„Fashion and rebellion“Die britische Modesignerin Vivienne Westwood ist gestorben

„Fashion and rebellion“ / Die britische Modesignerin Vivienne Westwood ist gestorben
Die britische Modeschöpferin war für ihre rebellischen Designs, aber auch für ihren Aktivismus bekannt Foto: Jonathan Brady/PA Wire/dpa

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„Punk’s not dead“ – Vivienne Westwood bewies es immer wieder. Mit ihren gewagten Modeschöpfungen und ihren von Aktivismus geprägten Schauen hat die britische Designerin kein Blatt vor den Mund genommen. Am 29. Dezember ist die Mode-Ikone im Alter von 81 Jahren gestorben.

Das politische Statement gehörte fest zur Mode von Vivienne Westwood – gelegentlich zum Leidwesen von Ehemann und Co-Designer Andreas Kronthaler. „Sie mag es, wenn die Kleidung eine Botschaft hat“, sagte der Österreicher im 2018 erschienenen Dokumentarfilm „Westwood: Punk, Ikone, Aktivistin“ von Regisseurin Lorna Tucker.

Der Rückblick auf ihre Lebensgeschichte und ihre Karriere scheint Westwood ein Graus gewesen zu sein. „Müssen wir das alles besprechen?“, meckerte sie in der Doku. „Das ist so langweilig.“ Dabei war kaum etwas in Westwoods Leben langweilig. Die Mode-Anarchistin und Aktivistin sorgte zeitlebens mit provokanten Botschaften und schrillen Outfits für Aufsehen. Ihre ganze Karriere fußte auf von Königsroben inspirierten, ausgeflippten Prachtkleidern, die ihr zum Durchbruch verhalfen.

Ein bisschen ausgefallen war die Tochter eines Baumwollspinners und Kolonialwarenhändlers aus der englischen Grafschaft Derbyshire schon immer gewesen. Geboren am 8. April 1941 als Vivienne Isabel Swire in Tintwistle nahe Manchester, soll sie sogar an ihrer Schuluniform modische Änderungen vorgenommen haben. Das brave Dasein war nichts für sie. Mit 21 Jahren heiratete sie den Tänzer Derek Westwood, mit dem sie einen Sohn bekam, den Fotografen Ben Westwood.

Gegen das Establishment

Als sie gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann, dem Manager der Punkband Sex Pistols Malcolm McLaren, Anfang der 1970er Jahre ein Geschäft namens „Let it rock“ in der Londoner King’s Road eröffnete, erregten die beiden Aufsehen. Ihre Designs waren schrill und wagemutig – gerne zerlegte die Britin historische Kleidungsstücke und nähte sie wieder zusammen, setzte auf androgyne Schnitte, inspirierte sich an vergangenen Zeiten wie dem viktorianischen Zeitalter und interpretierte diese Elemente in Punk-Manier. Korsett trifft auf Schottenkaros. Crinolines treffen auf Sicherheitsnadeln. Mit dieser Mode trug Westwood maßgeblich zur Punk-Subkultur bei und galt als Schreck des britischen Establishments. Das Geschäft wurde mehrmals umbenannt – in „Too fast to live, too young to die“ und „Sex“. Auch in der Gothic-Subkultur genießt sie bis heute ein hohes Ansehen.

Obwohl sie als Wegbereiterin der Punk-Mode galt, wollte Westwood nicht nur auf diesen Aspekt reduziert werden. „Punk war für mich eine reine Fingerübung. Ich wollte herausfinden, inwieweit man die Verhältnisse verändern kann, indem man das System attackiert“, sagte sie 2006 gegenüber dem stern. „Man ändert gar nichts, zumindest nicht durch T-Shirts mit pauschalen Phrasen. Dadurch schockt man das Establishment nicht, sondern füttert es im Gegenteil noch. Punk wurde verschluckt, vermarktet, und am Ende waren wir die Opfer.“

Green is the new black

1981 stellte die Desingerin zusammen mit McLaren ihre erste professionelle Mode-Kollektion vor, die sie „Pirate“ nannte. Mit den verzierten Dreispitz-Hüten, gerüschten Hemden und wallenden Hosen, häufig in Gelb- und Orangetönen, sorgte sie für Furore.

Mode allein war Westwood nie genug. Ohnehin hatte sie eine Karriere in der Branche ursprünglich gar nicht im Sinn. „Ich wollte keine Modedesignerin sein“, stellte sie 2009 im Time-Magazin klar. Ein Kunststudium brach sie nach nur einem Semester ab, um eine Ausbildung zur Lehrerin zu machen – mit Kunst als Hauptfach. Ihr Plan: „Ich werde versuchen, Künstlerin zu werden. Und wenn ich keine Künstlerin sein kann, werde ich Lehrerin.“

Über die Jahrzehnte stieg sie weltweit in der Modebranche auf und wurde zu einem Luxuslabel. Ihre Schöpfungen waren auf den Laufstegen in Mailand, Paris und Co. zu sehen. Dort nutzte sie ihre Stimme häufig, um auf globale Probleme aufmerksam zu machen. Auf Umweltschutz, Menschenrechte, Tiermissbrauch, unser Konsumverhalten. 2015 ließ sie sich in einem weißen Panzer zum Privathaus des damaligen britischen Premiers David Cameron fahren, um gegen Gasgewinnung durch Fracking zu protestieren. 2017 setzte sie bei ihrer Schau „Ecotricity“ bei der London Fashion Week die schwerwiegenden Folgen fossiler Brennstoffe in den Mittelpunkt. Sie rief andere Modelabels dazu auf, auf erneuerbare Energien umzusteigen. Noch im vergangenen Jahr sorgte sie mit einem Protest für die Freilassung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange für Aufsehen: Im knallgelben Outfit saß sie vor einem Gerichtsgebäude in London in einem überdimensionalen Vogelkäfig. 

Nachdem Westwood in der Heimat anfangs belächelt und im Fernsehen noch in den späten 1980ern sogar ausgelacht worden war, wurde sie 1990 und 1991 als Britische Designerin des Jahres ausgezeichnet. 2006 wurde sie von Queen Elizabeth II. geadelt. Während Dame Vivienne, so ihr offizieller Titel, im Herzen immer noch Punk war, gehörte ihre Mode längst zum Establishment. Queen-Enkelin Prinzessin Eugenie erschien zur Hochzeit von William und Kate 2011 in einem Westwood-Kleid. Selbst die frühere Premierministerin Theresa May trug einen Hosenanzug von ihr. Hof-Modeschöpferin der Royals wurde sie trotzdem nicht. Der Stil-Ikone Herzogin Kate empfahl sie eine Reduzierung der Zahl ihrer Outfits – aus Gründen des Umweltschutzes.

(mit Material von dpa)