Kopf des TagesVor einem Jahr verließ Roberto Traversini die politische Bühne

Kopf des Tages / Vor einem Jahr verließ Roberto Traversini die politische Bühne
Traversini war für die Grünen ein Stimmenmagnet und in Differdingen als Bürgermeister beliebt Foto: Editpress-Archiv

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Vor einem Jahr verließ Roberto Traversini die politische Bühne

Sein Aufstieg schien unaufhaltsam: Gemeinderat, Schöffe, Abgeordneter und dann „député-maire“ Differdingens. Und ein weiterer Karrieresprung zeichnete sich bereits ab. Roberto Traversini galt als sogenannter „Ministrabler“, einer, der es bis in die Exekutive schaffen könnte. Dumm, dass eine holzverkleidete Bude, gemeinhin Gartenhäuschen genannt, ein besserer Geräteschuppen also, dazwischenkam. Am 20. September 2019 kündigte Traversini seinen Rücktritt als Bürgermeister an. Wenige Tage später legte er sein Abgeordnetenmandat nieder. Als potenzieller Nachfolger des schwer erkrankten Justizministers Felix Braz war er verbrannt, zumal die Differdinger Opposition genüsslich weitere pikante Details bekannt gab, die den Ruf des bisher über jeden Zweifel erhabenen Stadtoberen weiter schädigten. 

Die schnell zur Affäre Traversini gebündelten Missgeschicke dienten als Auslöser für einen generellen Angriff der politischen Gegenspieler auf die Grünen. In Differdingen hatten die Opponenten Traversinis dessen mehrmaligen Partnertausch in der Vergangenheit nicht vergessen. Im Parlament ließ die Opposition die Hunde von der Kette. Die CSV schickte Michel Wolter ans Rednerpult, der mit seiner rhetorischen Kanonade auf die Regierung einmal mehr alle Erwartungen erfüllte. Die grüne Umweltministerin Carole Dieschbourg wurde der Vorzugsbehandlung des gefallenen Parteifreundes bezichtigt. Zu einer ausgewachsenen Regierungskrise sollte das Ganze dennoch nicht reichen.

Inwiefern die soziale Herkunft für die Verbissenheit der Angriffe auf Traversini eine Rolle gespielt haben mag, sei dahingestellt. Immerhin legte er als in den Marken geborener Sohn italienischer Immigranten, die, eigenen Aussagen zufolge, seinerzeit von der Polizei des Landes verwiesen worden waren, eine beachtliche Karriere hin. Vom gelernten Maschinenführer bei der Arbed zum Kommunalbeamten bis hin zum „député-maire“. Auf solche „Emporkömmlinge“ wird besonders geachtet, wenn sie in den oberen Kreisen mitmischen wollen. Der kleinste Kratzer am Lack bedeutet das Aus. 

Tatsächlich hatte Traversini bis dahin einen „parcours sans faute“ hingelegt. 2013 im Südbezirk für den in die Regierung berufenen Felix Braz ins Parlament nachgerückt, wurde er 2018 direkt in die Chamber gewählt. Ein Jahr zuvor hatte er seinen Bürgermeisterstuhl in Differdingen bravourös verteidigt. Unter Traversini wuchs die Grünen-Fraktion im Rathaus sogar von drei auf sieben Sitze. 

Für die Politik ist Traversinis Abgang ein zweifacher Verlust. Die Grünen verloren einen Stimmenmagneten im Südbezirk, die Stadt einen sozial engagierten Politiker mit dem Herz am rechten Fleck. Auch politische Gegner mussten dies neidlos eingestehen. Den Vorschlag, einen unentgeltlichen rechtlichen Beraterdienst für die Bürger einzurichten, habe Traversini begeistert aufgenommen, erinnert sich KPL-Rat Ali Ruckert. Erst unter seiner Nachfolgerin sollte er umgesetzt werden. Einige Jahre zuvor hatte Traversini den Trend zur Privatisierung der kommunalen Raumpflegedienste gestoppt.

Auch ein Jahr nach der „Gaardenhaischen-Affär“ bleibt Traversinis leichtsinniges Verhalten im Umgang mit Gemeindediensten und -beschäftigten unverständlich. Vermutlich unterlag auch er der Hybris der Macht.

Heute hat sich Traversini beruflich umqualifiziert. Als Personal-Trainer knüpft der 56-Jährige an seine sportliche Vergangenheit als Mittelfeldspieler und Trainer von FC Déifferdeng 03 und Progrès Niederkorn an. 

Leila
20. September 2020 - 21.51

Sehr gut und objektiv geschrieben, nichts ausgelassen! Würde gerne wissen, gegen was sich die Eltern "versündigt" haben um ausgewiesen zu werden, denn das war zu diesen Zeiten für Lappalien gang und gäbe im frommen Ländchen ...