„Tokio 2020 fest im Blick“: Joé Kurt will zu den Paralympics

„Tokio 2020 fest im Blick“: Joé Kurt will zu den Paralympics

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Para-Triathlet Joé Kurt hat ein großes Ziel, und das lautet Tokio 2020. Das Tageblatt hat den 29-Jährigen bei einem Training besucht.

Letzte Woche Donnerstag am Stausee. Einige Kinder und Jugendliche kommen mit dem Rennrad in Insenborn an. Ihr Trainer, Daniel Hendriks, erscheint in Begleitung von Joé Kurt, dem Para-Triathleten und Liebling der Gruppe. Eine Trainingseinheit im Wasser ist angesagt für den Nachwuchs des Trispeed Mamer. Kurt gehört zu dieser Gruppe, genauso wie die jungen Radfahrer vom Cycling Team Atertdaul.

Pünktlich zum Trainingsbeginn bricht die dichte Wolkendecke auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Die Wasserfläche gehört der Trainingsgruppe fast ganz allein. Nur ein Segelboot dreht noch seine letzten Runden vor dem gegenüberliegenden Liefringen und einige Stand-up-Paddler befinden sich auf dem See. Nach einer großen Aufwärmrunde beginnt die eigentliche Einheit: Kurze, schnelle Runden im Wasser mit Ausstieg und Wiedereinstieg sollen Koordination und Konzentration trainieren, wie es der Triathlon mit den einzelnen Wechseln immer wieder verlangt.

„Ich trainiere jeden Tag“

Das Ganze wird gepaart mit Seilspringen an Land. Einen besonderen Fokus legt der Coach dann auf die kommenden Wettbewerbe seines paralympischen Schützlings. „Uda“ und „Dreier“ heißen plötzlich zwei der jugendlichen Teilnehmer. Sie sollen Kurts Gegner darstellen. „Joé, das sind deine Konkurrenten. Du musst jetzt an denen dranbleiben.“ Somit wird die Intensität bis zum Schluss der Trainingsstunde hoch gehalten.
„Ich bin bereit und habe die ganze Zeit hart trainiert“, gibt Kurt im Hinblick auf die nächsten wichtigen Wettkämpfe der kommenden Wochen zu verstehen. „Ich trainiere jeden Tag.“ Mit den drei verschiedenen Sportarten kommt der Triathlet locker auf 15 bis 20 Stunden die Woche. „Ich fahre jeden Tag mit dem Rennrad von Mamer zur Arbeit nach Luxemburg, auch im Winter, wenn es schneit.“

Nach einer Zeit in der Behindertenwerkstätte der Ligue HMC in Capellen gehört Kurt, der unter leichter Spastik und Hörbehinderung leidet, jetzt zum Team des Service des Parcs in der Stadt Luxemburg und ist im Stadtpark beim großen Spielplatz im Einsatz. „Wir nutzen den Heimweg dann des Öfteren für größere Runden, um die Grundausdauer zu trainieren“, fügt sein Trainer hinzu.

Das Schwimmtraining findet im Lycée Josy Barthel in Mamer oder in der Coque statt, während der Schulferien werden die Einheiten in den Stausee verlegt. Seit eineinhalb Jahren trainiert Kurt mit dem Jugendkader der FLTri zudem montags im Schwimmbad des Campus Geessekneppchen. Der Para-Triathlet liebt das Trainieren in der Gruppe. „So macht es erst richtig Spaß.“ Joé Kurt ist voll in den einzelnen Gruppen integriert und für die jungen Sportler eine Art Ansporn und Vorbild. Besonders auf dem Rad kann Kurt den jungen Triathleten etwas vormachen.

Durch Zufall zum Triathlon

Diese Inklusion hat der stets gut gelaunte Sportler nicht immer gekannt. Eigentlich war der Weg zum Triathlon ein reiner Zufall. „Ich bin schon immer mit meinem Vater und meinem Patenonkel Fahrrad gefahren.“ Es besteht kein Zweifel, was Kurts Lieblingssportart war und ist: das Radfahren. Nicht selten sieht man ihn so mit dem Rad unterwegs im Ländchen. Der Sprung in den Fahrradverein misslang aber, sodass seine Mutter beim Trispeed anklopfte, ob er nicht dort seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen könnte. Hier konnte er sich recht schnell integrieren. Eine große Hilfe war ohne Zweifel seine positive Art im Umgang mit anderen Menschen.

So kam er dann auch zum Lauftraining mit Yves Göldi im Mamer Verein. „Da ich beim Laufen Hüftprobleme bekam, hat man mir empfohlen, es mit dem Schwimmen zu probieren“, erklärt Kurt den Weg zur dritten Disziplin. „Seine Motorik ist vom Bewegungsablauf her nicht ganz ökonomisch“, ergänzt sein Coach. Momentan wird das Lauftraining nicht zu sehr forciert, um Verletzungen zu vermeiden. Kurt weiß allerdings, was ihn im nächsten Jahr erwartet. „Im Laufen werden wir das Training intensivieren.“ Das Pensum soll dann verdoppelt werden, sodass er die 19-Minuten-Grenze auf den fünf Kilometern unterbieten kann, um somit in den entscheidenden Wettbewerben den einen oder anderen Rang noch gutzumachen.

Ironman in Remich

So war der Grundstein für den Triathlon gelegt. Zu dem Zeitpunkt steckte diese Disziplin für Para-Athleten noch in den Kinderschuhen, Triathlon war erstmalig 2016 in Rio auf dem Programm der Paralympics. Kurt hatte schon mal so seine Fühler in der Sportart ausgestreckt und einen Ironman in Remich bestritten. Sein Umfeld hatte aber eher Bedenken, ob diese Langdistanz förderlich für seine Gesundheit sei.

Die Sprintdistanz im Para-Triathlon war da schon passender, allerdings musste er noch seine Klassifizierung erreichen. Seine mentale Behinderung alleine wurde in diesem Fall nicht berücksichtigt. Erst 2018 wurde Kurt definitiv in der Kategorie PTS4 eingestuft. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch festgelegt, dass genau diese Kategorie zusammen mit den Klassen PTS2 und PTS3 bei den Paralympics 2020 in Tokio startberechtigt sein werden. Ab diesem Moment konnte also von einer Teilnahme an dem größten Sportevent der Para-Athleten geträumt werden.

Eine stete Leistungssteigerung

Seit seinem ersten Para-Triathlon in Besançon in Juni 2015 hat sich Joé Kurt ständig verbessert. Zu Beginn konnte er nur auf Einladung an den internationalen Wettbewerben teilnehmen. Über die vergangenen Jahre konnte er sich im Weltranking von Platz 37 auf den ausgezeichneten 7. Rang vorarbeiten. „Dieses Jahr befindet sich Joé, dank seines Podiumsplatzes bei den letzten Weltmeisterschaften, in der guten Lage, für alle internationalen Meisterschaften und für sämtliche Weltcups qualifiziert zu sein. Wir können uns also aussuchen, wo wir starten wollen. Letztes Jahr wollten wir in Yokohama teilnehmen, aber er befand sich nur auf der Warteliste. Das finanzielle Risiko war allerdings zu groß, um nach Japan zu fahren und dann nicht an den Start gehen zu können“, analysiert Hendriks die Situation um die wichtigen Startplätze.

Im Triathlon herrscht ein Teufelskreis um die begehrten Qualipunkte. Wenn man nicht starten kann, erzielt man keine Punkte. Ohne Zähler kann man nicht teilnehmen. „Die Qualifikationsphase für 2020 hat jetzt begonnen und wir erleben jetzt mit dem Testevent am Samstag in Tokio, den Weltmeisterschaften in Lausanne sowie der Europameisterschaft in Valencia einen wichtigen Moment. Wenn Joé es schafft, im Ranking unter den ersten neun Plätzen zu bleiben – denn nur neun Athleten können sich direkt qualifizieren –, dann hat er berechtigte Hoffnung auf Tokio 2020.“

Berechtigte Hoffnungen 

Da Kurt immer recht konstant bei den Wettbewerben war, könnte er sich in dieser wichtigen Zeitspanne von Mitte August bis Mitte September in eine gute Ausgangsposition manövrieren, um dann eine Wettkampfpause einlegen zu können. Wohlwissend, dass die Qualifikation erst im Juni 2020 abgeschlossen ist.

Aktuell befindet sich Kurt im Weltranking auf Platz sieben und kann sich bei konstanten Leistungen berechtigte Hoffnungen machen. „Ich habe Tokio fest im Blick und werde alles tun, um dorthin zu kommen“, unterstreicht Kurt seine Motivation.

Am Samstag kann er sich bereits einen Überblick über die Strecken sowie die extremen klimatischen Verhältnisse in Japans Hauptstadt machen. Mehr als 30 Grad werden erwartet, sodass der Start der Para-Triathleten auf 6.30 Uhr Ortszeit vorverlegt wurde und auf der Rennstrecke zusätzliche Wasserstellen eingerichtet werden. Kein leichtes Unterfangen demnach.

 

Von unserem Korrespondenten Pierrot Feltgen

Joé Hendriks
26. Oktober 2020 - 17.15

Ich mag seinen Namen