Tageblatt-WM-Kolumne: Mein Gedächtnis vs. Robert Vittek

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Am Samstagabend habe ich das erste Mal richtig gemerkt, dass Fußball-WM ist. Es war vor dem Café, in das ich so gerne gehe, und es war nicht der Fernseher, der sonst nicht da hängt, der mich darauf brachte. Es war das Gespräch mit dem ebenso netten wie geselligen Bekannten, das keine Zweifel mehr aufkommen ließ.

Er hatte da bereits Ägypten gegen Uruguay gesehen und auch Marokko gegen Iran. Gerade lief Dänemark gegen Peru. Er schaute manchmal rüber. Wenn er nicht schaute, setzte er mich mit seinem Fußballwissen unter Druck.

Es war wie gedankliches Gegenpressing. Die Niederlande, sagte er, haben noch nie bei einer WM in einem K.o.-Spiel gegen eine afrikanische Mannschaft gespielt. Er kannte die Torschützen der Slowakei beim WM-Turnier in Südafrika vor acht Jahren. Ich wusste nicht mehr, dass die Slowakei da überhaupt dabei gewesen war. Dabei ist es nicht so, dass ich mich nicht für Fußball interessiere. Aber wen bitteschön interessiert schon der Fußball der Slowaken, fragte ich mich, außer die Slowaken natürlich. Mein Bekannter ist kein Slowake.

In solchen Momenten überkommen mich gerne mal die Selbstzweifel: Wir schauen beide ab und zu Fußball, dachte ich dabei, aber er weiß noch alles, was jemals in einem Spiel passiert ist, und ich weiß eigentlich nichts mehr, sobald abgepfiffen ist – was bedeutet das demnach für mein Gedächtnis? Anders gefragt: Wie macht er das?

Die Antwort fiel kurz und doch erhellend aus: Youtube. Wenn mein Bekannter sich eine Auszeit gönnen möchte vom stressigen Alltag, schaut er sich die Tore vergangener Weltmeisterschaften im Internet an. Immer wieder. Bis er alles weiß und nie wieder etwas davon vergisst und mir – und ich fürchte auch anderen – erzählen kann, dass Robert Vittek in Südafrika vier Tore erzielt hat. Für die Slowakei.

Für was Youtube nicht alles gut sein kann.

Das werde ich mir ab jetzt zunutze machen. Ich werde meine Einkaufslisten filmen, sie hochladen und immer wieder anschauen. Mit meinen To-do-Listen werde ich das auch tun; das könnten allerdings abendfüllende, mit Schreckmomenten gespickte Monumentalstreifen werden, aber egal, vorgenommen ist vorgenommen.

Nur Fußball werde ich mir da nicht anschauen. Der ist mir zu wichtig, als dass ich ihn über den Moment hinaus genießen möchte. Deswegen höre ich jetzt auch auf. Der Klassiker Kolumbien gegen Japan fängt gerade an.