Mittwoch29. Oktober 2025

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Prix ServaisWarum sich die Luxemburger Autorin Anne-Marie Reuter durchsetzte und an wen sie ihre Dankesrede richtete

Prix Servais / Warum sich die Luxemburger Autorin Anne-Marie Reuter durchsetzte und an wen sie ihre Dankesrede richtete
Anne-Marie Reuter (Mitte) wurde für ihren Debütroman „M for Amnesia“ (Black Fountain Press) im Centre national de littérature mit dem Prix Servais 2025 ausgezeichnet. Den Preis übergaben ihr der Juryvorsitzende Sébastian Thiltges (l.) und der Präsident der Fondation Servais, Emmanuel Servais (r.). Foto: Editpress/Alain Rischard

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Das Tageblatt traf sich vor der Verleihung des Prix Servais mit der prämierten Autorin und Verlegerin Anne-Marie Reuter, am Montag nahm sie den Preis für ihren Debütroman „M for Amnesia“ im Centre national de littérature (CNL) entgegen. Eindrücke der Zeremonie.

Anne-Marie Reuter nahm im Centre national de littérature den Prix Servais 2025 entgegen
Anne-Marie Reuter nahm im Centre national de littérature den Prix Servais 2025 entgegen Foto: Editpress/Alain Rischard

Es ist eine Premiere: „M for Amnesia“ (2024, Black Fountain Press) von Anne-Marie Reuter ist das erste englischsprachige Buch, das den Prix Servais erhält. Ein dystopischer Roman, der Erinnerungslücken, individuelle und kollektive Traumata mit Gesellschaftskritik verbindet. Das Tageblatt besprach das Buch im September. Millie, eine ältere Dame mit Amnesie, und ihre junge Betreuerin Melissa führen durch die Geschichte. Beide ringen in einer von Klimakrisen, sozialer Segregation und wissenschaftlich kontrollierter Welt um ihre Identität.

Reuter arbeitete sieben Jahre an dem Werk und freute sich im Gespräch mit dem Tageblatt über den Erfolg. „Es ist eine Anerkennung meines Schreibens“, sagte sie. Gleichzeitig sei es eine Bestätigung für Luxemburgs ersten englischsprachigen Verlag: Noch nie zuvor wurde ein Werk von Black Fountain Press mit dem Prix Servais geehrt. „Es ist wertvoll, wenn sich im Verlagskatalog solche ein Buch befindet“, betonte Reuter. „Das trägt zum Prestige des Hauses und zur Wertschätzung der englischsprachigen Literatur in Luxemburg bei.“

Der Juryvorsitzende Sébastian Thiltges erklärte die Wahl
Der Juryvorsitzende Sébastian Thiltges erklärte die Wahl Foto: Editpress/Alain Rischard

Zur Vergabe 

Diese wurde der Autorin und ihrem Verlag von der diesjährigen Jury unter dem Vorsitz des Literaturwissenschaftlers Sébastian Thiltges zuteil. Weitere Mitglieder des Entscheidungsgremiums waren Fabienne Gilbertz, Ludivine Jehin, Henning Marmulla, Diane Neises, Jérôme Netgen, Shari Schenten, Aimée Schultz und Tamara Sondag. Auf der „Shortlist“ standen Tomas Bjørnstad (Die Verlorenen, Editions Guy Binsfeld), Carla Lucarelli (Salztage + Zurück, Editions Phi), Guy Rewenig (Goss, Editions Guy Binsfeld) und Margret Steckel (Doswidanja, Genosse, Capybarabooks). Weshalb sich die Literaturkenner*innen für Reuters Werk entschieden, verkündete die Jury bereits Ende April in einem öffentlichen Statement. „‚M for Amnesia’ beeindruckt durch die Relevanz der Themen. Der Roman konfrontiert seine Leser nicht nur mit verschiedenen politischen, ökologischen und sozialen Problemen“, heißt es dort, „sondern zeigt auch die ethischen Dilemmata auf, mit denen die Menschheit konfrontiert ist.“ Reuters fast klinischer Stil vermittele gekonnt das kontrollierte und wissenschaftlich geprägte Umfeld, in dem die Protagonist*innen leben. 

Erste Reihe bei der Preisverleihung (v.l.): Sébastian Thiltges (Juryvorsitzender), Emmanuel Servais (Präsident Fondation Servais), Nathalie Jacoby (Direktorin CNL), Eric Thill (Kulturminister), Anne-Marie Reuter (Autorin/Verlegerin) und Miriam Baldwin (Geisteswissenschaftlerin der University of Newcastle)
Erste Reihe bei der Preisverleihung (v.l.): Sébastian Thiltges (Juryvorsitzender), Emmanuel Servais (Präsident Fondation Servais), Nathalie Jacoby (Direktorin CNL), Eric Thill (Kulturminister), Anne-Marie Reuter (Autorin/Verlegerin) und Miriam Baldwin (Geisteswissenschaftlerin der University of Newcastle) Foto: Editpress/Alain Rischard

Letzteren widmete Reuter am Montag einen Großteil ihrer mehrsprachigen Rede, vor allem den Hauptfiguren. Ein Gespräch zwischen Millie, Melissa und der Autorin markierte deren Anfang und Ende. „We care deeply about the characters in our novels“, so Reuter über die Beziehung zu ihren Figuren. „They’re our friends, we know them better than our neighbours, sometimes even better than our family.“ Ferner ging sie auf die Notwendigkeit von Geschichten, von Fiktion, von Literatur ein und warf einen kritischen Blick auf den Einfluss Künstlicher Intelligenz auf kollektive Erinnerungen.

Neben dem Juryvorsitzenden Thiltges und Reuter hielten auch Emmanuel Servais, Präsident der Fondation Servais, und Eric Thill (DP), Kulturminister, Ansprachen. Die Laudatio trug Miriam Baldwin, promovierte Geisteswissenschaftlerin an der University of Newcastle, vor. Sascha Ley begleitet den Abend musikalisch. 

Zum Prix Servais

Der Prix Servais wird seit 1992 verliehen und ist mit 7.500 Euro dotiert. Benannt ist er nach dem Luxemburger Schriftsteller und Politiker Emmanuel Servais, der sich im 19. Jahrhundert unter anderem an der Ausarbeitung der Luxemburger Verfassung beteiligte. Neben dem Prix Batty Weber, der alle drei Jahre für das Gesamtwerk eines Autors verliehen wird, gilt der Prix Servais als wichtigster Luxemburger Literaturpreis. Der erste Preisträger war Roger Manderscheid (De Papagei um Käschtebam, Editions Phi). Die erste Frau, die den Prix Servais entgegennahm, war Margret Steckel (Der Letzte vom Bayrischen Platz, Editions Phi) im Jahr 1997. Letztes Jahr ging der Preis an Samuel Hamen (Wie die Fliegen, Diaphanes) und 2023 an unseren Kollegen sowie Autoren Jérôme Quiqueret (Tout devait disparaître, Capybarabooks).