Dienstag21. Oktober 2025

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SozialrundeWas für ein Abkommen zwischen den Sozialpartnern spricht – und was nicht

Sozialrunde / Was für ein Abkommen zwischen den Sozialpartnern spricht – und was nicht
Bis es zu einem Abkommen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Patronat kommt, wird sich wohl auch am Mittwoch noch kritisch beäugt werden Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wenn am 3. September Regierung, Patronat und Gewerkschaften zum dritten Akt der Sozialrunde zusammenkommen, ist der Sommerurlaub für die Verhandlungspartner offiziell beendet. Bereits vor der Sommerpause wurden einige Entscheidungen getroffen, sodass einige Beobachter davon ausgehen, dass vielleicht schon direkt am ersten Tag eine umfassende Einigung erzielt werden könnte. Was dafür und was dagegen spricht.

Eine Einigung wird erzielt, weil …

… in den vergangenen beiden Diskussionsrunden bereits ein Teil der zu klärenden Fragen abgehakt werden konnten. Als Punktsieg für die Gewerkschaften wurde gewertet, dass das Exklusivrecht der Gewerkschaften bei Kollektivvertragsverhandlungen nicht infrage gestellt werden wird und auch an der inhaltlichen Tragweite der Kollektivverträge nicht gerüttelt werden soll. Der Auslöser des Sozialkonflikts im vergangenen Oktober ist somit bereinigt, wodurch die Verhandlungen zwischen Regierung, Patronat und Gewerkschaften schnell zu weiteren Streitpunkten übergehen konnten. Die Verhandlungspartner haben sich ebenfalls bereits darauf geeinigt, dass arbeitsrechtliche Streitthemen wie die gesetzliche Arbeitszeitorganisation mit der Sonntagsarbeit und den Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel im ständigen Beschäftigungsausschuss CPTE diskutiert werden sollen. Erste annehmbare Vorschläge liegen hier zur Diskussion bereit, eine Einigung erscheint eher eine Detailfrage. Damit warten auf den in diesen Fragen unglücklich agierenden Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) noch einige Diskussionen und er bleibt weiterhin gefordert. Premierminister Luc Frieden hat sich mit der Verlagerung ins CPTE eines weiteren Punktes auf der Tagesordnung entledigt.

… die Regierung in der Rentenfrage von ihrer ursprünglichen „Stoßrichtung“ abgerückt ist. Das Heranführen des tatsächlichen Renteneintrittalters an die gesetzliche Obergrenze von 65 Jahren, wie sie von Luc Frieden in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt wurde, ist derzeit vom Tisch. Stattdessen soll eine Anhebung um insgesamt acht Monate über einen Zeitraum von fünf Jahren als Vorschlag auf dem Tisch liegen. Das soll allerdings nur für all jene gelten, die gedenken, mit 60 Jahren in Frührente zu gehen. Zudem sollen die Beitragszahlungen für Arbeitnehmer, Regierung und Arbeitgeber um 0,5 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent angehoben werden. Die Rentenreform von 2012, die ein Aussetzen der Jahresendzulage vorsieht, wenn die Beitragszahlungen angehoben werden, soll außer Kraft gesetzt werden. Wenn die laufenden Ausgaben die Einnahmen übersteigen, sieht die 2012er-Reform ebenfalls vor, dass der Rentenajustement ausgesetzt wird. Auch dieser Mechanismus soll nach jetzigem Stand wohl ausgesetzt werden.

… die Regierung den sozialen Frieden im Land möglichst schnell wiederherstellen will. Der CSV-DP-Regierung dürfte daran gelegen sein, das Chamber-Jahr, das am 3. Oktober mit der Inthronisierung von Guillaume eingeläutet wird, nicht mit einer in dem Fall bereits seit einem Jahr schwelenden sozialen Unruhe zu beginnen. Zumindest auf Gewerkschaftsseite schlägt man in die gleiche Kerbe, wenngleich man sich nicht auf einen Abschluss der Gespräche am Mittwoch festlegen will. Gegenüber Paperjam meinen Patrick Dury (LCGB) als auch David Angel (OGBL), dass ein Abkommen am 3. September oder zumindest noch in der ersten Septemberhälfte möglich sei. Besonders den CSV-Ministern dürfte jedoch auch daran gelegen sein, den sozialen Flügel innerhalb der eigenen Partei zu besänftigen. Nachdem Luc Frieden als Premierminister und Parteipräsident den Kurs der Volkspartei seit seiner Ernennung zum Spitzenkandidaten maßgeblich bestimmt hat, trifft er nun erstmals auf ernst zu nehmende Gegenwehr. Diese könnte sogar die parlamentarische Mehrheit von CSV und DP in der Chamber gefährden. Eine politische Schlappe, die Luc Frieden nicht nur persönlich treffen würde, sondern auch die Regierungskoalition in eine Krise stürzen würde. Es würde das von Luc Frieden stets propagierte und mittlerweile stark angekratzte Narrativ, er wolle vorankommen, um „Luxemburg für die Zukunft zu stärken“, noch weiter beschädigen. Premierminister Luc Frieden wird in der Hinsicht auf eine möglichst schnelle Einigung pochen.

Eine schnelle Einigung wird ausbleiben, weil …

… die Patronatsseite mit dem bisherigen Verlauf der Sozialrunde nicht zufrieden ist. UEL-Präsident Michel Reckinger machte aus der Tatsache, dass für die Arbeitgeberseite bisher wenig Konkretes herausgesprungen ist, keinen Hehl. Das ist natürlich dadurch bedingt, dass Patronat und Regierung bisher – die Rentenfrage einmal ausgenommen – auf einer Linie lagen. Die erforderlichen Zugeständnisse seitens der Regierung nach der nationalen Demo am 28. Juni bedingte, dass auch das Patronat nicht mehr an seinen Forderungen festhalten konnte. Dementsprechend streitlustig gibt sich Michel Reckinger im Vorfeld der dritten Verhandlungsrunde am Mittwoch. „Wir haben unsere Standpunkte dargelegt, aber die Entscheidung liegt bei der Regierung. Wir befinden uns nicht in einer Situation, in der unbedingt ein Konsens gefunden werden muss. Das Ausbleiben einer Einigung wäre kein Misserfolg“, gibt Reckinger gegenüber Paperjam zu Protokoll. Die Rhetorik erinnert stark an Premierminister Luc Frieden, der seinerseits immer wieder betont, dass nicht unbedingt eine Einigung in allen Punkten mit allen Verhandlungspartnern nötig sei. Vor allem aber könnte die rezente Vergangenheit einen Hinweis auf die Verhandlungstaktik der Patronatsseite liefern. Bereits in den Tripartite-Verhandlungen im September 2022 hatten die Arbeitgebervertreter eine Einigung kurz vor Schluss mit einer erneuten Wunschliste an Forderungen zum Wanken gebracht. Eine Blaupause für Mittwoch?

… der große Streitpunkt Rentenreform noch ausdiskutiert werden muss. Die von Regierungsseite gemachten Öffnungen im Rahmen der möglichen Rentenreform sind bekannt. Noch unklar ist, inwiefern Gewerkschafts- und Arbeitgeberseite auf die Vorschläge reagieren. Vor allem die Patronatsseite hatte eine Beitragserhöhung kategorisch abgelehnt. Auch wenn sich die Sozialpartner in dem Dossier einander angenähert haben, birgt es genügend Zündstoff, um die Verhandlungen noch weiter hinauszuzögern. Auch deswegen, weil mit einer Einigung mit den bisherigen Vorschlägen die Sozialpartner möglicherweise zufrieden sind, Premierminister Frieden trotzdem mit weiteren politischen Konsequenzen rechnen muss. Die ursprünglich anvisierte Absicherung des Rentensystems auf 15 Jahre hin wäre mit den derzeitigen Vorschlägen jedenfalls gescheitert, das Streitthema der kommenden Wahlen stünde bereits drei Jahre vorher fest. Dass eine CSV diese anhaltenden Diskussionen beim kommenden Urnengang unbeschadet überstehen würde, ist fraglich. Möglich also, dass Frieden ambitioniertere Reformansätze vorschlagen wird.

… die Regierung den öffentlichen Druck nach der Großdemo vom 28. Juni mit etwas zeitlichem Abstand nicht mehr als so zwingend erachtet als noch vor zwei Monaten. Das könnte dazu führen, dass bereits gemachte Zugeständnisse wieder zurückgezogen werden, bereits sicher geglaubte Fortschritte gekippt und noch einmal vieles auf Anfang gesetzt wird. Wie auch von UEL-Präsident Michel Reckinger noch vor der Sommerpause betont wurde, soll alles bis zum Ende Verhandlungsmasse bleiben. Wenn Premierminister Frieden es deswegen für nötig erachten sollte, bereits Festgezurrtes aus dem Juli wieder zur Diskussion zu stellen, müssen sich die Verhandlungspartner auf eine länger andauernde Sozialrunde – oder ein mögliches Scheitern – einstellen.