Mittwoch5. November 2025

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Mobbing und EntlassungenUniversität Luxemburg sieht sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert – und bestreitet systemisches Problem

Mobbing und Entlassungen / Universität Luxemburg sieht sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert – und bestreitet systemisches Problem
An der Universität Luxemburg sollen autokratische Zustände herrschen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Pünktlich zum Schulbeginn haben Studenten vor der Chamber protestiert. Der Grund: autokratische Zustände hinter den Kulissen und Belästigungsvorwürfe an der Universität Luxemburg. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Uni hat sich seitdem ans Tageblatt gewandt. Ihre Äußerungen erhärten den Verdacht.

Was für Zustände herrschen hinter den Fenstern des grau-gläsernen Turms auf Belval, der die Verwaltung der Universität Luxemburg beheimatet? Diese Frage wirft ein anonymer Protest zur Rentrée vor der Chamber auf. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Universität hat eine klare Antwort: Mobbing und Belästigung sind an der Tagesordnung. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, ist der Redaktion jedoch bekannt. Sie befürchtet, dass die Universität ihre Jobsuche zukünftig erschweren könnte. Gegenüber dem Tageblatt berichtet sie von Mobbing in der Uni-Verwaltung, das bis hin zu ihrer Entlassung geführt hat. Kein Einzelfall, wie sich herausstellt.

Wenn Ilona Thoma (Name von der Redaktion geändert) auf ihre Zeit an der Universität Luxemburg zurückblickt, betont sie vor allem die Kollegialität unter Kollegen und Kolleginnen, zwischen Verwaltung, Professoren und Studenten. Ihren Job hat Thoma gerne gemacht, hatte zahlreiche Studenten zu betreuen und war als „study programme administrator“ auch im engen Austausch mit den Professoren und Lehrstühlen verschiedener Studiengänge. Sechs Jahre lang ging das ohne Probleme vonstatten, bis Thoma eine neue Vorgesetzte erhielt. Das Arbeitsverhältnis gestaltete sich von Beginn an als schwierig. Thoma berichtet von Meinungsverschiedenheiten, die teilweise in Erniedrigungen in Versammlungen ausarteten. „Ich verteidigte lediglich die Interessen der Studenten und Professoren meiner Studienprogramme“, erklärt Thoma. „Das wertete meine Vorgesetzte jedoch immer wieder als persönlichen Angriff gegen sie.“

Die Streitigkeiten ziehen sich letzten Endes über mehrere Monate, bis Thoma im März 2022 ein Kündigungsschreiben erhält. Die vom Anwalt der Universität aufgeführten Gründe nennt Thoma fadenscheinig. „Mir wird in dem Brief vorgeworfen, dass das Fenster im Büro geöffnet ist und ich beim Arbeiten manchmal Musik höre“, sagt Thoma. „Eines ihrer Hauptargumente aber war, dass ich bereits 2020 vom Dekan der Fakultät mehrfach zurechtgewiesen worden sei – dabei war die von der Universität namentlich genannte Person seit Oktober 2018 nicht mehr Dekan.“ Trotz über 60 Zuschriften von Arbeitskollegen, Studenten und Professoren, die Thoma in einem letzten Zusammentreffen mit der Universität vorlegt, wird Thoma letzten Endes entlassen. Nach elf Jahren an der Universität ohne Rüge, formelle oder informelle Verwarnung, wie sie behauptet.

Entlassung trotz positivem Feedback

Sie wendet sich an einen Anwalt und ficht die Kündigung an. Mit einem ersten Achtungserfolg: Die Universität kommt 2023 auf Thoma zu, bietet einen Ausgleich an. „Drei Bruttomonatslöhne wurden mir angeboten – ich aber wollte wieder an der Universität arbeiten können oder aber mehr Schadensersatz und ein Empfehlungsschreiben.“ Das kontert die Universität wiederum mit einem etwas erhöhten Angebot. „Mir ging es aber nicht ums Geld“, sagt Thoma. Ich wollte wieder dort arbeiten können oder aber durch ein Empfehlungsschreiben zumindest ein Eingeständnis ihrer haltlosen Behauptungen erwirken. Ohne Erfolg, sodass letzten Endes ein Gericht über die Kündigung entscheiden musste. Ein Prozess, den Thoma in erster Instanz verlor, Ende Oktober aber mit dem Berufungsprozess in eine zweite Runde geht. Das Gerichtsurteil greife die Argumentation der Universität einseitig auf, so Thoma. Offene Fenster und Musik im Büro seien beispielsweise von der Universität als Gründe für die Entlassung genannt worden.

Ich verteidigte lediglich die Interessen der Studenten und Professoren meiner Studienprogramme

Ilona Thoma, Ehemalige Uni-Mitarbeiterin

„Ich habe 18 eidesstattliche Erklärungen von Professoren, Studenten und Mitarbeitern vorgelegt“, sagt Thoma. Die Universität habe drei vorlegen können – allesamt von hierarchischen Untergebenen der neuen Direktorin. Auch wurden diese über ein Jahr nach der Entlassung erst angefertigt. Der Anwalt von Thoma hinterfragt nicht zuletzt die juristische Legitimität der Aussagen. Wie das Gericht letztlich gegen Thoma entscheiden konnte, versteht die ehemalige Verwaltungsmitarbeiterin nicht. „Schützt hier eine Institution eine andere?“

Universität sieht kein systemisches Problem

Das Tageblatt hat die Universität in einer Anfrage mit den Vorwürfen konfrontiert. Ein systemisches Problem sieht die Uni nicht. „Wir beschäftigen 2.500 Mitarbeiter aus 150 Nationen“, heißt es vonseiten der Pressestelle der Universität. „Das kann in einzelnen Fällen auch zu Spannungen führen. Grundsätzlich werden Konflikte mithilfe unserer bewährten Verfahren bearbeitet.“ Sechs bis sieben Personen würden sich pro Jahr aufgrund von Mobbing- oder Belästigungsbeschwerden bei den zuständigen Stellen innerhalb der Universitätsverwaltung melden. Die Hälfte dieser Verfahren würde ohne Folgen wieder eingestellt werden, da die ursprüngliche Beschwerde nicht begründet sei. 

Universitäts-Direktor Jens Kreisel hatte bereits Ende September in einem Tageblatt-Interview zum Protest vor der Chamber Stellung bezogen. Damals antwortete Kreisel, dass es sich lediglich um einen Protest einiger weniger Studierender gehandelt habe, die sich „zehn Minuten lang zu einer ganzen Bandbreite an Themen geäußert haben“. Letztlich adressierte der Uni-Rektor lediglich die Wohnungsnot, zu den Belästigungsvorwürfen äußerte sich Kreisel damals nicht.

Ilona Thoma ist jedoch nicht alleine. Im März dieses Jahres urteilte das Gericht im Fall eines „licenciement abusif“ gegen die Universität Luxemburg. Aus dem anonymisierten Urteil des Gerichtes geht unter anderem hervor, dass der damalige Mitarbeiter bereits interne Prozeduren wegen Mobbing, Diskriminierung und Favoritismus eingeleitet hatte. Beschwerden, die ohne Folgeermittlungen der Universität klassiert wurden. „Wie bei jedem anderen solchen Fall wurde die Beschwerde analysiert und einer offiziellen Untersuchung durch eine externe, unabhängige Instanz unterzogen. Die vermeintlichen Vorwürfe der Belästigung wurden in diesem Fall als haltlos abgewiesen“, kommentiert die Uni den Fall. Auch in diesem Fall wurde die Zusammenarbeit von der Universität beendet. Ein Gerichtsurteil aber kam zu dem Schluss, dass die von der Universität dargelegten Gründe nicht ausreichend waren, und entschied, dass es sich um eine ungerechtfertigte Entlassung handelte.

Zu dem derzeit laufenden Rechtsstreit von Thoma will sich die Universität nicht äußern.