Einigung im RatVerhandlungen über Asyl- und Migrationspaket können wieder aufgenommen werden

Einigung im Rat / Verhandlungen über Asyl- und Migrationspaket können wieder aufgenommen werden
Im September kamen wieder viele Migranten auf der italienischen Insel Lampedusa an Foto: Zakaria Abdelkafi/AFP

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Während im Europäischen Parlament (EP) in Straßburg über das EU-Asyl- und Migrationspaket diskutiert wurde, klärten die Ständigen Vertreter der EU-Staaten in Brüssel letzte Details zur sogenannten Krisenverordnung, die Teil dieses Gesetzespakets ist. Damit können die Verhandlungen über die Neufassung der Asyl- und Migrationspolitik wieder aufgenommen werden.

Die Debatte der EU-Parlamentarier am Mittwoch hat noch einmal verdeutlicht, wie schwierig es ist, eine Einigung in der gemeinsamen Flüchtlingspolitik herbeizuführen. Zwar hat das EP längst eine eigene Position für die Verhandlungen mit dem EU-Rat verabschiedet. Doch ist auch die nur ein Kompromiss, der wiederum zu Teilen mit den Vorstellungen der Mitgliedstaaten kollidiert. Beide Seiten, EP und Rat, bekunden zumindest den Willen, noch vor den Europawahlen im kommenden Mai eine Einigung über das Gesetzespaket zu finden. Von diesem wird sich erhofft, dass es einige der größten Probleme in Sachen Asyl und Migration löst.

Nachdem sich die EU-Staaten am Mittwoch endgültig auf eine gemeinsame Position bezüglich der Krisenverordnung festgelegt haben, können die Verhandlungen mit den EP-Abgeordneten wieder aufgenommen werden. Die EU-Parlamentarier hatten die Gespräche über das Asyl- und Migrationspaket auf Eis gelegt, da die Mitgliedstaaten sich noch nicht dazu festgelegt hatten, wie im Falle einer Überlastung der Ankunftsländer bei einem großen Zustrom von Flüchtlingen vorgegangen werden soll. In einem solchen Krisenfall, der vom EU-Rat festgestellt werden muss – nicht von einzelnen EU-Staaten – sollen schnellere und vereinfachte Asylverfahren durchgeführt werden können. Migranten sollen in andere EU-Staaten umgesiedelt werden können, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird.

Italien hatte vergangene Woche bei den Beratungen der EU-Innenminister trotz einer grundsätzlichen Einigung zur Krisenverordnung noch Bedenken angemeldet. Diesen wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP nun Rechnung getragen. Demnach sei ein Absatz aus dem Gesetzestext genommen worden, der besagte, dass „die Folgen von Rettungseinsätzen“ durch Seenotretter „nicht für die Feststellung des Krisenfalls herhalten dürften“. Die ultrarechte Regierung stört sich vor allem daran, dass private Seenotretter mit ihren Schiffen auf dem Mittelmeer gerettete Migranten nach Italien bringen. Die Regierung der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wollte daher bereits durchsetzen, dass aus Seenot gerettete Migranten in jene EU-Länder verbracht werden, aus denen die Schiffe stammen, die die Menschen aufgenommen haben.

Differenzen zu Tunesien-Abkommen

Das Paket sei von „größter Bedeutung“, erklärte der spanische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten und derzeitiger EU-Ratsvorsitzender, Pascual Navarro Rios, gestern während der Debatte im EP, gestand aber ein, dass noch „wichtige Meinungsverschiedenheiten“ bei den anstehenden Verhandlungen überwunden werden müssten. Dabei meinte der spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska Gómez gestern in einer Mitteilung, dass bis Ende dieses Semesters eine Einigung mit dem EP gefunden werden könnte. Was auch von manchen EP-Abgeordneten so gesehen wird.

Doch einfach wird das nicht. Vor allem da sich die EP-Abgeordneten zu jüngsten Entwicklungen im Bereich der Migrationspolitik durchaus nicht einig sind. So lobte der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, das zwischen der EU und Tunesien im Juli ausgehandelte Migrationsabkommen, das finanzielle Hilfen aus der Union für das Zurückhalten von Migranten vorsieht. Weber meinte, die EU-Außengrenzen könnten nur gemeinsam mit Partnern kontrolliert werden, auch wenn dies „schwierige Nachbarn“ seien. Das Tunesien-Abkommen bezeichnete er als „richtig“ und ein „Vorbild für andere Abkommen in Nordafrika“. Dem widersprach unter anderem die Renew-Abgeordnete Sophie in’t Veld. Das Abkommen sei vielmehr eine „Blaupause dafür, wie man es nicht tun sollte“. Mit dem tunesischen Präsidenten Kais Saied werde ein Diktator unterstützt, es würden „massive Menschenrechtsverletzungen akzeptiert“ und es gebe keine Möglichkeit, die Vereinbarung durchsetzen zu können, sagte die niederländische Liberale.

Keine Möglichkeit legaler Einwanderung

Der Grünen-Vorsitzende Philippe Lamberts seinerseits bedauerte die Art und Weise, wie die EU-Politik an die Migrationsfrage herangehe. Es sei ein „komplexes Thema“ für das es „keine einfachen Antworten“ gebe. Doch in der EU werde hauptsächlich darüber geredet, wie verhindert werden könne, dass Migranten nach Europa kommen, wie der Grenzschutz verstärkt werden kann, Leute eingesperrt und mit der Hilfe von autoritären bis diktatorialen Herrschern Rückführungen von Migranten durchgeführt werden können. Die Art und Weise, wie die Migranten an der Grenze behandelt würden, sei eine Verweigerung der europäischen Werte, befand der belgische Grüne.

Von den Rechten im Parlament kamen ganz andere Töne. Die ehemalige polnische Regierungschefin Beata Szydlo verteidigte die Position der Regierung in Warschau und meinte, Polen werde sich nie auf die Umsiedlung von Migranten einlassen. Der Vorsitzende der französischen Rechtspopulisten des „Rassemblement national“, Jordan Bardella, meinte, Europa sei der Boden der europäischen Völker, und versprach, die Migration im kommenden Jahr zum Wahlkampfthema bei den Europawahlen zu machen.

Der belgische Liberale Guy Verhofstadt hingegen wies darauf hin, was im Reformpaket fehlt. So sei im neuen Asyl- und Migrationsgesetz keine EU-weite Regelung vorgesehen, wie Menschen aus Drittstaaten legal in die EU einwandern könnten. Und er fragte, warum Schutzsuchenden nicht die Möglichkeit gegeben werde, in den europäischen Botschaften und Konsulaten in ihren Heimatstaaten Asylanträge zu stellen.