Hosingen„Viele Unfälle wurden nie offiziell gemeldet“: Denkmal erinnert an Sprengmittelopfer

Hosingen / „Viele Unfälle wurden nie offiziell gemeldet“: Denkmal erinnert an Sprengmittelopfer
Das erste Monument für Sprengstoffopfer aus Luxemburg steht in Hosingen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Auch gut 80 Jahre nach dem letzten Krieg auf Luxemburger Territorium liegt noch immer tonnenweise scharfe Munition im Boden. Immer wieder kommt es zu Unfällen mit Todesfolge. In der Gemeinde Park Hosingen wurde nun das erste Monument für Sprengstoffopfer in Luxemburg eingeweiht. 

Jährlich werden immer noch rund fünf Tonnen an alter Kriegsmunition in Luxemburg entdeckt und anschießend von der „Déminage“-Abteilung der luxemburgischen Armee entschärft. Diese Sprengkörper stammen noch aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Alleine vergangenes Jahr musste die „Déminage“-Abteilung zu 317 Einsätzen ausrücken. So verwundert es auch nicht, dass es immer wieder zu tödlichen Unfällen kommt. In der Zeit von 1918 bis 2019 haben in Luxemburg immerhin 226 Menschen ihr Leben durch alte Kriegsmunition verloren. 28 Opfer konnten immer noch nicht identifiziert werden. 

Lokalhistoriker Yves Rasqui
Lokalhistoriker Yves Rasqui Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Unfälle mit alter Kriegsmunition haben wir bislang in quasi jedem Kanton in Luxemburg verzeichnet. Mit einer Ausnahme: dem Kanton Mersch“, erklärt Yves Rasqui dem Tageblatt. Der Lokalhistoriker beschäftigt sich seit Monaten mit diesem Thema und war zudem an der Umsetzung des ersten Monuments für Sprengmittelopfer in Luxemburg beteiligt. Tatkräftige Unterstützung erhielt er von Paul Asselborn und Remy Eiffes.

Das Monument steht in unmittelbarer Nähe des Wasserturms in Hosingen. Die Konstruktion ist komplett aus Eisen. Am Fuß des Monuments wurde alte Kriegsmunition angebracht. „Bei der Munition handelt es sich um echte Fundstücke aus Luxemburg. Wir haben sie allerdings festgeschweißt, damit sie nicht gestohlen werden. Von der Munition zieht sinnbildlich eine Explosion über das gesamte Land. Unglücke mit Kriegsmunition wurden zudem auf einer Landkarte festgehalten“, erzählt Paul Asselborn. Direkt neben dem Monument wurde noch eine Infotafel aufgestellt. Neben kurzen Erklärungen zu dem Thema finden die Besucher noch einen QR-Code. Nach dem Scannen können sie in Windeseile alle Informationen zu den Unfallorten, den Opfern, aber auch Details zur Munition mit ihrem Smartphone aufrufen.

Opfer waren zwischen zwei und 85 Jahre alt

„Das erste Todesopfer von alter Kriegsmunition, das uns bekannt ist, war ein 23-jähriger Arbeiter, der sein Leben im November 1918 in Harlingen verlor“, sagte Rasqui. „Die beiden letzten Todesopfer in Luxemburg, die auf alte Munition zurückzuführen sind, waren zwei Soldaten, die am Valentinstag 2019 bei einem Unfall mit einer deutschen Granate am ,Waldhaff‘ ums Leben kamen. Das älteste Todesopfer war ein 85-jähriger Mann, das jüngste ein Kleinkind von zweieinhalb Jahren. Die meisten Unfälle mit alter Kriegsmunition passierten im Kanton Clerf. Dieser fielen 53 Personen zum Opfer. An zweiter Stelle liegt die Grenzstadt Echternach mit insgesamt 26 Todesopfern. Wie viele Personen durch Kriegsmunition verletzt wurden, lässt sich heute nicht mehr genau ermitteln, da viele Unfälle nie offiziell gemeldet wurden.“

Mit dem QR-Code kann man alle bekannten Unfälle mit Kriegsmunition einsehen
Mit dem QR-Code kann man alle bekannten Unfälle mit Kriegsmunition einsehen Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Die meisten Unfälle mit Sprengstoff ereigneten sich in den Jahren 1944 bis 1949. „Leider waren knapp die Hälfte der Opfer noch Kinder“, so der Lokalhistoriker. Das bewahrheitet sich auch, wenn man sich den Unfall vom 10. November 1944 ansieht. An diesem Tag verloren zwei achtjährige Jungen und ein vierjähriges Mädchen ihr Leben nach einem schrecklichen Unfall in Hesperingen. Weitere Kinder, aber auch Erwachsene wurden zum Teil schwer verletzt. Die Kinder hatten beim Spielen eine Panzerfaust im Wald gefunden und sie mit ins Dorf genommen. Ihren Schatz wollten sie bei den amerikanischen Soldaten gegen Kaugummi oder Schokolade umtauschen. Doch es sollte anderes kommen: Am „Fentenger Eck“ explodierte die Panzerfaust. Drei Kinder waren sofort tot. Weitere wurden ins Krankenhaus nach Esch gebracht. Diesen und andere Unfälle kann man auf der Webseite www.memorialparchousen.lu nachlesen. 

Erinnerung an die Ardennenoffensive

Der Start der Ardennenoffensive jährt sich im kommenden Dezember bereits zum 80. Mal. Um dieser blutigen Schlacht zu gedenken, möchte die Gemeinde Hosingen das „Memorial Parc Housen“ rund um den Wasserturm noch weiter ausbauen. „Den Wasserturm wollen wir zum Museum umgestalten. Dort werden wir nämlich eine Wanderausstellung zeigen. Außerdem werden wir eine originalgetreue Notbaracke aus dieser Zeit aufstellen“, erklärte Romain Wester, der Bürgermeister von Hosingen. Um den Gedenktourismus in ganz Luxemburg weiter auszubauen und an die Ardennenoffensive zu erinnern, wird das Kulturministerium einen Wanderweg mit dem Namen „Liberation Roots“ eröffnen. „Dieser Wanderweg wird über 217 Kilometer, von Schengen bis ins belgische Bastogne, führen. Historiker haben auf dieser Route rund 40 spezielle Sehenswürdigkeiten mit eingebaut“, erklärte Kulturminister Eric Thill.