Donnerstag6. November 2025

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Zwischen Hunger und Verschwendung„Teranga“ in Schifflingen will unser Bewusstsein für Essen schärfen

Zwischen Hunger und Verschwendung / „Teranga“ in Schifflingen will unser Bewusstsein für Essen schärfen
Die Initiative von „SOS Faim“ will für die Widersprüche im Nahrungsmittelsystem sensibilisieren und ein anderes Bewusstsein für Ernährung schaffen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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So kann es mit unserer Ernährung nicht weitergehen. Diese Erkenntnis ist der Grund für die Existenz der „Maison de la transition alimentaire“, Teranga, in Schifflingen. Mit seinen Aktivitäten will das Haus für die Widersprüche in der Nahrungsindustrie sensibilisieren, Bewusstsein für die Zusammenhänge schaffen und die Bürger zum Umdenken animieren.

Die Widersprüche beim Thema Nahrung und Lebensmittelbranche sind groß. Es beginnt mit der Tatsache, dass jeder Bürger des Landes 118 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr wegwirft, wovon etwa 48 Kilogramm vermeidbar wären. Das hat die Analyse des Umweltministeriums 2021/2022 ergeben.

Gleichzeitig ist der Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse mit fünf bis sechs Prozent verschwindend klein. Da hilft auch das Gesetzesprojekt, dies mit der Subvention von Gewächshäusern zu ändern, wenig. Das zumindest sagen die Kritiker des Projektes und befürchten, dass die Hilfen eher Großanlagen als Kleinbetriebe fördern. Von denen gibt es allerdings viele in der kleinteiligen Agrarszene des Landes.

Außerdem sind die Produzenten – zumindest, was Obst und Gemüse aus lokaler Produktion angeht – zu wenig oder gar nicht vernetzt. Damit ist man in der Wallonie schon weiter, wie die Kooperative „Canopée“ zeigt. Im weltweiten Maßstab stehen dem laut Welternährungsorganisation (FAO) rund 733 Millionen hungernde Menschen gegenüber und vier große, internationale Player, die über ihre Saatgutmonopole bestimmen, was auf den Teller kommt.

Ein „projet en cours“ und noch ganz jung

Es herrschen in jede Richtung Abhängigkeiten. Nicht nur darauf will Teranga aufmerksam machen. Die Initiative von „SOS Faim“ will dazu animieren, ein anderes Bewusstsein für alles rund um Ernährung zu schaffen. Da ist es nur folgerichtig, dass der Besucher gleich beim Betreten des Hauses zumindest, was die Innenarchitektur betrifft, im Thema ist.

Die großen, farbig abgesetzten Informationen an der Wand gegenüber der Eingangstür umreißen die Problematik und fördern Erschreckendes zutage. 80 Prozent der Hungerleidenden sind an der Produktion von Nahrungsmitteln Beteiligte wie Bauern, Hirten, Fischer und ihre Familien. Zwar ist von den geplanten Fachvorträgen, Workshops und Konferenzen zum Thema, die hier stattfinden sollen, noch nichts zu sehen.

Teranga ist erst seit November 2024 geöffnet, aber die Pläne sind da. Im hauseigenen Garten soll unter Bürgerbeteiligung eine alte Tradition wieder aufleben, der Wert bäuerlichen Saatgutes. So wie früher, als die Bauern aus einem Teil der Ernte die Samen für das nächste Jahr gewonnen haben. In Fachkreisen ist längst bekannt, dass sich regional erzeugte Samen und Pflanzen gut an veränderte Klimabedingungen anpassen.

Zukünftiger Ernährungsrat ist einer der Partner

Genau das ist auf Brüsseler Ebene das Argument für die neue EU-Verordnung zur Gentechnik bei Pflanzen, die bis zu 20 Eingriffe in der DNA erlauben soll. „Ein Schritt in die falsche Richtung“, sagt Danielle Bruck, bei Teranga-Betreiber „SOS Faim“ zuständig für die politische Arbeit. In Schifflingen soll ein Bewusstsein für die Macht des Konsumenten entstehen, der mit seinem Kaufverhalten das Angebot bestimmen kann.

Daneben werben die zukünftigen Aktivitäten für mehr Autonomie von den Big Playern im internationalen Maßstab. Und ganz wichtig: Nicht zu vergessen ist die Aufklärung über die Vorteile lokaler und saisonaler Produkte. „Maisons relais“ der Gemeinde oder Jugendhäuser sind genauso Zielgruppe wie Einzelpersonen. Einer der Partner von Teranga ist der in Gründung befindliche Ernährungsrat.

Der Zusammenschluss von rund 30 öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Forschungsabteilungen sowie Privatpersonen soll, wenn der Gründungsprozess im März 2025 abgeschlossen ist, Empfehlungen an die Regierung aussprechen. „Es geht uns um einen Wandel zu einem System, das sozial gerecht und wirtschaftlich nah bei den Akteuren ist sowie die Ressourcen schützt“, sagt Norry Schneider. Er ist beim Ernährungsratsinitiator, der Umweltbewegung CELL, zuständig für Bürgerbeteiligung.

Teranga geht es um „kleine Schritte“ bei jedem Einzelnen. Das sagt Katie Eitler, bei „SOS Faim“ zuständig für „Global Citizenship Education“. „Wir sind als Bürger Teile einer Gesellschaft und es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt sie. „Schon jede kleine Entscheidung im Privaten hilft.“ Ungleichheiten wie in der Lebensmittelproduktion, dem Lebensmittelsystem und -konsum zerstören den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade den aber will Teranga stärken.

Wo ist das?

Teranga – maison de la transition alimentaire: 35, avenue de la Libération, L-3850 Schifflingen, [email protected], Tel.: +352 49 09 96, www.teranga.lu. Die Öffnungszeiten sind Dienstag, Donnerstag und Samstag von 10.00 bis 18.00 Uhr.