Einen Tag nach dem Fall der bisherigen Regierung ist Frankreichs neuer Premierminister ernannt: Der 39 Jahre alte Sébastien Lecornu, bislang Verteidigungsminister und ein enger Vertrauter von Präsident Emmanuel Macron, wird der nächste Regierungschef. Er habe den Auftrag, sich mit den Parteien zu beraten, um einen Konsens mit Blick auf den Haushalt zu erreichen, teilte der Élysée-Palast am Dienstagabend in Paris mit.
Im Anschluss daran solle er dem Präsidenten eine neue Regierung vorschlagen, hieß es weiter. Die rechtspopulistische Fraktionschefin Marine Le Pen warf Macron vor, seine „letzte Kugel“ abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine „Provokation“.
Macrons Krisenmanager
Krisen kann er: Der neue französische Premierminister Sébastien Lecornu hat den Ruf eines guten Konfliktmanagers. Und genau so einen kann Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gut gebrauchen. Der Präsident hat dieses Mal nur gut 24 Stunden gebraucht, um nach dem Regierungssturz einen neuen Premierminister zu ernennen. Ein Grund für die Eile dürften die landesweiten Proteste sein, die ab Mittwoch angekündigt sind.
Macron sorgt sich vermutlich, dass diese sich zu einer größeren Protestwelle auswachsen, ähnlich wie die Gelbwesten-Bewegung, die 2019 eine Spur der Zerstörung im Land hinterlassen hatte. Damals war es Lecornu gewesen, der im ganzen Land endlose Diskussionsrunden mit Macron organisiert hat, um die Wut der Enttäuschten und Benachteiligten zu dämpfen. Es lag also nahe, in der aufgeheizten Stimmung jemanden zum Regierungschef zu machen, der mit solchen Situationen Erfahrung hat.
Lecornu war bereits beim vorherigen Regierungswechsel Favorit für das Amt gewesen. Aber damals hatte sich in letzter Minute der Zentrumspolitiker François Bayrou dem Präsidenten aufgedrängt. Nun hat er den Posten doch noch bekommen.
Lecornu ähnelt Macron darin, dass er in jungen Jahren in hohe Staatsämter gekommen ist. Er ist aber zugleich zurückhaltend und loyal. Macron muss daher vorerst nicht fürchten, von ihm in den Schatten gestellt zu werden.
Einer der treuesten Wegbegleiter Macrons
Der 39-Jährige, der deutlich älter wirkt, hat seine politische Karriere mit 19 Jahren bei der konservativen Partei UMP begonnen, aus der die Republikaner hervorgegangen sind. Er hat seitdem zahlreiche Posten innegehabt und mehrfach Rekorde als jüngster Amtsinhaber gebrochen. Lecornu war bereits Bürgermeister, Senator, hatte drei Ministerposten inne und ist inzwischen seit acht Jahren Regierungsmitglied.
Er gilt als einer der treuesten Wegbegleiter Macrons und hat für ihn schon zahlreiche heikle Aufgaben erledigt. Zu seinen ersten Dossiers zählte die Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim. Anschließend profilierte er sich mit den Debatten, die 2019 das Eindämmen der Gelbwesten-Proteste ermöglichten.
2022 war Lecornu eine der Schlüsselfiguren in Macrons Wahlkampf für dessen zweite Amtszeit. Mit 35 Jahren wurde Lecornu Verteidigungsminister, der jüngste, den Frankreich seit der Französischen Revolution hatte. Wegen des Ukraine-Kriegs und Macrons Bemühen, die europäische Verteidigung auszubauen, gewann sein Ministerium an Bedeutung – und Lecornu an internationaler Statur.
Insbesondere zu seinem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) fand er schnell einen Draht. Beide bemühten sich, die Arbeit an den gemeinsamen Rüstungsprojekten wieder in Gang zu bringen, die sich wegen Streitereien zwischen den beteiligten Unternehmen verzögert hatten.
Nicht der jüngste Regierungschef der Geschichte
Im eigenen Lager hat Lecornu viele Freunde. Aber er pflegt auch Kontakte zur rechtspopulistischen Opposition. Für seine gemeinsamen Mittagessen mit der rechtspopulistischen Fraktionschefin Marine Le Pen ist er von den Linken heftig kritisiert worden.
Von seinem Privatleben ist wenig bekannt. Er ist Reservist bei der Gendarmerie und unverheiratet. Mit 39 ist Lecornu nicht der jüngste Regierungschef der Geschichte: Gabriel Attal war im Januar 2024 mit 34 Premierminister geworden, Laurent Fabius im Jahr 1984 mit 37.
Lecornus wichtigste Aufgabe besteht nun darin, einen Haushalt für das kommende Jahr durch das Parlament zu bringen. Dafür ist er auf die Unterstützung der Sozialisten angewiesen, die sich dies etwas kosten lassen dürften. Da Lecornu – anders als Bayrou – ein gutes Verhältnis zu Macron hat, könnte er dafür eher mit dem Einverständnis des Präsidenten rechnen. Aber angesichts der dramatischen Wirtschaftslage des Landes und des großen Widerstands der linken Opposition und der Bevölkerung gegen die bisherigen Sparpläne der Regierung ist ihm der Erfolg alles andere als sicher.
De Maart
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