Der erste Tag des Prozesses zum tödlichen Zwischenfall beim Jugendtraining der Escher Jeunesse bestätigte das, was Augenzeugen nach der Tat dem Tageblatt berichtet hatten. Am Notwehrexzess des französischen Jugendtrainers des Vereins gibt es keinen Zweifel, wobei zu klären bleibt, ob es nicht mehr als das war. Beim Opfer, gleichzeitig Auslöser der für ihn tödlichen Auseinandersetzung, handelt es sich um einen in seiner Zeit in Luxemburg gleich mehrfach polizeilich aufgefallenen Flüchtling aus dem Irak.
Beim Auftakt des auf drei Tage angesetzten Prozesses standen am Dienstag die Aussagen der Experten im Mittelpunkt. Angeklagt sind wegen Totschlags der ehemalige Jugendtrainer L. sowie D., ein Vater eines Spielers, der sich wegen schwerer Körperverletzung verantworten muss. Die Aussagen der Gerichtsmedizinerin Martine Schaul, des Psychologen Marc Gleis sowie des leitenden Ermittlers Marc Bamberg können zusammenfassend auf folgenden Tathergang schließen lassen: A. verließ am Freitag, dem 20. Januar 2023, kurz nach 13.00 Uhr die Flüchtlingseinrichtung der Caritas in der Escher Grand-rue und ging Richtung Hiehl.
Was er bis zum ersten Zwischenfall auf dem Jeunesse-Trainingskomplex tat, ist nicht bekannt. Dagegen schon, dass er wohl Alkohol getrunken hatte. Der Promillegehalt lag zum Zeitpunkt des Zwischenfalls bei 0,5 bis 0,8, was je nach Konstitution und Gewohnheit vier Bier ausmachen könnte. Gegen 17.00 Uhr betrat A. das untere der drei Jeunesse-Trainingsfelder, wo der 22-jährige L. das Training der Minimes vorbereitete. Beide kannten sich vorher nicht. A. wollte selbst kicken, der Trainer bat ihn aber, den Platz zu verlassen, da das Training der Jugendlichen beginnen sollte. Es kam zu einem Wortgefecht und wohl auch zu einem Faustschlag von L. Der Trainer bat die Umstehenden, die Polizei zu rufen, während der 25-jährige A. wutentbrannt den Platz verließ.
Küchenmesserset gekauft
A. machte sich daraufhin zu einem der Discountläden am Boulevard Kennedy auf. Bilder diverser Überwachungskameras zeigen, dass er aufgebracht gewesen sein muss. Im Laden kaufte er sich ein Küchenmesserset für etwas mehr als 10 Euro. Und kehrte mit den beiden größten Messern gegen 17.50 Uhr auf den Trainingsplatz zurück. Die Polizei war zu diesem Zeitpunkt schon wieder abgezogen. Als A. das Spielfeld betrat, war das Jugendtraining in vollem Gange. 26 Kinder der U13 trainierten an diesem Tag dort, aufgeteilt in zwei Gruppen. Eine wurde von L. betreut, die andere von dessen Halbbruder C., der damals noch minderjährig war.
Die Brüder stellten sich dem Angreifer zusammen mit Spielervater D. entgegen. D. hatte sich einen Ziegelstein gegriffen, L. einen Mülleimer aus Metall und C. eine Plastikstange. Die drei Männer verfolgten A. bis hinter das Gittertor des Trainingskomplexes. Der Verfolgte ließ die Messer fallen und wurde von den drei Männern überwältigt. L. war in Rage und hörte erst nach mehrfacher Aufforderung von D. auf, den auf dem Bauch liegenden A. zu traktieren. Der war laut Experten immobilisiert. L. schlug A. mindestens dreimal mit einem Stein auf den Kopf und stach auch dreimal mit dem größeren der beiden Messer, die A. hatte fallen lassen, auf ihn ein. Auf der Tatwaffe waren lediglich DNA-Spuren von diesen beiden.

L. und sein Bruder C. änderten im Laufe der Ermittlungen ihre Aussagen und sagten, dass D. dem Opfer die Kopfverletzungen mit einem Ziegelstein zugefügt habe. Weder die Gerichtsmedizinerin noch der leitende Polizeibeamte halten das jedoch für plausibel, sodass vieles auf L. als alleinigen Täter hindeutet. Tödlich endete der Streit nämlich durch den Einsatz des Messers mit seiner 18 cm langen Klinge. Mindestens dreimal hatte L. auf den auf dem Bauch liegenden A. eingestochen, einmal in den Oberschenkel und zweimal ins Gesäß. Die Gerichtsmedizinerin sprach von tiefen Schnittwunden, von denen eine die Hauptschlagader im Bein getroffen hatte. So musste A. wegen des Blutverlusts noch in der Hiehl reanimiert werden. Er verstarb schließlich in der Nacht nach der Notoperation. Die Ermittler fanden das Tatmesser übrigens 30 Meter vom Tatort entfernt im Gebüsch und schließen wegen der DNA-Spuren darauf, dass L. es selbst weggeworfen hat.
Zweiter Prozess am Donnerstag
A. war in seiner kurzen Zeit in Luxemburg gleich einige Male auffällig geworden. Mehrfach habe es Auseinandersetzungen mit dem Sicherheitspersonal der Flüchtlingseinrichtungen, von denen er deswegen gleich vier durchlief, gegeben. Außerdem gab es mindestens drei Angriffe auf die Schamhaftigkeit, zum Teil minderjähriger Mädchen. Es kam zudem zu einer Anzeige, als er eine Frau in einem Bus mit einem Hackbeil bedroht haben soll. Bei der Zimmerdurchsuchung im Flüchtlingsheim fanden die Beamten Tabletten gegen Angstzustände und ein Schlafmittel.
Eigentlich hätte A. heute als Angeklagter hier stehen müssen, merkte Ermittlungsleiter Bamberg an. Aus dem Täter wurde im Laufe des 20. Januar 2023 das Opfer. So muss das Gericht unter dem Vorsitz von Präsidentin Sylvie Conter nun entscheiden, welche Strafe L. für seinen Gewaltexzess bekommt. Denn dass es sich um einen solchen handelt, ist beim Prozessauftakt am Dienstag ziemlich deutlich geworden. Zumal bei der Autopsie des Opfers keine Spuren eines Abwehrkampfes gefunden wurden. Der Angeklagte L. macht nicht unbedingt den Eindruck, dass er sich dem Ernst seiner Lage bewusst ist. Während D. die ihm vorgeworfenen Taten, also A. durch den Wurf eines Ziegelsteins verletzt zu haben, zu Beginn des Prozesses zugab, tat L. nichts dergleichen.
Der Angeklagte wuchs in schwierigen Familienverhältnissen bei einer scheinbar gewalttätigen und alkoholkranken Mutter im französischen Grenzgebiet auf. Eine Lehre als Verkäufer brach er ab, arbeitete zuletzt in einem Sushi-Laden auf Belval. Der mittlerweile 24-Jährige hat zwei Kinder, wovon das zweite geboren wurde, als er in Untersuchungshaft saß. L. steht am Donnerstag in einem weiteren Prozess wegen Gewalt gegenüber seiner Lebensgefährtin vor Gericht.
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