Donnerstag23. Oktober 2025

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10 Jahre nach dem ReferendumStimmungswandel in Luxemburg? Mehrheit der Einwohner befürwortet Ausländerwahlrecht

10 Jahre nach dem Referendum / Stimmungswandel in Luxemburg? Mehrheit der Einwohner befürwortet Ausländerwahlrecht
Zeichnet sich ein Paradigmenwechsel bei den Einwohnern Luxemburgs ab? Foto : Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Zwei Drittel der Einwohner und 58 Prozent der Wahlberechtigten in Luxemburg befürworten laut einer Ilres-Umfrage ein Ausländerwahlrecht – ein klarer Stimmungsumschwung seit dem Referendum 2015.

Das Ergebnis einer rezenten Ilres-Umfrage mag überraschen: 58 Prozent der 574 befragten Wahlberechtigten in Luxemburg sprechen sich für ein Ausländerwahlrecht aus. Unter den insgesamt 1.012 Befragten – also einschließlich jener Personen, die derzeit nicht wählen dürfen – liegt die Zustimmung sogar bei 66 Prozent. Noch vor zehn Jahren sprach sich beim Referendum eine klare Mehrheit von fast 80 Prozent der wahlberechtigten Einwohner gegen ein solches Wahlrecht aus.

Ziel der vom Verein „Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés“ (ASTI) in Auftrag gegebenen Umfrage war es, den Puls der Zeit zu fühlen, wie Charel Margue, Verwaltungsratsmitglied der ASTI, am Dienstag im Interview mit Radio 100,7 erklärte.

Mit dieser Umfrage habe die ASTI die Diskussion um das Ausländerwahlrecht zumindest wieder angestoßen – eine Diskussion, die seit dem Referendum weitgehend tabu gewesen sei. Margue räumte jedoch ein, dass das Thema derzeit politisch keine Priorität habe: Es sei ein „Non-Thema“, sagte er, und demnach seien kurzfristige Änderungen nicht zu erwarten.

Ein Sinneswandel?

Die demografische Situation in Luxemburg ist in der Tat sehr besonders: 48 Prozent der Einwohner besitzen keine luxemburgische Staatsangehörigkeit und sind daher von Wahlen ausgeschlossen. „Dieses demokratische Paradoxon untergräbt zunehmend die Legitimität des derzeitigen politischen Systems“, heißt es auf der Webseite der ASTI.

Doch Gesellschaften und Einstellungen verändern sich mit der Zeit. Auch die Zusammensetzung der Wählerschaft habe sich sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Struktur gewandelt, erklärt Margue im Gespräch mit dem Tageblatt. Ein Teil der Wähler aus dem Jahr 2015 sei inzwischen gestorben, neue seien hinzugekommen. Menschen mit multiplen Herkünften, gemischte Familien und die doppelte Staatsbürgerschaft hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt. „Dadurch hat sich in unserer Gesellschaft eine andere Dynamik entwickelt“, meinte Margue gegenüber Radio 100,7.

So betreffe der Sinneswandel nicht nur das Ausländerwahlrecht, sondern auch die Einstellung gegenüber Grenzgängern. Noch vor zwei bis drei Wahlperioden habe man in Luxemburg gemischte Gefühle gegenüber dieser Gruppe wahrnehmen können. Die Haltung habe sich komplett gewandelt – vielleicht mit Ausnahme der Beschwerden wegen der verstopften Autobahnen. „Heute weiß jeder, dass Luxemburg ohne Grenzgänger nicht funktionieren kann. Wir haben das akzeptiert – und können uns das Land ohne sie nicht mehr vorstellen“, sagt Margue dem Tageblatt.

Umfrageergebnisse im Detail

Die Ilres-Umfrage zeigt, dass die Zustimmung zum Ausländerwahlrecht unabhängig vom Alter relativ konstant ist. Unterschiede gibt es allerdings zwischen den Geschlechtern: 70 Prozent der befragten Frauen befürworten das Ausländerwahlrecht, bei den Männern sind es 61 Prozent. Unter den Wahlberechtigten liegt die Zustimmung bei 65 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer.

Auch die Staatsangehörigkeit spielt eine Rolle: 56 Prozent der Luxemburger ohne weitere Staatsbürgerschaft, 65 Prozent der Doppelstaatsbürger sowie 75 Prozent der Nicht-Luxemburger sprechen sich für ein Wahlrecht für Ausländer aus.

Einen weiteren Einblick liefern die politischen Präferenzen der Befragten: Am stärksten ist die Zustimmung bei den Wählern der Partei „déi gréng“ mit 87 Prozent. Es folgen Wähler der Piratenpartei mit 77 Prozent sowie „Déi Lénk“ und die LSAP mit jeweils 68 Prozent. Etwas über die Hälfte der DP- und CSV-Wähler unterstützt das Ausländerwahlrecht – 57 bzw. 55 Prozent. Deutlich ablehnend zeigen sich hingegen die Anhänger der ADR – hier befürworten lediglich 22 Prozent das Ausländerwahlrecht.

Bürgerkammer für gerechtere politische Vertretung

Margue zeigt sich im Gespräch mit dem Tageblatt überzeugt, dass die Teilnehmenden der Umfrage ihre Antworten rational und weniger von Emotionen geleitet abgegeben haben – anonym, unbeeinflusst, vor einem Bildschirm. Beim Thema Ausländerwahlrecht schwinge zwar bei vielen Luxemburgern eine gewisse Angst vor Fremdbestimmung mit, räumt er ein. Doch stellt er die Frage: „Können wir es uns in diesen Zeiten wirklich leisten, die Hälfte der Bevölkerung von politischer Mitbestimmung auszuschließen?“ Und weiter: Wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt heute dieselbe, wenn auch Nicht-Luxemburger hätten wählen dürfen?

Um den sozialen Zusammenhalt weiterhin zu gewährleisten, fordert die ASTI eine demokratische Neugestaltung Luxemburgs, in der alle Gesellschaftsschichten politisch vertreten sind. In diesem Zusammenhang unterbreitet die Organisation zwei zentrale Vorschläge: Zum einen soll allen Einwohnerinnen und Einwohnern nach einer angemessenen Aufenthaltsdauer das Ausländerwahlrecht gewährt werden. Zum anderen schlägt die ASTI die Einrichtung einer „chambre des citoyens“ vor – einer Bürgerkammer, die an die Abgeordnetenkammer angegliedert werden soll.

Diese Bürgerkammer soll das Parlament in seiner legislativen Arbeit durch Überlegungen und konkrete Vorschläge unterstützen. Aus Sicht der ASTI ist ihre Einrichtung notwendig, da die derzeitige Zusammensetzung der Abgeordnetenkammer „nicht mehr die soziodemografische Zusammensetzung der Bevölkerung des Landes und noch weniger die Bedeutung der Grenzgänger, von denen unsere Wirtschaft in hohem Maße abhängt, widerspiegelt“.

fraulein smilla
5. Juni 2025 - 14.39

Als die Kompagne vor 10 Jahren losging lagen die Prognosen bei 50-50 . Je mehr Leute sich damals berufen fuehlten ihren Senf pro Auslaenderwahlrecht dazu zugeben , von der UEL bis zum Erzbischof desto mehr kippte die Stimmung in Richtung gegen das Auslaenderwahlrecht .Ergo diese Umfrage und was ILRES Umfragen wert sind , das wissen wir spaetens seit den letzten Chamberwahlen machen das Referendum von 2015 noch lange nicht obsolet .

DanV
5. Juni 2025 - 14.05

„sozio-historisch konstruierten Charakters des Konzepts der "Nation"“

Dieses Konzept hat für die Nachkriegsgenerationen eine ganz konkrete Bedeutung. Die einzige Distanzmöglichkeit zu den Nazis war die luxemburgische Nationalität.

Viele Luemburger, die noch Großeltern haben/hatten, die den Krieg als Kind oder Erwachsener erlebt und davon erzählt haben, wurden durch dieses Konzept in Kindertagen geprägt. Für diese Menschen hat die Nation nichts Konstruiertes.

Ich habe sogar noch die Originale der Personenstandsaufnahme von 1941 meiner Großeltern, als Zeugnis, was Nationalität damals bedeutet hat.

Die Kriegsgeneration stirbt aus, wie Margue so empathielos und doch richtig sagt, aber die Geschichten und das Gefühl der Nation werden von Kindern und Kindeskindern weitergetragen.

Die ISTA kann noch mal anklopfen, wenn die Nachkriegsgenerationen (1945 bis +- 1990 oder auch noch später geboren) nicht mehr im Wahlalter sind …

Reinertz Barriera Manfred
5. Juni 2025 - 9.34

Wer's glaubt wird selig, ASTI erzählt uns Märchen, wishful thinking, das Referendum war glasklar ....und heute ist dem auch noch so, wenn man ein neues Referendum abhalten wollte..

Feierwôn
4. Juni 2025 - 15.37

Roude Léiw huel se.

HeWhoCannotBeNamed
4. Juni 2025 - 14.53

@DanV
Ich kann dieses Argument nachvollziehen. Aber auf die Frage, wieso ihr Bekannter denn über das Wahlrecht verfügen sollte, würde ich antworten : weil er hier wohnt und arbeitet! Er ist ein Luxemburger Bürger, der zur Gesellschaft dazugehört - oder etwa doch nicht, nur weil er sich als "italienisch" identifiziert? Kurz : welches Konzept hat Vorrang, das der Nationalität oder das der "Bürgerschaft"? Und weil ich mir des sozio-historisch konstruierten Charakters des Konzepts der "Nation" bewusst bin, tendiere ich zur 2.Option ...

DanV
4. Juni 2025 - 13.56

@ HeWhoCannotBeNamed

Aber klar, Schubladen sind ja so praktisch. Bitte notieren: man kann sehr wohl zu Mitte links tendieren und trotzdem gegen ein Ausländerwahlrecht sein.

Ich wäre eher dafür, die Sprachtests in den Konditionen für die Einbürgerung zu ändern. Man sollte mindestens eine der offiziellen Sprachen sprechen können (Luxemburgisch, Deutsch oder Französisch). Luxemburgisch als Bedingung ist nicht nötig. Schliesslich geht es im Alltäglichen um Verständigung und nicht um Ideologie.

DanV
4. Juni 2025 - 13.29

Eng Erfarung: E Bekannten, Italiener, hei gebuer a schwätzt perfekt Lëtzebuergesch, war nom Referendum total beleidegt. Op d’Fro, firwat heen net scho laang och d’lëtzebuerger Nationalitéit hätt, well sech d’Fro da jo net géif stellen, war heen entsat: „Ech sinn Italiener an ech bleiwen Italiener“.

Wisou soll deen hei wiëlen? Hee steet net wierklech zu Lëtzebuerg. An heen ass net deen eenzegen…

DanV
4. Juni 2025 - 12.41

Et freet sech, wéi d'Froe gestallt gi sinn. Heinsto sinn se esou suggestiv, dass ee guer net anecht kann.
Z.B. multiple Choice mat inacceptablen Alternativen, Faangfroen oder schlecht gestallte Froen. Hat ech alles schonn, och bei der Ilres.

D'Weltpopulatioun wiisst, d'Awunnerzuel zu Lëtzebuerg wiisst, an d'Lëtzebuerger ginn am Verhältnis ëmmer manner.

Eng Persoun, déi hei wëll wiëlen, soll sech kloer fir Lëtzebuerg entscheeden an duerch hir Nationalitéit zu Lëtzebuerg stoen. Jiddfereen ass häerzlech wëllkomm.

Wa mer Wäert op eis Nationalitéit halen, a weider Stabilitéit wëllen hunn, da brauche mer méi Lëtzebuerger duerch Abiergerung a keen Auslännerwalrecht. „Walhopper“ kënne mer net gebrauchen.

Ech ginn nach méi wäit a stelle fest, dass mer KEEN Demokratiedefizit hunn. Auslännesch Matbierger hunn de Choix, sech mat duebler Nationalitéit abiergeren ze loossen an si maachen dovu BEWOSST KEE Gebrauch. Si sinn also total fräi an hieren Décisiounen. Wou ass do den Defizit?

HeWhoCannotBeNamed
4. Juni 2025 - 12.20

Wie wär's mit einem neuen Referendum - diesmal ohne Vermischung verschiedener Themen und ohne "Wahlempfehlung" der Regierung (meines Erachtens zwei grobe Fehler der damaligen Regierung)?

HeWhoCannotBeNamed
4. Juni 2025 - 12.20

Logisch, dass sich zu diesem Thema wieder die Rechtsaußen-Freunde versammeln...
Aber lassen wir mal die übliche Immigration-Polemik zur Seite : die Studie wurde zwar von der Asti in Auftrag gegeben, aber von einem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut umgesetzt. Zweifeln Sie deren Repräsentativität oder Unbefangenheit an? Meinetwegen, aber dann bitte argumentiert - oder geben Sie eine eigene Studie in Auftrag!
Zugegeben : der Unterschied von 2015 zu 2025 kann Fragen aufwerfen. Die Gründe dazu aber können vielfältig sein (demografische Entwicklung; Unterschied Referendum-Meinungsumfrage; etc).

CESHA
4. Juni 2025 - 11.08

Ich bin nach wie vor gegen ein Ausländerwahlrecht: Wer mitbestimmen will, soll sich einbürgern lassen.

Dunord Hagar
4. Juni 2025 - 4.54

D‘Asti mecht erem dat, wat sie gutt kënnen… nämlech stëppelen! Souwisou 1012 „ausgewielten“ Leit sin guernet representativ. En plus soen sie, dass d‘Land sech an deenen leschten 10 Joer bezüglech Auslänner geännert hätt… ma da wëll ech laut hirer Definitioun guernet wëssen wéi et an deenen nächsten 10 Joer soll ausgesinn… abé Merci!

Wulfrik
3. Juni 2025 - 16.48

Dass sech daat gedreint huet ass jo normal, weivil „richtech“ letzebuerger hun mir nach am Land 20%? Wenn net Manner, zum aneren hun mir (och wenn hei vun 48% geschwat gett) en Demokrateschen defizit wou eng minoriteit iwer eng Majoriteit wielt, daat war schon laang dem Asti en dar am aa. Do Asti sech just em interessen vun den Auslänechen kemmert wonnert daat keen.

De staat huet hei kloer versoot amplatz eng anstänech integrations Politik an en anstänechen integrations Programm ze lanceiren hun se Land verkommen gelos, resulat: Paralellgesellschaften duerch ganz Land.
An daat weart na vill schlemmer gin, do wenn et keen gemeinsamen konsens gett et emmer zu reiwereien kennt

Stip
3. Juni 2025 - 15.36

Welche Luxemburger? Die luxemburger Luxemburger oder die ausländischen Luxemburger. Die Asti arbeitet immer noch, unter anderem mit doppeltem Boden. :((