LuxemburgWeiterbildung in Krisenzeiten: Ein Land auf Sparflamme

Luxemburg / Weiterbildung in Krisenzeiten: Ein Land auf Sparflamme
Muriel Morbé sieht das „House of Training“ als Vermittler  Archivbild: Editpress/Anne Lommel

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Die sanitäre Krise hat ebenfalls Luxemburgs Volkswirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, wenn auch nicht so stark wie ursprünglich befürchtet. 2020 ging die Wirtschaftsleistung um 1,3 Prozent zurück. Zu Beginn der Pandemie war man von einem Minus von sechs Prozent ausgegangen.

Der Erfolg, auch nur ein mäßiger, hat bekanntlich viele Väter. Und so stehen auch für die relativ gute Widerstandskraft der Luxemburger Wirtschaft gleich mehrere Erklärungen parat. Finanzminister Pierre Gramegna nannte im April im Parlament bei der rezenten Vorstellung der diesjährigen Ausgabe des Stabilitäts- und Wachstumspakts die Aufrechterhaltung der hohen Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand. Eine andere Erklärung: die oftmals argwöhnisch betrachtete Dominanz des Finanzsektors, der dieses Mal im Unterschied zur Krise von 2008/2009 nicht Problemkind war, sondern zu Lösung der Krise beitrug. So konnte der Betrieb dank Telearbeit weitgehend aufrechterhalten werden.

Hinter all diesen Anstrengungen steckt der Einsatz der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Industrie, Handwerk, Finanzbereich und vielen anderen Dienstleistungsunternehmen. Arbeitskräfte, die sich in der Regel durch eine hohe Qualifikation auszeichnen, die ständig à jour gehalten wird. Tatsächlich hat Luxemburg eine vielfältige berufliche Weiterbildungslandschaft. So kann jeder Interessierte auf der Plattform lifelong-learning.lu unter mehr als 10.000 Bildungs- und Weiterbildungsangeboten das Passende wählen. Institutionen wie die Beschäftigtenkammer CSL und die Handwerkskammer bieten ihren Mitgliedern umfangreiche Möglichkeiten, bestehendes Wissen aufzufrischen oder neues zu erwerben.

Mehrere Partner

In diese Kategorie fällt auch das „House of Training“, eine 2015 von der Handelskammer und der Bankervereinigung ABBL gegründete Einrichtung. Sie steht allen Beschäftigten, leitenden Angestellten und Unternehmensführer offen. „Wir sind ein Organismus der Handelskammer und der ABBL und richten uns daher an alle Unternehmen, die dort vertreten sind“, sagt Muriel Morbé, CEO. Man arbeite ebenfalls mit der Arbeitsmarktagentur Adem zusammen, um die Arbeitssuchenden fit für den Arbeitsmarkt zu machen, bestehende Kompetenzen an die neuen Bedürfnisse anzupassen oder neue Fähigkeiten zu erwerben.

„Wir sehen uns als Vermittler und arbeiten mit Partnern zusammen“, erklärt Morbé. Zu diesen zählen neben Gründungsmitglied ABBL u.a. der Industriellenverband Fedil, die Gaststättenvertretung Horesca und die Ingenieurs- und Architektenvereinigung OAI. „Wir sehen uns als Berater der Unternehmen bei der Identifizierung der Bedürfnisse und bei der Erstellung eines beruflichen Entwicklungsplans für die Mitglieder.“

Das Weiterbildungsangebot ist beachtlich: über 1100 Ausbildungsgänge in zwanzig verschiedenen Bereichen – von Architektur und Ingenieurwesen über Banken, Versicherungen, Handel, Buchhaltung, Recht, Betriebsführung, Personalmanagement bis hin zu Steuern und Logistik. Das Angebot sei in Berufsprofile und Kompetenzblöcke strukturiert und nicht auf eine punktuelle Ausbildung für ein punktuelles Bedürfnis, betont Morbé.

Ausbildung nach Maß

Interessierte können sich im Ausbildungskatalog bedienen oder eine Weiterbildung nach Maß anfragen. „Im ersten Fall kommen die Personen zu uns in die Ausbildung. Der Vorteil ist natürlich, dass Menschen aus verschiedenen Bereichen und Unternehmen zusammensitzen, was einen fruchtbaren und interessanten Austausch zwischen ihnen ermöglicht.“ Bei der Ausbildung nach Maß erkläre der Kunde, was er für sein Unternehmen und für seine Mitarbeiter benötige. „Mit unseren Partnern und Experten arbeiten wir ein Programm für das betroffene Unternehmen aus.“ Bei diesem Austausch stelle man oftmals fest, dass noch andere Bedürfnisse bestehen. Da helfe man, die richtige Lösung zu identifizieren.

Covid-19 zwang auch das „House of Training“ zu Umstellungen. Die große Veränderung betrifft die Art der Ausbildung. So griff man verstärkt auf Fernausbildung zurück. „Ein Format, das sich wohl in unser Angebot integrieren wird“, sagt Morbé. Es werde jedoch den Präsenzunterricht nicht ersetzt können, weil dieser eine andre Art des Austausches ermöglicht, insbesondere bei der Vermittlung von praktischem Wissen.

Wir hatten 2020 rund 30 Prozent weniger Einschreibungen im Vergleich zum Vorjahr, das ein normales Jahr war

Muriel Morbé, CEO House of Training

Ihre Spuren hinterließ Corona auch bei der Zahl der Kursteilnehmer. Die Weiterbildung sei in Krisenzeiten eine jener Prioritäten, die nach hinten verschoben werden, so Morbé. Das habe man klar festgestellt. „Wir hatten 2020 rund 30 Prozent weniger Einschreibungen im Vergleich zum Vorjahr, das ein normales Jahr war. In einzelnen Bereichen blieb die Nachfrage jedoch konstant. Das betraf etwa die reglementarischen und technischen Bereiche. Gleichzeitig stellte man erhöhtes Interesse für Arbeitsorganisation und Projektmanagement fest. Die geringeren Anmeldezahlen erklärt sich Morbé auch damit, dass in manchen Monaten das Land auf Sparflamme lief. Dieses Jahr ist das Bedürfnis nach beruflicher Weiterbildung wieder erwacht. „Ausbildung bleibt ein wichtiges Thema“, schlussfolgert die Chefin des „House of Training“.

Auf die Schlussfrage, ob es insbesondere wegen Covid-19 schwieriger wurde, Unternehmer zu werden, antwortet Muriel Morbé: „Wer eine gute Idee hat, für den findet sich immer ein Weg, um zu starten.“ Dabei erinnert sie an andere Strukturen zur Förderung des Unternehmertums wie das „House of Entrepreneurship“, das von der Handelskammer und dem Wirtschaftsministerium gegründet wurde, und das „House of Start-ups“ der Handelskammer. Das notwendige Wissen können die Unternehmensgründer dann beim „House of Training“ erwerben.