K-Pop/K-Hip-HopTosender Wasserfall: B.I lässt Luxemburg auf der koreanischen Welle surfen

K-Pop/K-Hip-Hop / Tosender Wasserfall: B.I lässt Luxemburg auf der koreanischen Welle surfen
„I promise that I will be back!“: der Sänger, Rapper und Produzent B.I Foto: Editpress/Alain Rischard

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Ein koreanischer Musiker ist so sehr von seinem Publikum im Atelier begeistert, dass er, mit luxemburgischer Flagge um die Schultern, nach zweistündiger Power-Show mehrere Zugaben zum Besten gibt und verspricht, wiederzukommen. Vor kurzem herrschte Ausnahmezustand in der Hollericher Straße: Kim Han-bin alias B.I machte auf seiner Europa-Tour halt im ausverkauften Atelier.

Sind Fans koreanischer Musik ein Kult „hysterischer Teenagerinnen“, wie es häufig in den Medien dargestellt wird? Mylène (59) und Eveline (62), die das Tageblatt in der langen Warteschlange vor dem Merchandise-Stand angetroffen hat, sind da anderer Meinung. Im Gegenteil: Die beiden Frauen – die übrigens nicht als Begleitung von Kindern oder Enkelkindern mitgeschleppt wurden – standen ganz vorne in der Menge und haben sich an dem Abend wohlgefühlt. „Wir kommen eher aus dem Metal-Bereich, aber heute haben wir einen richtig tollen Abend erlebt“, sagt Mylène, während Eveline ohne Umschweife zugibt, dass sie „auch mitgekreischt hat“.

Das Publikum in Luxemburg sei allerdings allgemein eher zurückhaltend, geben sie zu bedenken. Eveline hat vor kurzem Robbie Williams auf Kirchberg live gesehen – „da war schon eine gute Stimmung“. Beim Konzert von B.I sei aber noch eine Schippe draufgelegt worden. Mylène sagt hingegen, das letzte Konzert, bei dem sie wirklich das Gefühl hatte, dass es „richtig abging“, sei das der mongolischen Rockband The Hu im Juli gewesen. Sie freut sich auch bereits darauf, im November die K-Pop-Gruppe ONEUS im niederländischen Tilburg zu sehen – „sobald die Tickets in den Verkauf gingen, klickte ich pausenlos, um schnell eines zu ergattern“.

Er hat bislang mehr als 100 Songs geschrieben – einer davon („illa illa“) ist ihm unter der Dusche eingefallen
Er hat bislang mehr als 100 Songs geschrieben – einer davon („illa illa“) ist ihm unter der Dusche eingefallen Foto: Editpress/Alain Rischard

Die Verfasserin dieses Artikels war selber noch nie auf einem K-Pop-Konzert, aber von der Offenheit und dem Zusammenhalt der Fans beeindruckt. Hysterisch waren sie nicht – nur begeistert. Das Publikum war hauptsächlich weiblich und teilweise jugendlich, aber nicht ausschließlich, wobei im Hinblick auf einige Medienberichte dann auch die Frage gestellt werden kann, was verkehrt daran sein soll, wenn junge Frauen Spaß haben. Außerdem dürfen auch Teenagerinnen auf Konzerte gehen.

Festzuhalten ist, dass B.I und vor ihm der DJ mit seinem Warm-up das Publikum völlig unter Kontrolle hatten. Der erste Teil war deutlich raplastiger und beinhaltete vor allem Songs aus seinem ersten Album „Waterfall“, während später Stücke wie „Die For Love“ und „Beautiful Life“ folgten. Vor allem die Live-Interpretation seines wahrscheinlich bislang größten Hits „BTBT“ brachte die verschiedenen Strömungen zutage, aus denen der erst 26-Jährige seine Inspiration schöpft: Sein ursprüngliches Steckenpferd ist Rap, doch er sang auch und schloss sich seinen beiden Tänzern an. Alles natürlich live: Auch wenn die Backing Tracks teilweise sehr laut waren, gab es keinen Zweifel daran, dass B.I live rappte und sang, während er unaufhörlich über die Bühne fegte.

Nennenswert ist ebenfalls der Spagat zwischen Mainstream und unabhängigem Schaffen: B.I gehört nämlich nicht den großen Plattenfirmen in Südkoreas Popindustrie an, sondern dem kleinen, selbst gegründeten 131 Label. Davor war er Teil einer sehr bekannten K-Pop-Gruppe mit dem Namen iKON gewesen, welche er verlassen hatte, nachdem er versucht hatte, illegale Drogen zu kaufen. Im Zuge seiner zweijährigen Pause sind viele Songs entstanden, die sich mit dem Thema mentale Gesundheit befassen – ein Aspekt, der in den vergangenen Jahren vermehrt in Hip-Hop-Songs behandelt wird.

Rebecca und Anne
Rebecca und Anne Foto: Laura Giacomini

Das vor allem für luxemburgische Verhältnisse sehr aktive und enthusiastische Publikum war auch für Rebecca (35) und Anne (29) wie ein Wellenritt, sind die beiden doch eher stille Gewässer auf Konzerten im Großherzogtum gewohnt. „Als Ellie Goulding vor einigen Jahren hier auftrat und die Menschen zum Tanzen und Ferien aufrief, hielt sie plötzlich inne und fragte: Warum will niemand mit mir tanzen?“, berichtet Rebecca.

Anne, die seit nunmehr 15 Jahren koreanische Musik hört, fügt hinzu: „Da muss man aber auch sagen, dass wir als K-Pop-Fans andere Erwartungen haben. Auf K-Pop-Konzerten ist immer viel los. Wenn wir solche Konzerte im Ausland sehen, fällt der Unterschied umso mehr auf.“

Die beiden Freundinnen haben sich auf der KCON, einem Festival rund um koreanische Musik, in Paris kennengelernt. Sie freuen sich darüber, dass zum ersten Mal ein koreanischer Künstler nach Luxemburg gekommen ist und sie nicht mehr jedes Mal ins Ausland reisen müssen. Von den Stereotypen über weibliche (K-Pop-)Fans, die angeblich völlig von ihren Idolen besessen seien, sind die beiden Frauen alles andere als begeistert. Rebecca zufolge werden solche Klischees von unglücklichen Männern verbreitet, die mit sich selber nicht im Reinen sind.

Cookie und Audrey
Cookie und Audrey Foto: Laura Giacomini

Dass bei solchen Konzerten unterschiedliche Generationen oder Altersklassen aufeinandertreffen, zeigen auch Myriam (17) und Lexy (36). Sie haben sich durch das Sejeong-Institut kennengelernt, wo Koreanisch gelehrt wird, und dem Tageblatt gleich ihre Kenntnisse der Sprache unter Beweis gestellt. Myriam interessiert sich für die Kultur des ostasiatischen Landes, während Lexy, die ebenfalls als Musikerin unter dem Namen LXY aktiv ist, als Linguistin Sprachen allgemein zugeneigt ist.

Mehrere Fans trugen an dem Abend koreanische „street fashion“, andere hingegen hätte man spontan eher auf einem Konzert einer Metalband erwartet. Oder warum nicht beides? Für Audrey (33) und Cookie („29 plus“) sind gegensätzliche Musikgenres eher die Regel als die Ausnahme. Das reiche von Metal und Mittelalter-Rock über Rap aus den 80ern und 90ern bis hin zu Jazz. Audrey kannte B.I vor dem Auftritt gut, Cookie weniger. „Ich habe K-Pop mit Girls Generation entdeckt“, sagt Letzterer. „Ursprünglich komme ich eher aus dem Bereich J-Rock (japanischer Rock). Deswegen freuen wir uns auch sehr auf das Konzert von Babymetal im Dezember.“ Und Audrey fügt hinzu: „So oder so, wir hören wirklich von allem, quer durch den Garten!“

Musik aus Südkorea

K-Pop ist zweifellos das Aushängeschild der modernen südkoreanischen Musik, doch bei weitem nicht das einzige Genre. Besonders beliebt auf der Halbinsel ist auch Trot, ein Musikstil, der seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts existiert. Blickt man noch weiter zurück in die Geschichte des Landes, trifft man auf die traditionelle Musik Gugak. In Südkorea gibt es heute ebenfalls eine sehr aktive Hip-Hop-Szene. Auch Jazzmusiker und klassische Komponisten haben ein weltweites Renommee erlangt. Metal scheint bislang eher eine Nische zu sein.
Die Musik von B.I ist sowohl im K-Pop als auch im K-Hip-Hop anzusiedeln, zeitweise wird er auch als Singer-Songwriter bezeichnet.

Umfrage

Aufgrund des großen Erfolgs des B.I-Konzerts hat sich das Tageblatt umgehört und die Besucher gefragt, welche anderen koreanischen Musiker sie gerne in Luxemburg sehen würden. Am häufigsten sind die Namen Stray Kids und ATEEZ gefallen. Die beiden Gruppen werden immer wieder für ihre Live-Performances gelobt. Dreamcatcher, eine weibliche Gruppe mit starkem Rock- und Metal-Einfluss, wurde ebenfalls mehrmals erwähnt. Doch auch der Name einer Indie-Rock-Band fiel einige Male: The Rose.