„Rent a Chrëschtbeemchen“Von Topf-Tannen und Christbaum-Paten

„Rent a Chrëschtbeemchen“ / Von Topf-Tannen und Christbaum-Paten
Nordmann, Korea-Tanne, Blaufichte: Die Nadelbäume der „Bamschoul Becker“ stammen allesamt von Baumschulen aus dem nahen Ausland Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum, Du darfst zurück nach Steinsel – was wie eine schräge Version des Weihnachtsklassikers klingt, beschreibt genau das, was mit Miet-Tannen geschieht: Sie wandern zurück zum Gärtner. Die „Bamschoul Becker“ ist seit 30 Jahren im Verleih von Christbäumen tätig und hält bislang ihr Monopol in Luxemburg. Durch das ganze Land werden die Nadelträger im Topf geliefert, heute gehen in Steinsel die letzten Bestellungen ein, damit auch sicher jeder an Heiligabend unter geschmückter Tanne Geschenke verteilen kann.

Rund 950 Tannen, so viele Bäume im Topf wurden 2019 in Luxemburg gemietet. Dieses Jahr hofft die „Bamschoul Becker“ aus Steinsel, den 1.000er-Rekord zu knacken und somit gleich noch mehr Menschen an Weihnachten zu beglücken. „Als die Baumschule vor 30 Jahren mit dem Verleih von Weihnachtsbäumen anfing, wurden nur etwa 30 Pflanzen ausgeliefert. Bis vor sechs oder sieben Jahren waren es immer noch nur maximal 200 bis 300 Bäume, doch ein Facebook-Post … und schon hat das Geschäft geboomt“, verrät Landschaftsgärtner Alden Jahsavic, der seit 2015 bei der Baumschule angestellt ist.

Von Jahr zu Jahr werden es mehr Bestellungen, denn in Luxemburg geht der Trend in Richtung „grün“. „Die meisten Leute wissen nicht, was sie nach den Feiertagen mit ihrem Tannenbaum anfangen sollen, denn nur wenige haben heute noch genügend Platz, um diesen anschließend zu pflanzen. Ich denke, der Hauptgrund, weshalb sich viele für einen Miet-Baum entscheiden, ist derselbe, aus dem auch unser Chef damit angefangen hat: Es soll vermieden werden, die Bäume abzuschneiden, denn dann sind die Pflanzen tot“, so Jahsavic. Die Idee für den Verleih wurde aus der Abneigung gegen unnütze Abholzung geboren, denn bei der Familie Becker wird Pflanzenliebe großgeschrieben. Auf dem Gelände der Baumschule stehen am Donnerstagnachmittag nur noch wenige Tannen, ab dem Wochenende werden keine neuen Bestellungen mehr entgegengenommen. „Außer die Kunden wohnen hier in der Gegend, sprich in Steinsel, Walferdingen oder Bridel, dann können wir am Montag noch liefern. Andernfalls muss man seine Tanne halt selbst abholen“, erklärt der Gärtner.

Mein Patenkind, der Baum

Seit Ende November konnten Interessierte sich vor Ort ihren Baum aussuchen, die ersten beiden Wochen war es auf der Plantage in Steinsel rappelvoll. Die Baumschule pflanzt im Gegensatz zu anderen Gärtnerbetrieben jedoch quasi keine Bäume selbst an, sondern erhält diese aus dem nahen Ausland. „Das meiste kommt aus Deutschland oder Belgien, denn wir wollen die umliegenden Baumschulen unterstützen“, sagt Jahsavic. Noch im Wurzelballen, werden die Tannen anschließend von den Becker-Mitarbeitern in ihr zukünftiges Zuhause – einen Topf – gesetzt und mit Wasser und Dünger versorgt, bis sie in ihre weihnachtliche Leihfamilie dürfen. Gespritzt wird in den Partner-Baumschulen nicht, denn die Gärtner wollen möglichst umweltschonend arbeiten. Wer sich also einen lebenden Christbaum nach Hause holt, der unterstützt nicht nur den langjährigen Erhalt der Pflanzen, sondern tut auch noch der Natur etwas Gutes.

Für drei bis vier Wintersaisons können die Tannen vermietet werden, danach sind die Wurzeln zu groß für den Topf und der Transport wird schwierig. „Alles, was hier steht, ist zwischen acht und zehn Jahre alt und zwischen 1,40 und 2 Meter groß. Höhere Bäume können wir nicht vermieten, da sie dann nicht mehr auf unseren Lieferwagen passen“, erklärt der Landschaftsgärtner. Nach den Feiertagen werden die Grünlinge wieder von der Baumschule abgeholt, Stichdatum ist diesmal der 6. Januar. Ab diesem Tag sollen die Tannen-Paten ihre Schützlinge vor die Tür stellen, damit diese möglichst unversehrt ihre Reise zurück nach Steinsel antreten können. „Die Pflanzen, die nicht mehr vermietet werden können und überlebt haben, werden weiterverpflanzt, denn das ist ja der Sinn der Sache. Viele verschenken wir an Gemeinden, oder setzen sie hier bei uns im Wald in den Boden, damit sie ein langes und glückliches Leben führen können“, so Jahsavic.

Seit 2015 arbeitet Alden Jahsavic in der „Bamschoul Becker“ und hilft, den Miet-Weihnachtsbäumen ein möglichst langes Leben zu gewähren
Seit 2015 arbeitet Alden Jahsavic in der „Bamschoul Becker“ und hilft, den Miet-Weihnachtsbäumen ein möglichst langes Leben zu gewähren Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Leben in der Bude

Die „Survivors“, also all jene Tannen, die nicht der Bodenheizung oder chemischem Deko-Schnee zum Opfer gefallen und noch klein genug für ein neues Weihnachten im Topf sind, dürfen sich ein Jahr lang ausruhen, ehe sie dann zur nächsten Familie wandern. Wer seinen Christbaum nicht ordentlich pflegt, dem droht zwar keine Geldstrafe, jedoch das Wissen, ein Lebewesen umgebracht zu haben, meint Jahsavic augenzwinkernd: „Die Schuld ist das Einzige, was man dafür bezahlt.“ Die Topf-Tannen können auch schon mal zu spannenden Momenten führen, denn von 1.000 Bäumen bringen jedes Jahr etwa zehn bis 15 kleine Mitbewohner mit. „Da sie nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden, kann es vorkommen, dass sich zwischen den Ästen Insekten einnisten. Normalerweise schlüpfen die Larven erst im Frühling, aber durch die warmen Temperaturen im Haus können die Eier auch mal früher aufgehen.“ Was lebt, das lebt halt, auch an Weihnachten.

Doch spätestens beim Anblick der großen Artenvielfalt, die die Baumschule aus Steinsel zu bieten hat, dürfte das minimale Risiko für Tannen-Liebhaber kein Hindernis mehr darstellen. Von traditionellen Nordmännern mit ihren waagerecht wachsenden Nadeln und zwei weißen Streifen darunter über kegelförmige Tannen derselben „Abies“-Familie, stechenden Blaufichten aus dem Hunsrück, regulären Fichten mit prächtiger Nadeldichte, bis hin zu Korea-Tannen und serbischen Fichten mit grün-bläulichem Schimmer – wer hier nicht fündig wird, ist selber schuld. So manch ein Pate verliebt sich dann auch dermaßen in sein Bäumchen, dass im Folgejahr wieder nach ebendiesem gefragt wird. „Speziell markiert werden die Bäume von uns allerdings nicht mehr, denn das ist einfach zu kompliziert“, sagt Jahsavic. Dass die Baumschule in der Region die einzige ist, die einen Christbaum-Mietservice anbietet, zeigt sich auch bei der Kundschaft: Jährlich liefern die Mitarbeiter von Becker Bäume bis nach Trier oder Frankreich – allerdings nur, wenn genügend Bestellungen zusammenkommen, denn auch bei der Fahrt wird die Natur stets respektiert. „Wir liefern jeweils nur in eine Gegend auf einmal, dafür haben wir einen speziellen Plan, nach dem wir uns richten.“

Die umweltfreundliche Alternative

Auch in Berchem steht dieses Jahr ein Miet-Baum aus Steinsel. In die Wohnung von Lia Rossi und ihrem Freund passt keine Drei-Meter-Tanne, die geringere Höhe der Weihnachts-„Töpflinge“ von Becker kam dem Paar deswegen genau gelegen. „Wir wollten keinen Riesen-Baum und auch keinen speziellen Christbaumständer kaufen. Die Tannen aus dem Verleih sind ökologisch, da sie im Topf stehen und danach weiterverwendet werden können, und außerdem ist der Liefer- und Abholdienst der Baumschule enorm praktisch, vor allem wenn man den Baum nicht selbst mit dem Auto abholen kann“, meint die 28-Jährige. Der Trend für die Weihnachtsalternative hat sich ebenfalls in den sozialen Medien verbreitet, so schmücken dieses Jahr mehr und mehr Miet-Tannenbäume die „It’s beginning to look a lot like Christmas“-Storys von Instagrammern, und Accounts wie der des städtischen Secondhand-Shops „Pilea“ werben für eine umweltbewusstere Auswahl beim Kauf des Baumes. Denn auch wenn an Weihnachten Tradition großgeschrieben wird – mit manchen Bräuchen darf sogar an heiligen Abenden gebrochen werden – der Umwelt zuliebe.

Klein, aber oho: wer wie Lia Rossi keinen Platz für den XXL-Christbaum hat, der holt sich halt die Tanne im Topf nach Hause
Klein, aber oho: wer wie Lia Rossi keinen Platz für den XXL-Christbaum hat, der holt sich halt die Tanne im Topf nach Hause Foto: privat

Weitere Alternativen

Monokulturen, weite Transportwege, Pestizide: Weihnachtsbäume sehen zwar schön aus, sind aber meist nicht ökologisch. Eine Liste mit umweltfreundlichen Alternativen bietet die Secondhand-Shopbesitzerin und „Natur&ëmwelt“-Mitarbeiterin Laure Cales auf ihrem Instagram-Account „pilea_lu“. Neben Tannen aus Plastik oder von lokalen Landwirten stehen hier vor allem jene Bäume im Vordergrund, die ohne Pflanzenschutzmittel groß werden durften. Anbieter sind unter anderem die „Bamschoul Wahl“ aus Eppeldorf, die „Pépinière Loschetter“ aus Tüntingen, Familie Meyers aus Assel oder aber „Pépinière Erny Schmitz“ aus Ulflingen. Wer ganz auf einen richtigen Baum verzichten will, der kann sich last minute einfach eine Tanne selber basteln.