StudieStrenge Hygiene könnte Weg aus dem Lockdown ermöglichen

Studie / Strenge Hygiene könnte Weg aus dem Lockdown ermöglichen
Eine Frau in Schutzanzug nimmt im AWO-Altenzentrum einen Abstrich zur Testung auf das Coronavirus bei einer Mitarbeiterin Foto: dpa/Jonas Güttler

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Eine Studie hat die Corona-Epidemie im besonders schwer getroffenen deutschen Kreis Heinsberg untersucht. Sie zeigt, dass Maßnahmen zur Eindämmung unter strengen Hygieneauflagen gelockert werden könnten. In Luxemburg läuft eine ähnliche Studie an. 

Erste Ergebnisse einer Untersuchung des Virologen Hendrik Streeck wiesen darauf hin, dass – zumindest in Deutschland – mit einer Rücknahme der strengen Auflagen begonnen werden könne. Die Bedingung: Hygienemaßnahmen müssen durch die Bürger weiter streng eingehalten werden. Das sagte Streeck am Donnerstag in Düsseldorf.

Demnach ist die Schwere der Erkrankung offenbar direkt davon abhängig, wie viele Viren bei der Infektion übertragen werden. Wenn strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden, könne die Viruskonzentration bei einem „Infektionsereignis“ so weit reduziert werden, dass es die Erkrankung leicht verlaufe, erklärt Streeck. Die Menschen danach aber trotzdem gegen das Virus immun sein. 

Diese Voraussetzungen seien bei einem „außergewöhnlichen Ausbruchsereignis“ – wie zum Beispiel bei der Karnevalssitzung in Heinsberg, die zu vielen Infizierten geführt hat – nicht gegeben. Wenn die Hygienemaßnahmen aber eingehalten werden, habe dies Auswirkungen auf die Gesamtmortalität. 

15 Prozent der Bewohner infiziert

Streeck untersucht mit einem Forscherteam, wie sich das Virus in der Gemeinde Gangelt ausgebreitet hat, die als Infektionsherd im Kreis Heinsberg gilt. Einem ersten Zwischenergebnis zufolge haben sich rund 15 Prozent der Bewohner mit dem Virus infiziert und sind nun immun. Rund 0,37 Prozent der Infizierten starben der Studie zufolge – die amerikanische Johns-Hopkins-Universität geht dagegen für Deutschland von einer fünffach höheren Quote von1,98 Prozent aus.

Das Netzwerk „Research Luxembourg“, das Akteure in der Forschung und bei der Regierung verknüpft, hat am Mittwoch eine ähnliche Studie angekündigt. Sie soll über ein Jahr die Ausbreitung von Covid-19 in der hiesigen Bevölkerung untersuchen. Dafür sollen 1.500 Menschen in Luxemburg auf das Coronavirus getestet werden. Die Studie nimmt dann die Infizierten unter die Lupe, die keine oder nur milde Symptome zeigen – sogenannte „asymptomatische Personen“. Damit wollen die Forscher Erkenntnisse gewinnen, wie sich das Virus unter den Menschen verbreitet. 

Forscher untersuchten deutsches Corona-Epizentrum

Die deutsche Forschergruppe untersucht im Corona-Epizentrum, der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg, mehr als 1.000 Einwohner. Das entspricht Streeck zufolge rund 400 Haushalten. Der Zwischenstand beruht auf einer Auswertung der Ergebnisse von 509 Menschen und ist laut Streeck damit eine „repräsentative Stichprobe“. Bei rund 15 Prozent der Untersuchten habe sich durch die Infizierung eine Immunität gegen das Virus herausgebildet. Diese erhalte sich zwischen sechs und 18 Monaten. Virologen erwarten, dass die Epidemie bei einer Immunitätsrate ab 60 Prozent verschwindet. Die raschen und strikten Maßnahmen der Politik zur Eindämmung der Epidemie seien richtig gewesen, betonte Streeck.

Die Zuwachsraten im Kreis Heinsberg wiesen eine fallende Kurve aus, sagte der Landrat des Kreises, Stephan Pusch. „Die Zahlen machen Mut.“ Der Kreis sei an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.

Das Coronavirus war im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen erstmals am 25. Februar bei einem Ehepaar aus dem Kreis Heinsberg nachgewiesen worden. Danach hatte sich der Kreis zu einem der am schwersten von der Epidemie in Deutschland betroffenen Gebiete entwickelt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte Anfang April einen zwölfköpfigen Expertenrat einberufen, der Kriterien und Maßstäbe für Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sowie zur einer möglichen Öffnung des sozialen und öffentlichen Lebens entwickelt. Bislang sind alle Maßnahmen nur bis einschließlich19. April verhängt worden.

Laschet hatte sich für eine Strategie zum Rückbau der Beschränkungen ausgesprochen: „Wir brauchen einen Fahrplan in eine wachsame, verantwortungsvolle Normalität.“ Dies solle auch bei einer Schaltkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ländern am Mittwoch erörtert werden. Laschet zufolge ist die Studie ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer Entscheidung. Es werde nicht auf einen Schlag gehen, sondern behutsam, sagte der Ministerpräsident später im Landtag. „Aber dass wir nach Ostern diesen Versuch wagen sollten, davon bin ich heute überzeugt.“ Es müsse in den nächsten Wochen geklärt werden, was das für Kitas, Schulen, für Geschäfte oder für Großveranstaltungen bedeute.

florent
10. April 2020 - 12.59

Der Mann ist uns offensichtlich nie begegnet.