Mittwoch24. Dezember 2025

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Porträt„Wann s de eppes brauchs, géi bei d’Jacqueline“: Wenn Engagement zum Lebenswerk wird

Porträt / „Wann s de eppes brauchs, géi bei d’Jacqueline“: Wenn Engagement zum Lebenswerk wird
Jacqueline De Valentin-Bourg wurde Anfang Dezember mit dem Preis für ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet Foto: Editpress/Claude Lenert

50 Jahre Vorstand, 34 Jahre Sekretärin, drei Vereine – und unzählige Menschen, die sie begleitet hat. Jacqueline De Valentin-Bourg prägt das Vereinsleben in Mersch wie kaum eine andere. Ein Porträt über Organisationstalent, Haltung und die Frage, wann es Zeit ist, loszulassen.

Ich kenne Jacqueline De Valentin-Bourg nicht nur aus der Pressemitteilung des „Prix du bénévolat“. Über mehrere Jahre hinweg war die heute 68-Jährige eine konstante Präsenz – in meiner Kinder- und Jugendzeit als Mitglied der „Mierscher Musek“. Sie war immer da: bei Proben, Einsätzen und Veranstaltungen. Nicht laut, nicht im Vordergrund, aber verlässlich. Eine jener Personen, von denen man oft erst im Rückblick merkt, wie sehr sie den Alltag eines Vereins zusammenhalten.

„Wenn ich Ja sage und mitarbeite, dann mache ich das auch ordentlich“, sagt Jacqueline, als wir uns vor einigen Tagen zum Interview treffen. Daran zweifelt in Mersch niemand. Seit 50 Jahren engagiert sie sich im Vorstand der „Mierscher Musek“, seit 34 Jahren als deren Sekretärin. Hinzu kommen ihr Einsatz für die Musikschule sowie seit 2006 ihre Funktion als Sekretärin und Vorstandsmitglied des Tischtennisvereins Reckingen.

Ihr jahrzehntelanges Engagement hat Spuren hinterlassen: Ohne ihre unermüdliche Arbeit wäre keiner der drei Vereine das, was er heute ist. Damit hat sie das Leben von Hunderten Menschen nachhaltig mitgeprägt. Am 4. Dezember wurde sie dafür mit dem Preis für ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet – überreicht von Großherzog Guillaume und Großherzogin Stéphanie.

Mit der Auszeichnung hatte Jacqueline De Valentin-Bourg nicht gerechnet. „Ich wusste nicht einmal, dass ich nominiert worden war“, erzählt sie. Bei einer Komiteesitzung der „Mierscher Musek“ habe sie gefehlt – und hinter ihrem Rücken habe man beschlossen, sie gemeinsam mit dem Tischtennisclub Reckingen vorzuschlagen.

Als schließlich eines Abends im November die beiden Präsidenten vor ihrer Tür standen, hat sie zunächst gedacht: „Um Gottes willen – was habe ich jetzt verbrochen?“ Erst dann erfuhr sie, dass sie unter den drei Nominierten war. „Ich war gerührt“, sagt sie. Nicht nur über den Preis, sondern darüber, dass ihr Engagement gesehen wird.

Superpower Organisationstalent

Es klingt mir immer noch im Ohr: „Fro d’Jacqueline, dat weess dat“, „So dem Jacqueline Bescheed, dat huet den Iwwerbléck“ oder „Wann s de eppes brauchs, géi bei d’Jacqueline.“ Es sind Sätze, die damals wie heute gerne fallen – egal, ob es um Termine, Uniformen, Dokumente oder interne Abläufe geht. Jacqueline De Valentin-Bourg kennt sie alle. Oft noch, bevor jemand fragt. Fast wirkt es, als trüge sie den gesamten Alltag der drei Vereine in ihrem Kopf: was wann ansteht, was vorbereitet werden muss und wo nachgehakt werden sollte. Wenn die 68-Jährige ein Supertalent besitzt, dann ist es ihr Organisationsvermögen. „Man hangelt sich von Termin zu Termin“, sagt sie bescheiden. „Und mir hilft meine Erfahrung. Ich kann vieles von Jahr zu Jahr übertragen.“

Organisation ist für Jacqueline De Valentin-Bourg nie Selbstzweck gewesen, sondern eine Notwendigkeit. „Ich habe mich schon oft gefragt: Wie habe ich das gemacht, als ich noch gearbeitet habe?“ Über Jahre hinweg jonglierte sie Arbeit, Familie und Vereinsleben – oft parallel, oft am selben Abend. Als sie berufstätig war, erledigte sie vieles nach Feierabend: Protokolle, Programme, Anmeldungen. Nicht selten bis spät in die Nacht. Überlastet gefühlt habe sie sich nie. „Es muss Spaß machen, sonst macht man das nicht mit.“

Jacqueline zählte bei der Merscher Musik zu den Pionierinnen
Jacqueline zählte bei der Merscher Musik zu den Pionierinnen  Foto: Archiv Mierscher Musik

Ein Mensch mit starkem Rückgrat

Geboren am 24. Mai 1957 in Ettelbrück, wuchs Jacqueline De Valentin-Bourg in einer Familie auf, in der Vereinsleben selbstverständlich war. Musik spielte dabei früh eine zentrale Rolle: Ihr Vater Marcel engagierte sich im Vorstand der „Mierscher Musek“, ihre Geschwister Jeannot und Sylvie folgten ihm gemeinsam mit Jacqueline in den Verein. „Und unsere Mutter hat zu Hause die erste Geige gespielt“, scherzt sie.

1968 trat Jacqueline als eines der ersten drei Mädchen der Merscher Musik bei, 1975 folgte der Eintritt ins Komitee. „Ein mitunter etwas rigider Männerclub. Den Satz ‚Mir hunn et schon ëmmer sou gemaach‘ bekam ich oft zu hören.“ Etwa zeitgleich begann sie in Buschdorf mit dem Tischtennisspielen. Sie heiratete ihren Mann Régis De Valentin, 1987 kam ihre Tochter Jessica zur Welt. Sich aus dem Vereinsleben zurückzuziehen, stand für sie nie zur Debatte. Organisation gehörte einfach dazu. „Régis war auch im Tischtennis und in seinen Vereinen engagiert“, sagt sie. „Gestritten haben wir uns deswegen nie.“

1991 zeigte sich, dass hinter dem herzlichen Lachen und der großen Geduld auch ein Mensch mit starkem Rückgrat steckt. In der Merscher Musik kommt es zum Bruch rund um eine sogenannte „Strëpp“, gegründet von jüngeren Mitgliedern. Das damalige Komitee tritt geschlossen zurück – bis auf Jacqueline. „Plötzlich stand ich allein da“, erinnert sie sich. „Ich musste im Alleingang eine Generalversammlung organisieren. Ein guter Freund musste mich vorher mit einem kleinen Schnaps beruhigen.“ Denn in der ersten Reihe steht Jacqueline nicht gerne. Aber für sie sei klar gewesen: „Die ‚Mierscher Musek‘ geht weiter.“

50 Jahre prägt Jacqueline nun schon das Vereinsgeschehen mit
50 Jahre prägt Jacqueline nun schon das Vereinsgeschehen mit Foto: Archiv Mierscher Musik

Zentrale Bezugsperson für die Jugend

Und weiter ging es. 2005 feierte der Verein sein 150-jähriges Bestehen. „Eine große organisatorische Herausforderung und sicherlich ein Highlight“, sagt Jacqueline. Doch besondere Momente habe es viele gegeben. „Jedes Jahr gibt es etwas.“

Einen weiteren negativen Einschnitt habe es nur einmal gegeben – als bekannt wurde, dass der damalige Kassierer des Vereins über mehrere Jahre hinweg Geld veruntreut hatte. „Ein enormer Vertrauensbruch“, sagt sie. Vor allem, weil ihre Vereine für Jacqueline immer mehr waren als Organisationen. Sie sind so etwas wie Familie.

Eine besondere Bindung zu den Menschen entwickelte sie nicht nur durch ihre Warmherzigkeit und Beständigkeit, sondern auch dadurch, dass sie für viele bereits von jungen Jahren an eine der zentralen Bezugspersonen des Musikvereins war. Als Sekretärin der Musikschule kennt sie die Eltern, erlebt mit, wie die Entscheidung für das erste Instrument fällt, und begrüßt den Nachwuchs familiär, wenn die allererste Probe ansteht.

Viele Kinder der Musikschule begleitete Jacqueline organisatorisch von den allerersten Noten an. Darunter auch eine künftige Tageblatt-Journalistin
Viele Kinder der Musikschule begleitete Jacqueline organisatorisch von den allerersten Noten an. Darunter auch eine künftige Tageblatt-Journalistin Foto: Archiv Mierscher Musik

Kommt die Vereinsrente?

Auch der Ruhestand bedeutete für Jacqueline De Valentin-Bourg keinen Bruch. Aufzuhören stand nie im Raum – höchstens, anders weiterzumachen. „Was mache ich sonst mit meiner Rente?“, fragt sie lachend. Die Füße still zu halten, entspricht nicht ihrem Wesen.

Gleichzeitig weiß sie, dass der Moment kommen muss. „In zwei Jahren werde ich 70. Und dann ist es, glaube ich, an der Zeit, jemand anderem das Ruder zu überlassen.“ Der Gedanke ans Aufhören fällt ihr sichtlich schwer. „Ich habe schon dreimal mein Mandat verlängert, obwohl ich davon gesprochen habe, zurückzutreten. Aber der richtige Zeitpunkt war einfach noch nicht gekommen.“ Von 100 auf 0 zurückzufahren – „das kann ich nicht“.

Nun, da auch ihre Schwester Sylvie in Rente ist, rücken die Reisen näher, über die man lange nur gesprochen hat. Stillstand war für Jacqueline nie eine Option – vielleicht auch deshalb, weil ihr Leben von einem schweren Verlust geprägt wurde. 2004 starb ihr Ehemann Régis beim Halbmarathon in Remich, kurz vor der Ziellinie. Trotz mehrfacher Reanimationsversuche überlebte er nicht.

„Ich bleibe sicher nicht zu Hause sitzen und lege die Hände in den Schoß“, sagt Jacqueline. „Ich will weiter aushelfen, mich vielleicht für einen guten Zweck engagieren. Und natürlich bleibe ich meinen Vereinen verbunden – spiele weiter mein Instrument, helfe mit. Solange es die Gesundheit zulässt, mache ich das gerne.“