Samstag15. November 2025

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WestbalkanUkraine-Krieg beschert vernachlässigtem EU-Wartesaal mehr Aufmerksamkeit

Westbalkan / Ukraine-Krieg beschert vernachlässigtem EU-Wartesaal mehr Aufmerksamkeit
Auch beim Sanktionsverweigerer Serbien demonstrierten zum Jahrestag des Kriegsbeginns am Freitag in Belgrad rund 1.000 Menschen gegen die russische Aggression in der Ukraine. Unter den Teilnehmern des Gedenkmarsches waren zahlreiche Putin-Flüchtlinge aus Russland, die in den letzten zwölf Monaten in Serbiens Hauptstadt übergesiedelt sind. Foto: Thomas Roser

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Der Ukraine-Krieg hat dem Westbalkan ähnliche Probleme wie den EU-Partnern beschert. Doch gleichzeitig ist der vernachlässigte EU-Wartesaal erneut in den Fokus des Westens gerückt. Dessen Bemühen, Moskaus Einfluss zurückzudrängen, wird von Serbien beklagt, aber ist für die Region auch eine Chance.

Galoppierende Preise, höhere Heizkosten und sinkende Wachstumsraten: Der Ukraine-Krieg hat dem Westbalkan ähnliche Probleme wie den EU-Partnern beschert, von den die Region kaum aufsuchenden Kriegsflüchtlingen einmal abgesehen. Gleichzeitig ist der lange vernachlässigte EU-Wartesaal erneut in den Fokus des Westens gerückt: Es ist die westliche Angst vor der Ausbreitung des russischen Einflusses im EU-Hinterhof, der den Westbalkan-Staaten seit einem Jahr unablässig hochrangige Politiker- und Diplomatenvisiten beschert.

Während das zwischen Ost und West lavierende Serbien über den zunehmenden EU-Druck zur Übernahme der noch immer verweigerten Russland-Sanktionen klagt, wird das neu erwachte Interesse des Westens in anderen Staaten als Chance empfunden. „Glücklicherweise“ habe der Ukraine-Krieg dem Westbalkan „die internationale Aufmerksamkeit zurückgebracht“, sagt Lulzim Peci, Direktor des renommierten KIPRED-Instituts in Kosovos Hauptstadt Pristina: „Sonst würden wir beim Dialog mit Serbien weiterwursteln wie bisher.“

Seit dem Kosovo-Krieg 1999 sei die „Einheit des Westens“ und das „transatlantische Engagement“ in der Region nie so stark wie jetzt gewesen, so Peci. Denn während 2008 beispielsweise auch fünf EU-Staaten der damals ausgerufenen Unabhängigkeit des Kosovo ihre Anerkennung versagten, unterstützten nun alle EU-Mitglieder den sogenannten deutsch-französischen Plan, der der Normalisierung der Beziehungen der unwilligen Nachbarn den Weg ebnen soll. Von einem „neuen Momentum“ für die NATO-Ambitionen seines Landes spricht Kosovos Oppositionschef Lumir Abdixhiku (LDK): „Dies ist eine historische Chance für Kosovo. Und wir sollten diese nutzen.“

Nicht nur die Furcht vor einer Ausbreitung des russischen Einflusses, sondern auch die Blitz-Zuerkennung des Kandidatenstatus an die Ukraine und die Republik Moldau hat die bis dahin so erweiterungsmüden EU-Partner auch gegenüber dem Westbalkan in Zugzwang gebracht. So soll Kosovo bis Jahresende endlich die überfällige Aufhebung der Visapflicht bei Reisen in die Schengenstaaten erhalten.

Bewegung

Doch nicht zuletzt unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs ist die lange faktisch auf Eis gelegte EU-Erweiterung auf dem Westbalkan wieder in Bewegung gekommen. Auch wenn ein Beitritt noch in diesem Jahrzehnt für keinen der sechs Balkananwärter realistisch scheint.

So ist Bosnien und Herzegowina sechs Jahre nach Antrag im Dezember zumindest der EU-Kandidatenstatus zuerkannt worden. Auch Albanien und Nordmazedonien haben im Herbst im Prinzip endlich das grüne Licht für den von den EU-Partnern zuvor immer wieder verzögerten Auftakt der EU-Beitrittsverhandlungen erhalten. Allerdings werden Skopjes EU-Ambitionen vom EU-Nachbarn Bulgarien weiter kräftig gebremst.

Mit Montenegro und Serbien treten die Kandidaten, die beim Beitrittsmarathon bisher am weitesten gediehen sind, indes weiter auf der Stelle. Montenegros EU-Ambitionen hemmen innenpolitische Blockaden. Serbiens Verhandlungen stocken nicht nur wegen anhaltender rechtsstaatlicher Mängel und des fehlenden Ausgleichs mit Kosovo, sondern auch wegen der verweigerten Angleichung an die EU-Außenpolitik – einschließlich der Übernahme der Russland-Sanktionen.

Das von der EU und den USA forcierte Nachbarschaftsabkommen zwischen Kosovo und Serbien sowie eine NATO-Integration Kosovos könnten „die Region, aber auch Serbien stabilisieren“, ist Analyst Peci überzeugt: „Sollte das Abkommen aber scheitern, wäre das ein fantastisches Geschenk für Russland. Wir würden isoliert bleiben – und die Spannungen in der Region anhalten.“