Was bin ich? Die Ausstellung in der Abtei Neimënster entlarvt Vorurteile

Was bin ich? Die Ausstellung in der Abtei Neimënster entlarvt Vorurteile

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Identitäre Themen drängten auch in Luxemburg in die Wahlprogramme von Parteien, die nicht als rechtspopulistisch gelten. Im Rahmen des Filmfestivals „CinEast“ beschäftigen sich sieben Fotografen aus Luxemburg und aus osteuropäischen Ländern mit der Frage der Identität, sowohl der individuellen wie auch der gemeinschaftlichen.

Eine Romni in einem farbenprächtigen Kleid, schön zum Ansehen und genau dem Klischee entsprechend, das man von der Bevölkerungsgruppe hat. Daneben dieselbe Frau in einem weißen Kleid. Ein anderes Foto der Serie zeigt eine Frau in einer roten Trainingsjacke und einem blauen Schal, in den sie ein Baby eingewickelt hat. Kein Zweifel, eine Zigeunerin, die mit ihrem Kind um Almosen bettelt.

Info

Neimënster, bis zum 24.10., täglich 11.00-18.00 Uhr Eintritt frei

Warum wissen wir das? Weil sie so aussieht. Es könnte aber auch sein, dass das Foto nur eine Darstellung unserer Erwartungen ist. In einer Reihe von Diptychen stellt der ungarische Fotograf Miklos Deri Angehörige der Roma in jeweils zwei Rollen vor. Einmal sind sie als „typische Zigeuner“ angezogen, im rechten Bild sind sie so angezogen, wie es ihrem tatsächlichen sozialen Status entspricht.

Vorurteile werden entlarvt

Eine Abwandlung des Themas „Kleider machen Leute“, das aber auch die Vorurteile des Betrachters entlarvt. Die Bilder der Serie steigern sich von Foto zu Foto, von solchen, die man noch als „normal“ empfindet, bis hin zu fast karikaturhaften Inszenierungen.

Der Zweifel jedoch bleibt, welche der Abbildungen die Person richtiger darstellt. Oder es handelt sich, wie der Titel der Ausstellung in der Mehrzahl andeutet, um Menschen mit mehreren Identitäten, abhängig von der sozialen Begebenheit.

Der lettische Fotograf Reinis Hofmanis fotografierte Teilnehmer eines LARP („Live-action role-playing“). Die Spieler verkleiden sich nach eigenen Vorstellungen und legen sich für die Dauer des Spiels eine andere Identität zu, die sich in einer Fantasiewelt bewegt.

Der luxemburgische Fotograf Patrick Galbats begab sich auf Spurensuche nach Ungarn, ein Land, in dem rechtsextreme Tendenzen und identitäre Ideen seit Längerem schon in der Mitte der Gesellschaft Fuß gefasst haben. In seinen Fotos zeigt Galbats die Zerrissenheit eines Volkes, das einerseits auf Integration in Europa bedacht ist, sich andererseits auch extrem abzuschotten scheint. Galbats fotografierte dort u.a. eine Kundgebung der ultrarechten „64 Gespanschaften“.

Identitäten im Wandel der Zeit

Identitäten wandeln sich mit der Zeit; niemand ist der Gleiche, der er oder die sie vor Jahrzehnten einmal war. Der tschechische Fotograf Jan Langer nahm sich des Themas der Hundertjährigen an: In seinem Land leben um die 14.000 Menschen in dem Alter.
Aktuellen Fotos stellte er Fotos ihrer Jugend gegenüber, daneben eine Kurzbiografie. Der Betrachter fühlt sich aufgefordert, in den beiden Fotos Ähnlichkeiten zwischen den Gesichtern zu finden. Ob man eine einzige Identität oder zwei verschiedene entdeckt, liegt am Auge des Betrachters. Gemeinsam mit den anderen Serien der Ausstellung zeigen sie, dass Identitäten sich nicht für Schwarz-Weiß-Malerei eignen. Identitäten werden als eine vielseitige Angelegenheit thematisiert.

Neben den Fotos der rechtsextremen „64 Gespanschaften“ demonstrieren sie auf bildhafte Art und Weise das Absurde einer Ideologie, die auf die Reinheit eines Volkes aufbaut, einer Idee, die durch die Bilder der Ausstellung „Identities“ ad absurdum geführt wird. Ein Volk kann kaum rein sein und eine Einheit haben, wenn die Identität eines jeden Einzelnen das Ergebnis einer jahrelangen Geschichte, von unzähligen Erfahrungen ist. Identitäten sind Flickenteppiche, die Identität eines Volkes infolgedessen auch.