Rebsorte sind die Hölzer härter oder weicher, es bilden sich mal mehr oder weniger Verflechtungen, die beim Putzen und Zurückschneiden mühsame Sekunden pro Rebstock und somit wertvolle Zeit kosten. Geduldig geht Jorge mit uns ein paar Rebstöcke ab, erklärt seinen Schnitt und erklärt, wann und wo er mal eine Ausnahme zum üblichen Modus Operandi macht. 

Zurück in der Kellerei in Wormeldingen erklärt uns Tom Schumacher bereits die weiteren Schritte der Weinproduktion
Zurück in der Kellerei in Wormeldingen erklärt uns Tom Schumacher bereits die weiteren Schritte der Weinproduktion Foto: Editpress/Georges Noesen

Mehr Kunst als Handwerk

Einer Rebe bleibt bestehen, der Rest wird zurückgeschnitten. Mit der Ausnahme eines Strunkes, der im kommenden Jahr die Weintrauben tragen soll.
Einer Rebe bleibt bestehen, der Rest wird zurückgeschnitten. Mit der Ausnahme eines Strunkes, der im kommenden Jahr die Weintrauben tragen soll. Foto: Editpress/Georges Noesen

Für die Parzelle hat Tom Schumacher entschieden, dass der Rebstock bis auf eine Rebe zurückgeschnitten wird. Die restlichen Auswüchse werden bis an den Rebstock zurückgestutzt. Mit einer Ausnahme: Einer Verästelung werden mehrere Zentimeter gelassen. „Das wird die tragende Rebe im kommenden Jahr“, sagt Jorge. Wichtig ist dabei zu beachten, dass auch diese möglichst weit unten am Rebstock zurückgeschnitten wird.

Mit den Erklärungen im Gepäck machen wir uns mit einem Schlenker über die „Koeppchen“ zurück in die Kellerei. Bei einem abschließenden „Pättchen“ fragen wir uns, ob wir nun besser gerüstet sind für die kommenden Aufgaben. Wenn uns unsere Erinnerungen nicht trügen, hatte Corinne uns ihre Philosophie nämlich etwas anders erklärt. Mehr Kunst als Handwerk also? „Es gibt so viel zu beachten“, meint Tom Schumacher. Jeder Winzer hat seine Vorlieben und Hausrezepte. Gut möglich also, dass Corinne in den kommenden Wochen – hoffentlich mit viel Geduld im Gepäck – noch einmal von vorne anfangen muss.

War also alles umsonst? Nicht ganz. Immerhin dürfte mit diesem Artikel auch bei unserer Kollegin aus der Kultur angekommen sein, dass es sich bei einem „Sécateur“ nicht um ein Gerät zum Trocknen (wohl aus dem Französischen „sec“ – trocken abgeleitet), sondern um eine Garten- oder Heckenschere handelt. Ich verstehe zumindest jetzt, warum Corinne uns keine elektrischen Gerätschaften an die Hand geben will. Demnach kann also nichts mehr schiefgehen. Oder?

Auf ein gutes Gelingen
Auf ein gutes Gelingen Foto: Editpress/Georges Noesen