Mittwoch31. Dezember 2025

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EditorialWarum wir 2026 wieder mehr und vor allem besser streiten sollten

Editorial / Warum wir 2026 wieder mehr und vor allem besser streiten sollten
    Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Mehr und besser streiten: Warum 2026 eine Debattenkultur nötig ist, um gesellschaftliche Gräben zu überwinden und Populismus entgegenzuwirken. Ein Plädoyer für offene, differenzierte Diskussionen, die unsere Gemeinschaft in Luxemburg und darüber hinaus stärken können.

Am Ende des Jahres hat man das Gefühl, unsere Welt sei noch ein Stück zerrissener geworden. Die Gräben in der Gesellschaft wirken tiefer, die Fronten verhärteter. Nicht nur in den USA, wo Präsident Donald Trump selbst die Spaltung vorantreibt, sondern auch bei uns scheint der Diskurs immer schneller zu verrohen. Vieles davon ist vielleicht weniger eine objektive Spaltung als ein Produkt unserer Wahrnehmung.

Der deutsche Soziologe Nils Kumkar warnt davor, Polarisierung zu überschätzen: Wissenschaftlich belegbar sei eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft zumindest in Deutschland nicht. Vielmehr hätten die Menschen das Gefühl, dass Diskussionen unausweichlich eskalieren, sobald unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen. Polarisierung sei also weniger ein objektiv wachsendes Problem, sondern ein kommunikatives Muster, verstärkt durch politische Strategien und mediale Wahrnehmung.

Gefährlich bleibt allerdings auch die „gefühlte“ Polarisierung. Vor allem rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien nutzen sie geschickt aus. Sie präsentieren sich als Gegenspieler aller anderen, als der „negative Pol“ der politischen Debatte. In Deutschland ist dies der AfD eindrucksvoll gelungen. In Luxemburg versucht die ADR Ähnliches, bislang mit deutlich geringerem Erfolg. Ihre Strategien wirken oft plump, durchschaubar und uncharismatisch, wie auch die jüngsten Politmonitor-Ergebnisse zeigten.

Die Frage, wie sich dieser Entwicklung begegnen lässt, stellt sich dennoch auch bei uns. Am besten wohl, indem wir wieder mehr streiten. Aber klüger, mit stichhaltigen Argumenten und ohne zentrale Themen wie zum Beispiel Migration, Sicherheit oder Sprache den Populisten zu überlassen. Große Fragen der Politik lassen sich nicht in Schwarz und Weiß aufteilen. Wir müssen wieder lernen, Zwischentöne zuzulassen, Debatten auszutragen, ohne dass sie sofort zu Stellvertreterkämpfen eskalieren.

Die Parteien der Mitte sollten ihr Profil stärken, statt sich von den Populisten treiben zu lassen und ihnen so unbeabsichtigt Macht zu verschaffen. Politische Klarheit zahlt sich aus, auch das hat das Jahr 2025 bewiesen. In New York wurde der linke Demokrat Zohran Mamdani Bürgermeister, weil er eine deutliche soziale Agenda verfolgte. In Kopenhagen hingegen verloren die Sozialdemokraten die Bürgermeisterwahl, weil sie sich auf nationaler Ebene beim Thema Migration an den rechten Zeitgeist angepasst hatten. 45 Prozent der Kopenhagener Bevölkerung haben Parteien links der Sozialdemokratie gewählt.

Vielleicht hat Kumkar ja recht und unsere Gesellschaft ist gar nicht so gespalten, wie wir glauben. Dann könnte unser Vorsatz für 2026 lauten: wieder mehr, aber vor allem besser zu streiten. Denn wer den Mut hat, Debatten offen, ehrlich und differenziert zu führen, kann am Ende die Gemeinschaft stärken.