Freitag28. November 2025

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Kommentar„Thronwechsel“ international: Die weltweiten Proteste junger Menschen sind ein Warnruf

Kommentar / „Thronwechsel“ international: Die weltweiten Proteste junger Menschen sind ein Warnruf
Die meisten Demonstranten verhalten sich laut Reportern friedlich Foto: AFP/Rijasolo

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Auch jenseits der Grenzen stehen die Zeichen auf Ämterwechsel oder die Forderung danach, wobei hier nicht von Abdankungen die Rede ist und Drohnen kaum den Partyhimmel erhellen. Ob Marokko, Madagaskar, die Philippinen, Peru, Nepal oder Indonesien: Weltweit finden beziehungsweise fanden regierungskritische Proteste statt. Neu ist: Sie werden hauptsächlich von jungen Menschen getragen. Und – das ist nicht neu – brutal niedergeschlagen, mit unter anderem Schlagstöcken und Blendgranaten. Zahlreiche Tote und Verletzte sind zu beklagen. Hinsichtlich der Polizeigewalt in Madagaskar, wo gerade die Regierung aufgelöst wurde, hat sich mittlerweile die UN-Menschenrechtskommission eingeschaltet.

Diese Proteste sind keine Schnapsidee, sondern das Ergebnis jahrelanger Verzweiflung und Frustration gegenüber autoritären Regimes. Dass es nur um Sperrungen sozialer Medien – der Tropfen, der das Fass in Nepal zum Überlaufen brachte – ginge, ist zu kurz gegriffen. Dass alle Demonstranten gewalttätig seien, ebenso. Korruption, Unterdrückung, Armut, mangelnde Wasser- und Stromversorgung, Einschränkung der Meinungsfreiheit: Die Zivilbevölkerung fordert grundlegende, systemische Änderungen statt nur anderer Köpfe. In Marokko richten sich die Demos vorwiegend gegen das marode Gesundheitssystem und die massiven Investitionen für die Fußball-WM 2030. Nicht nur die Jugend geht auf die Straße – auch viele ältere Personen aus der Arbeiterklasse.

Nun, Marokko, Madagaskar, das ist alles weit weg. Was piekst mich das, könnte man als Luxemburger sagen. Doch wie der Autor und Reporter Navid Kermani im Tageblatt-Interview Anfang 2025 fragte: „Warum werden wir immer provinzieller und der Blick immer enger, obwohl wir viel direkter als früher mit dem Leben in fernen Regionen verbunden sind?“ Ja, man kann beileibe nicht alle Krisen der Welt auf den Schultern tragen, vor allem wenn man mit den eigenen Problemen zu kämpfen hat, die unter der aktuellen Regierung nicht geringer werden. Und nein, das ist kein Aufruf, morgen den „Palais“ in Brand zu stecken oder Minister in Unterwäsche in die Alzette zu werfen.

Doch auch wir können etwas von der weltweiten Protestwelle lernen. Wir können anfangen, Stimmen junger Menschen ernster zu nehmen, auch wenn sie von weit her ertönen, aus Ländern mit niedrigerem Wohlstand, von Personen mit anderer Hautfarbe oder Herkunft als der eigenen, und nicht erst aus allen Wolken fallen, wenn Menschen Asyl in Luxemburg beantragen, und uns verwundert fragen, welche Gründe sie denn bloß haben könnten, um aus ihrer Heimat zu fliehen. Proteste sind eine Warnung des Volkes an die Obrigkeit. Wir können uns bewusster werden, welche Folgen sie haben können, bis hin zu Neuwahlen wie in Nepal. Uns daran erinnern, dass auch bei uns Einschränkungen des Versammlungs- und Demonstrationsrechts angekündigt wurden. Das Echo der Stimmen stoppt nicht an Grenzen oder Ozeanen und in einer globalisierten Welt sind wir nun mal miteinander verbunden. Auch mit jenen, die nicht das Privileg haben, ihre Meinung kundzutun, ohne niedergeknüppelt zu werden. Die Pro-Palästina-Proteste in Luxemburg, die seit zwei Jahren wöchentlich stattfinden, zeigen, dass das Bewusstsein hierfür wächst beziehungsweise bei manchen schon lange vorhanden ist.


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