Sonntag19. Oktober 2025

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Gewerbe in der KriseWarum sind die Taxipreise in Luxemburg so unverschämt – und was bringt die Liberalisierung?

Gewerbe in der Krise / Warum sind die Taxipreise in Luxemburg so unverschämt – und was bringt die Liberalisierung?
526 Taxi-Lizenzen sind derzeit in Luxemburg vergeben – doch mit der Begrenzung könnte es bald vorbei sein Foto: Editpress/Julien Garroy

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Das Taxigewerbe in Luxemburg tut sich schwer: Die Preise sind zu hoch und die Kunden bleiben aus. Eine Reform will das ändern – doch sie könnte auch vieles schlimmer machen.

Hand aufs Herz, wie oft nehmen Sie pro Jahr in Luxemburg ein Taxi? Wenn Ihre Antwort „gar nicht“ lautet, stehen Sie sehr wahrscheinlich nicht alleine da. Denn bei einer TNS-Ilres-Umfrage aus dem Jahr 2017 gaben rund die Hälfte der Befragten an, nie Taxi zu fahren. Lediglich acht Prozent benutzen ein Taxi mindestens einmal pro Monat. Die Regierung plant, das mit einer Reform zu ändern: Mehr Taxis auf den Straßen sollen die Konkurrenz beflügeln und die Preise drücken. Doch so einfach ist die Lösung nicht, wie von Akteuren aus dem Bereich zu hören ist.

„Es gibt nicht viele Kunden“, sagt Aymen. Das Tageblatt hat sich mit dem tunesischen Taxi-Unternehmer getroffen, um über die Probleme des Gewerbes zu sprechen. Neben den fehlenden Kunden ist vor allem der Preis das große Thema – und beides hängt unweigerlich zusammen. „Man ist gezwungen, die Preise zu erhöhen“, sagt Aymen. Denn das liege vor allem an den vielen Taxis in Luxemburg – die sich wiederum die wenigen Kunden teilen müssen. Am Ende des Tages müssen sich die Fahrten lohnen. „Damit es für mich rentabel ist, darf ich nicht weniger als 250 Euro verdient haben.“

Aymen ist vor drei Jahren ins Taxigewerbe eingestiegen, um mehr Freiheit zu haben: „Die Tatsache, dass ich reisen kann, wann immer ich will, oder dass ich zu meiner Familie fahren kann, wann immer ich will, ist für mich besonders wertvoll“. Davor war er in großen Unternehmen als Buchhalter tätig, in Luxemburg hat er für Rakuten gearbeitet. Nach und nach hat er dann immer mehr Anteile an einem Taxi-Unternehmen erworben – bis er die Mehrheit besaß. Jetzt hat er fünf Fahrer, die für ihn arbeiten.

So funktioniert das Taxigewerbe in Luxemburg

526 Lizenzen sind derzeit in Luxemburg vergeben. 2025 sollen noch mal 20 emissionsfreie Lizenzen – also Elektro-Taxis – hinzukommen. Die Anzahl der Taxis ist an die Bevölkerung gekoppelt: Wenn die Bevölkerung wächst, gibt es auch mehr Taxis. In der Praxis schlägt sich das in 20 Lizenzen pro Jahr nieder.
Bereits 2016 gab es eine Reform des Taxigewerbes. Der Kilometerpreis kann seitdem vom Taxifahrer oder vom Unternehmen selbst festgelegt werden.
Derzeit ist das Land in sechs Zonen aufgeteilt: Zentrum, Süden, Osten, Westen, Norden 1 und Norden 2. Die ursprüngliche Idee dahinter: Die Taxis dürfen nur in der Zone stehen und auf Kunden warten, in der sie zugelassen sind. Durch das Aufkommen von digitalen Plattformen wie Webtaxi ist diese Regelung allerdings größtenteils überflüssig geworden. Denn: Taxis können in allen Zonen fahren und Kunden mitnehmen, wenn sie vorher bestellt wurden.
Ein Kollektivvertrag regelt die Arbeitsbedingungen der Taxifahrer. Dieser sieht eine tatsächliche Arbeitszeit von acht Stunden vor. Durch Wartezeiten können die Arbeitstage aber länger werden. Die Arbeitgeber können jedoch nur verlangen, dass die Fahrer ihnen bis zu 12 Stunden zur Verfügung stehen. Als Gehalt erhalten Taxifahrer zwar den Mindestlohn, sie werden jedoch auch an 36 Prozent ihres Umsatzes beteiligt, wenn dieser den Mindestlohn übersteigt. Außerdem gibt es Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit.

Dreimal musste Aymen in seiner kurzen Zeit im Taxigewerbe bereits die Preise erhöhen. „Ich bin nicht glücklich darüber, aber ich schaffe es sonst nicht“, sagt er. Für seine Fahrer springen am Ende des Tages oft nur fünf bis sechs Fahrten raus – und oft sind das nur Kurzstrecken. „Aber wenn man am Tag keine Fahrt hat, die mehr als 100 Euro kostet, dann reicht das nicht.“ Es komme vor, dass die Fahrer bis zu 16 Stunden arbeiten – wovon sie dann die meiste Zeit auf Kunden warten. Die Grundursache für die Probleme im Taxigewerbe liegt laut dem Unternehmer im Verteilungsschlüssel in Luxemburg.

Die Anzahl der Taxis ist auf anderthalb pro 1.000 Einwohner gedeckelt. Aktuell gibt es 526 Lizenzen für das Großherzogtum, wie das Mobilitätsministerium auf Nachfrage des Tageblatt mitteilt. In den vergangenen Jahren bot die Regierung jeweils 20 neue Lizenzen pro Jahr zum Kauf an. 2025 wird es im Juni so weit sein. „Auch dieses Jahr werden wieder 20 neue Null-Emissions-Lizenzen auf den Markt gebracht“, schreibt das Ministerium.

Die Anzahl der Taxi-Lizenzen in den vergangenen sieben Jahren in Luxemburg
Die Anzahl der Taxi-Lizenzen in den vergangenen sieben Jahren in Luxemburg  Grafik: Ministère de la Mobilité

Aus der Sicht von Aymen sind es zu viele neue Lizenzen: „Wenn der Staat die Anzahl der Taxis erhöht, müssen die Fahrer den Preis erhöhen – weil die Zahl der Kunden sinkt.“ Der Schlüssel würde vielleicht in einer Großstadt funktionieren, aber nicht in Luxemburg. Jetzt plane die Regierung sogar eine Reform – um die Zahl der Taxis noch weiter zu erhöhen. „Das bedeutet, dass es immer schlimmer wird.“

Geplante Reform

„Die Idee der Reform: Taxis sind zu teuer, deswegen soll etwas unternommen werden“, sagt Christian Reuter von der „Fédération des Taxis“ dem Tageblatt. Das freie Spiel der Kräfte des Marktes soll es richten. Zwischendurch sei die Liberalisierung zwar bereits vom Tisch gewesen – doch jetzt soll sie wieder kommen. Bisher habe der Verband zwar keine offizielle Bestätigung bekommen, bis Ende des Jahres könne aber mit der Reform gerechnet werden.

Tatsächlich befindet sich der Luxemburger Taxiverband seit über einem Jahr in Verhandlungen mit Mobilitätsministerin Yuriko Backes (DP) über eine Reform, sagt Reuter. Im Koalitionsvertrag der amtierenden CSV-DP-Regierung lässt sich dazu Folgendes finden: „Die Reform des Taxigesetzes wird mit dem Ziel abgeschlossen, die hohen Preise zu senken, indem unter anderem die derzeit geltende Obergrenze für Lizenzen abgeschafft wird.“

Wenn jeder Taxi fahren kann, haben wir eine Situation wie im Wilden Westen

Christian Reuter, Fédération des Taxis

Eine gesunde Konkurrenz mit guten und kompetitiven Preisen sei natürlich im Interesse des Verbands. „Es spricht nichts gegen eine Reform, verschiedene Maßnahmen müssen aber beibehalten werden, damit der Markt gut funktioniert“, sagt Reuter. Die Obergrenze gehöre unbedingt dazu. „Wenn jeder Taxi fahren kann, haben wir eine Situation wie im Wilden Westen.“

Natürlich mache die Konkurrenz den Preis, aber es gebe für Taxifahrer auch viele Kosten. „Wir haben verschiedene Workshops organisiert, in denen die Kosten untersucht wurden“, sagt Reuter. Das Resultat: Die Preise für eine Fahrt decken zwar die Ausgaben – doch viel bleibe nicht übrig.

„Nach unserer Analyse wird eine Liberalisierung die Lage verschlechtern“, sagt Reuter. Mehr Konkurrenz würde die Preise nicht weiter drücken. Es gebe eine Schmerzensgrenze, die nicht unterschritten werden könne. „Sie sagen, dass wir die Preise senken müssen, damit die Kunden das Taxi nehmen – das ist unmöglich“, sagt auch Aymen.

Drohendes Schreckensszenario

Auch Sveinn Graas vom OGBL macht sich Gedanken über die Reform: „Für uns haben die Gespräche über die Reform den falschen Fokus.“ In der Debatte gehe es vor allem gerade darum, den Preis zu drücken. „Im Endeffekt leiden die Taxifahrer darunter“, sagt Graas. Denn diese werden durch den aktuellen Kollektivvertrag im Gewerbe am Umsatz beteiligt. Wenn die Preise zu stark sinken, dann bedeute das eben auch weniger Einnahmen für den Fahrer.

Dann könnten nicht nur das Gehalt, sondern auch die Arbeitszeiten zu einem Problem werden. „Wenn jemand auf eigene Faust ohne Zentrale Taxi fährt, ist es schwierig, das von den Arbeits- und Fahrzeiten zu schaffen“, sagt Reuter vom Taxiverband. Die Fahrer würden heute schon teilweise den ganzen Tag im Taxi sitzen, um genug Geld zusammenzukriegen. Durch die Liberalisierung könnten viele unabhängige Fahrer einsteigen – ein Einfallstor für Sozialdumping. Dann seien noch mehr Fahrer den ganzen Tag unterwegs, um etwas in der Kasse zu haben.

Das Schreckensszenario von Reuter: „Die Betriebe hätten keine Leute mehr, jeder würde sich selbständig machen und unter fragwürdigen Arbeitskonditionen fahren.“ Dann würde schlussendlich niemand wirtschaftlich überleben – und irgendwann gebe es keine Betriebe und keine Taxis mehr.

Wie die Reform final aussehen wird, ist noch unklar. Die Regierung will sich nicht äußern: „Wir verweisen auf die Stelle im Koalitionsvertrag“, heißt es auf Nachfrage von einer Pressesprecherin. Aymen ist besorgt: „Das Problem ist, dass es Leute gibt, die Regeln für das Taxi aufstellen, die nichts mit dem Taxi zu tun haben.“ Ob sein Traum der Freiheit vielleicht bald ausgeträumt ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Holly
23. Februar 2025 - 14.49

Wie manches Taxiunternehmen sich draussen benimmt,
ist lächerlich und krupelos. Müssten aus dem Verkehr genommen
werden und sehr schnell.

Claude
22. Februar 2025 - 16.23

Ech froe mësch ëmmer fir wat Taxien et erlaabt kritt hunn Busspuer därfen ze fueren.
Et ass jo awer keen Transport public, méi ekologesch ass et och nët.
Wéinstens den Daag iwwer ass et dach nëmmen e Luxus fir nët mam Pöbel an de Bus mussen ze klammen. E Statussymbol.
Och e Bäcker oder Pizzaliwwerant géif gär méi schnell duerch de Verkéier kommen, ween nët.
Owes rullt et och esou, da brauchen se deen Privileeg dann och nët.

Leila
22. Februar 2025 - 12.38

Wie wäre es mit mehr Höflichkeit bei den Taxlern?! Ich konnte mal beobachten, wie einer ältere Dame mit Krücke weder die Autotüre geöffnet und genauso wenig zugemacht wurde. Der junge Mann flegelte sich im Autositz und sah ihr zu, wie sie sich abmühte. Mir erging's auch nicht besser: frisch operierter Fuß, zwei Krücken, gleiches Szenario und bis zum Arzt vor die Tür fuhr er mich ebenfalls nicht, weil dieser sich am Anfang der Fußgängerzone befand! Die wenigen Meter waren für mich eine Tortur. Bis jetzt hatte ich nur zwei wirklich hilfsbereite klasse Chauffeure, die wahrscheinlich die Ausnahme sind. Ein Chauffeur vom Findel brachte es fertig, vom Flughafen bis zum Restaurant Airfield mit ein paar Umwegen 18 € zu verlangen, weil er "das Restaurant nicht kannte" - noch keine sechs Jahre her... So erging es Freunden von mir, die aus dem Ausland kamen! Noch Fragen?