Dienstag21. Oktober 2025

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USATrump, Medien und Spaltung: Wie amerikanische Lokaljournalisten den Demokratieverfall erleben

USA / Trump, Medien und Spaltung: Wie amerikanische Lokaljournalisten den Demokratieverfall erleben
Kayla und Micah Green spüren in ihrer täglichen Arbeit, wie sehr die Pressefreiheit unter Druck steht Foto: Privat, Montage: Kim Kieffer

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Die Demokratie in den USA steht seit Donald Trumps Amtsbeginn einmal mehr auf dem Prüfstand. Das spüren auch die beiden Lokaljournalisten Kayla und Micah Green. Ein Gespräch über eine unter Druck stehende Pressefreiheit und die Frage, wie es sich anfühlt, wenn eine Demokratie abgeschafft wird.

Für Kayla ist es klar: Die Demokratie in den USA ist in Gefahr. Noch Anfang November, vor den Präsidentschaftswahlen, klang es in unserem ersten Gespräch mit ihr und ihrem Mann Micah anders. Damals hatte Micah gesagt, dass er sich noch nicht sicher sei – und dabei ist er auch heute geblieben. Kayla und Micah Green sind Lokaljournalisten in den USA.

„Ich habe das Gefühl, dass sich etwas Grundlegendes verändert, irgendwas fühlt sich anders an“, sagt Kayla. Genauer kann sie es nicht beschreiben. „Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn eine Demokratie abgeschafft wird. Gibt es da einen bestimmten Moment, in dem es einem bewusst wird, oder ist es ein schleichender Prozess?“

Auch wenn Micah sich nicht sicher ist, ob die Demokratie direkt in Gefahr ist, so ist er sich bei einem Punkt gewiss: „Die Pressefreiheit ist definitiv in Gefahr. Und wenn die erst einmal fällt, dann sieht es schlecht aus.“ Kayla und Micah arbeiten für die Gulf Coast Media, eine Mediengruppe, die mehrere Lokalzeitungen in Alabama und South Carolina herausgibt. Wie stark die Pressefreiheit unter Druck geraten kann, erleben sie gerade in ihrer täglichen Arbeit.

Die Golf-Frage

Ihr Verbreitungsgebiet liegt am Golf von Mexiko – jenem Gewässer, das Donald Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit per Executive Order in „Golf von Amerika“ umbenannte. Kurz darauf verfasste Micah für den Social-Media-Account ihrer Zeitung einen Beitrag, in dem er eine Person zitierte, die in einem Nebensatz von „Golf von Mexiko“ sprach.

„Es dauerte nicht lange, und wir wurden von Kommentaren aus beiden Lagern überflutet. Die einen regten sich auf, dass wir immer noch von Golf von Mexiko reden, die anderen machten Druck, dass wir nicht für so etwas einknicken sollten.“ Die Diskussion verdeutlichte dem Paar, wie gespalten die Gesellschaft ist.

In einem Redaktionsmeeting diskutierten sie die Golf-Frage. „Wir benutzen den Ausdruck tagtäglich, da er die Bezeichnung für unsere Region ist“, sagt Kayla. Die Gulf-Coast-Media-Gruppe orientiert sich an den Richtlinien der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die nach Trumps Dekret weiterhin vom Golf von Mexiko sprach. Ein AP-Reporter wurde daraufhin aus dem Weißen Haus ausgeschlossen.

Ich bin mir aber sicher, dass die allermeisten seiner Wähler ihn nicht für das gewählt haben, was momentan abgeht

Micah, Journalist

„Eigentlich halten wir uns immer an die AP-Richtlinien, aber hier haben wir uns anders entschieden“, sagt Kayla. Sie verwenden weder „Golf von Mexiko“ noch „Golf von Amerika“, sondern schlicht „Golf“.

Bereits bei unserem ersten Gespräch betonten Kayla und Micah, dass sie als Lokaljournalisten die lokale und regionale Politik kontrollieren, aber auch die Gemeinschaft stärken wollen. „Die Sache mit dem Golf von Mexiko spaltet unsere Leserschaft, und das wollen wir eigentlich vermeiden. Deshalb fiel unsere Entscheidung einfach auf ‚Golf’“, sagt Kayla.

Der Großteil der Bevölkerung in Alabama und damit auch der Leserschaft von Kayla und Micah sind Trump-Anhänger. „Ich bin mir aber sicher, dass die allermeisten seiner Wähler ihn nicht für das gewählt haben, was momentan abgeht“, sagt Micah. Man merke schnell, wie sich die neue Politik auf den Alltag der Menschen auswirke.

Beängstigendes Tempo

„Vor allem für verschiedene Gruppen ist die aktuelle Situation eine große Belastung. Ich denke da zum Beispiel an Transpersonen. Wir haben eine Transperson in unserem Bekanntenkreis, die ernsthaft darüber nachdenkt, die USA zu verlassen“, sagt Kayla.

Auch andere Entscheidungen der Trump-Administration seien für viele beängstigend. Micah spricht die geplante Abschaffung des Bildungsministeriums an. „Es ist erschreckend zu sehen, mit welchem Tempo sie voranpreschen“, sagt der Lokaljournalist und Fotograf. Er sei heute wesentlich nervöser als noch vor den Wahlen. „In seiner ersten Amtszeit hat er viele verrückte Dinge gesagt. Heute setzt er sie in die Tat um.“

Den Namen Trump erwähnen Kayla und Micah selten. „Es ist beängstigend zu sehen, wie gut sie diesmal vorbereitet sind. Auch dieser ganze Elon-Musk-Kram ist äußerst frustrierend“, meint Micah. Der Tech-Milliardär sowie die gesamte Trump-Administration würden ein alternatives Ökosystem zum Journalismus aufbauen – zum einen durch Musks Plattform X, zum anderen durch den Austausch von Journalisten gegen ihnen wohlgesonnene Podcaster bei Pressebriefings. „Und das funktioniert momentan erschreckend gut“, findet Micah.

Außerdem sei die Trump-Administration mit ihrer „Flood the Zone“-Strategie sehr erfolgreich. „Sie überfluten die Öffentlichkeit mit Initiativen und wirren Entscheidungen, die ihren Gegnern keine Zeit zum Atmen lassen. Die sind dieses Mal so ausgebufft, und im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit sind unsere nationalen Medien nicht mehr so gut aufgestellt“, stellt Micah fest. Zudem sei es für normale Bürger unmöglich, alle Diskussionen zu verfolgen. „Wer will das schon? Man sollte ja auch an seine mentale Gesundheit denken. Die Menschen haben genügend andere Probleme“, so Kayla.

Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn eine Demokratie abgeschafft wird. Gibt es da einen bestimmten Moment, in dem es einem bewusst wird, oder ist es ein schleichender Prozess?

Kayla, Journalistin

Er und seine Frau befürchten, dass dieser Trend sich auch auf lokaler Ebene durchsetzen könnte. „In seiner ersten Amtszeit gab es eine ganze Reihe von Lokalpolitikern, die ihn nachahmten. Wenn sie das wieder tun und es nicht mehr für nötig halten, auf Fragen von Journalisten zu antworten, dann wird es schwer für uns. Das bereitet mir Sorgen“, so die Journalistin.

Es gebe jedoch auch Grund zur Hoffnung. Kayla zufolge gab es vorwiegend zwei Gründe, warum die Bürger Trump wählten: „Wirtschaft und Abtreibung.“ Genau das mache den beiden Journalisten Hoffnung. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sei für die breite Bevölkerung nicht in Sicht. „Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Wähler jetzt schon enttäuscht sind und diese Enttäuschung bei den Midterm-Wahlen in zwei Jahren zum Ausdruck kommt. Vielleicht ändern sich dann die Kräfteverhältnisse.“

Micah hat noch einen weiteren Hoffnungsschimmer: „Ich habe gelesen, dass die ersten 100 Tage eines Präsidenten in der Regel die einflussreichsten sind. Ich habe die leise Hoffnung, dass sich das Ganze danach beruhigt.“ Restlos überzeugt davon scheint Micah aber nicht zu sein. Spätestens nach dem 30. April wird sich zeigen, ob seine Hoffnung berechtigt war.

Grober J-P.
25. März 2025 - 9.02

Andre und Matthew in Atlanta kommen nicht mehr aus ihren Albträumen raus, sagen sie. Alles um uns herum wirkt so irreal! Hoffen, dass die Blase bald platzt und alle wieder frei sind.