Das T-Shirt ist schwarz. Darauf in Weiß: die Gesichter des russischen Außenministers Sergej Lawrow und des russischen Verteidigungsministers Sergej Schojgu. Sie schauen entschlossen, ziehen die Lippen nach unten. Der eine Sergej mit Brille, der andere Sergej in Militärschirmmütze. „Wer nicht mit Lawrow reden will, muss mit Schojgu reden“, steht darunter. Das patriotische Stück ist für umgerechnet knapp zehn Euro zu haben.
Der Spruch findet sich seit Moskaus Syrieneinsatz nicht nur auf Kleidern an Marktständen oder in Läden für Militaria, er wird auch gern im russischen Außenministerium verwendet. Nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen. Das russische Militär ist längst zur Erweiterung der russischen Diplomatie geworden. Wie gnadenlos die Zusammenarbeit ist, zeigt der russische Angriff auf die Ukraine. An der Spitze der „militärischen Spezialoperation“, wie der Kreml den Krieg im Nachbarland beschönigend bezeichnet: Sergej Schojgu, Putins derzeit wichtigster Mann.
Der Mann, der die Streitkräfte umgekrempelt hat
Er war es, der die früher belächelten, ärmlichen Streitkräfte zum modernen und effizienten Apparat umgebaut hat. Er war es, der für die Eroberung der ukrainischen Halbinsel Krim zuständig war und auch für die Intervention in Syrien ein Jahr später. Er verhalf dem Militär in der russischen Gesellschaft zum Ansehen und soll dem russischen Präsidenten derzeit den gewünschten Erfolg in der Ukraine liefern. Erst am Dienstag wiederholte er noch einmal, die „Spezialoperation“ werde bis zum „Erreichen der gesetzten Ziele“ weitergeführt.
Putin hatte diese in seiner Rede am vergangenen Donnerstag so formuliert: „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine, zudem will der russische Präsident „jeden, der für die blutigen Verbrechen an der friedlichen Bevölkerung im Land verantwortlich“ sei, vor Gericht bringen. Ohne eine Kapitulation der Ukraine ließen sich solche Ziele kaum erreichen. Schojgu vor der Presse am Dienstag: „Die russische Armee besetzt kein ukrainisches Territorium und ergreift alle Maßnahmen, um das Leben und die Sicherheit von Zivilisten zu schützen.“ Es ist Russlands verdrehte Realität, die der Kreml der eigenen Bevölkerung und der Welt weismachen will.
Schojgu stammt aus Tuwa, der ärmlichen Region an der Grenze zur Mongolei. Seine Vorfahren waren Nomaden, die Familie seiner Mutter soll aus der Ukraine stammen, als Fünfjähriger soll er in der Region Luhansk getauft worden sein, erzählte er vor einigen Jahren russischen Medien. Es muss eine Untergrundkirche gewesen sein, die offene Ausübung des Glaubens war zu Sowjetzeiten verboten. Sein Vater war ein hoher Beamter in der örtlichen Abteilung der Kommunistischen Partei. Schojgu studierte Bauingenieurwesen in Krasnojarsk in Sibirien, kam kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Moskau. Der heute 66-Jährige stellte sich auf die Seite von Boris Jelzin, des ersten Präsidenten Russlands. Zunächst noch freiwilliger Helfer bei Noteinsätzen, wurde er Anfang der 1990er Jahre schnell zum umtriebigen Problemlöser in Katastrophenfällen – und schließlich zum Minister für Katastrophenschutz. Bis dahin haben die Russen kaum je einen Beamten gesehen, der bei Überschwemmungen und Erdbeben oder bei Bombenanschlägen zupackend zu Hilfe eilt. Die Zugewandtheit zu den Menschen machte ihn in der Bevölkerung beliebt.
Regelmäßig streift er mit Putin durch die Taiga
Als der General, der keinen Wehrdienst absolviert hatte, 2012 schließlich zum Verteidigungsminister wurde, freuten sich auch viele Militärangehörige. Endlich einer, der ohne viel Worte zu verlieren, für Reformen sorge. In dieser Zeit hatte sich auch in der Sicherheitshierarchie des Kremls ein Wandel vollzogen: War die Armee früher nur wenig in die Politik eingebunden und Geheimdiensten untergeordnet, aus dessen Reihen auch Wladimir Putin stammt, so stärkte Putin nach und nach die Rolle seines Militärs, stattete es mit neuen Technologien aus, machte aus einer rückständigen Truppe eine hochgerüstete Schlagkraft.
Der wortkarge Schojgu gilt als Vertrauter Putins, regelmäßig streifen die beiden in ihrem Urlaub durch die Taiga, russische Staatsmedien stets an ihrer Seite. Putin und Schojgu in gleichen Leder-Fell-Jacken im Geländewagen, Putin und Schojgu beim Kräutersammeln für den Tee, Putin und Schojgu beim Brotessen. In diesen Tagen zeigt ihn das Fernsehen stets nickend. In Militäruniform sitzt er vor Putin und sagt: „Wir sind bereit.“ Auch für einen Atomangriff.
De Maart
Gibt es den Sitzungssaal in Nürnberg noch? Ich stelle mir diese Angriffskriegsführer auf den harten Holzbänken vor, wenn die Urteile verkündet werden.