Donnerstag30. Oktober 2025

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SpanienVerfassungsgericht bestätigt umstrittenes Amnestiegesetz

Spanien / Verfassungsgericht bestätigt umstrittenes Amnestiegesetz
Der katalanische Unabhängigkeitsführer und ehemalige Präsident der Region Katalonien, Carles Puigdemont, könnte bald nach Spanien zurückkehren Foto: Joan Mateu/AP/dpa

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Nach intensiven Debatten und einer knappen Abstimmung hat das spanische Verfassungsgericht grünes Licht für eines der umstrittensten Gesetze Spaniens gegeben: das Amnestiegesetz für Beteiligte am katalanischen Unabhängigkeitsprozess – kurz „el procés“ genannt. Die Entscheidung, die mit sechs zu vier Stimmen gefällt wurde, öffnet dem in Brüssel lebenden Separatistenchef und früheren Katalonien-Präsidenten Carles Puigdemont ein Stück weit die Tür zu einer Rückkehr in seine Heimat.

Um die Aufregung um die Amnestie zu verstehen, muss man ins Jahr 2017 zurückblicken: Damals organisierte Puigdemont ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien – trotz eines Verbots durch das spanische Verfassungsgericht. Die Folge: eine Verfassungskrise, politische Spannungen, die Anklage mehrerer Separatistenführer und Puigdemonts Flucht nach Belgien. Mit dem Amnestiegesetz will die Mitte-links-Regierung unter Pedro Sánchez nun einen Schlussstrich ziehen, und zwar durch einen umfassenden Straferlass für die verantwortlichen Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung.

Doch die Sache war und ist heikel. Die konservative Volkspartei, größte Oppositionskraft, reichte Verfassungsbeschwerde ein. Ihr Vorwurf: Das Gesetz sei nichts weiter als ein „schändlicher Kuhhandel“, der Sánchez die Stimmen der katalanischen Unabhängigkeitsparteien – darunter die von Puigdemonts Partei Junts – zur Regierungsbildung gesichert habe.

Der Urteilsspruch des Verfassungsgerichts stellt nun klar: Das Gesetz ist legitim, es verstößt nicht gegen das spanische Grundgesetz und dient einem öffentlichen Interesse – der Normalisierung und Entspannung der politischen Lage in Katalonien. Die Verfassung, so das Gericht, verbiete Amnestien nicht ausdrücklich. Wo kein Verbot existiert, gibt es also auch keinen Verfassungsbruch.

Allerdings sei eine Amnestie nur in „außergewöhnlichen Situationen“ zulässig – wie eben jener Verfassungskrise, die 2017 durch das illegale katalanische Unabhängigkeitsreferendum ausgelöst worden war. Der Richterspruch weist damit auch den häufig geäußerten Vorwurf zurück, es handle sich bei der Amnestie lediglich um ein Mittel, um die Macht der Sánchez-Minderheitsregierung zu sichern, eine Macht, die im Parlament von der Unterstützung der katalanischen Separatistenparteien abhängig ist.

Und was bedeutet das für Puigdemont? Vorerst: noch nicht viel. Zwar ebnet das Urteil grundsätzlich den Weg für seine Rückkehr – doch ein zentrales Hindernis bleibt bestehen: der Vorwurf gegen Puigdemont der Veruntreuung öffentlicher Gelder, der nicht Gegenstand dieser Entscheidung war. Hierzu erwartet das Gericht weitere Verfassungsbeschwerden, unter anderem von Puigdemont selbst. Das Gericht wird sich frühestens im Herbst damit befassen.

Puigdemont, der sich seit 2017 im belgischen Exil befindet, kann also noch nicht zurück nach Spanien reisen, ohne eine Verhaftung zu riskieren. Doch falls das Gericht auch in der Frage der Veruntreuung zugunsten der Amnestie – und damit zugunsten Puigdemonts – entscheidet, stünde einer Rückkehr ohne Handschellen wohl nichts mehr im Wege.

Noch über 30 weitere Verfahren anhängig

Die nicht einhellige Entscheidung des Tribunals verdeutlicht die tiefe Kluft im Verfassungsgericht: Die sechs progressiven Richter stimmten geschlossen für das Amnestiegesetz, die vier konservativen verfassten scharfe Gegenstimmen und warfen der Richtermehrheit „politisches Theater“ vor.

Diese Polarisierung spiegelt sich auch in der politischen Landschaft wider. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez begrüßte das Urteil euphorisch als „großartige Nachricht für das Zusammenleben“. Der konservative Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo hingegen bleibt bei seiner ablehnenden Linie: Für ihn ist die Amnestie „illegal und unmoralisch“ – eben nichts anderes als ein Deal mit den Separatistenparteien, um Sánchez an der Macht zu halten.

Wie geht es jetzt weiter? Mit dem Urteil ist die Debatte alles andere als beendet. Noch stehen über 30 weitere Verfahren zum Amnestiegesetz aus – darunter Klagen aus konservativ regierten Regionen sowie Anfragen des Obersten Gerichtshofs, der Puigdemont wegen seines illegalen Unabhängigkeitsreferendums immer noch auf die Anklagebank setzen will. Auch der Europäische Gerichtshof wird sich demnächst mit Fragen zur Vereinbarkeit des Amnestiegesetzes mit EU-Recht befassen.

Für die Regierung Sánchez bedeutet das Urteil dennoch einen politischen Befreiungsschlag, zumindest vorerst. Und für Carles Puigdemont? Der packt womöglich schon heimlich den Koffer – für eine Rückkehr, die langsam näher rückt und die vor Kurzem noch undenkbar schien.