ForumSteuergerechtigkeit als Grundlage der Demokratie: Warum eine Vermögenssteuer für Hochvermögende nicht nur die Steuergerechtigkeit stärken würde

Forum / Steuergerechtigkeit als Grundlage der Demokratie: Warum eine Vermögenssteuer für Hochvermögende nicht nur die Steuergerechtigkeit stärken würde
  Foto: dpa/Monika Skolimowska

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„The growth of inequality […] can also be linked in many ways to the erosion of democracy“, schrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz in einem rezenten Kommentar im „Guardian“. Die Steuerpolitik begünstigt die Reichen, so Stiglitz weiter und wirft die Frage auf: „In this context […] should we be surprised that so many people view the growing concentration of wealth with suspicion, or that they believe the system is rigged?“

Stiglitz hat recht: Eine fundamentale Grundlage für das Vertrauen in demokratische Institutionen ist die Steuergerechtigkeit. Gibt es sie nicht, so entsteht der berechtigte Eindruck, dass nicht alle in fairem Maße zum Gemeinwohl beitragen. Denn Steuern sind kein Selbstzweck, sondern die Grundlage für die Finanzierung unseres Zusammenlebens und von öffentlichen Dienstleistungen, von denen wir alle profitieren. Außerdem benötigen wir massive finanzielle Ressourcen, um in Bereichen wie der Bildung, dem Wohnungsbau, der Mobilität und dem Klimaschutz in den kommenden Jahren weiter massive Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. Um dies fair zu finanzieren, führt ein Weg über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Privatpersonen.

Bei der Diskussion um die Wiedereinführung der Vermögenssteuer geht es, anders als es Kritiker gerne behaupten, nicht um Neid. Im Gegenteil, gemäß dem Prinzip der Leistungsfähigkeit soll jeder, gemessen an seinem Wohlstand, einen entsprechenden Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Die steuerliche Leistungsfähigkeit zeigt sich im Einkommen, im Profit, aber natürlich auch im Vermögen.

Viele Hochvermögende sind bereit, höhere Steuern zu zahlen – weil sie einen Sinn für Gerechtigkeit haben und Verantwortung für die Gesellschaft tragen wollen. So setzt sich z.B. im deutschsprachigen Raum ein Zusammenschluss aus Vermögenden unter der Initiative taxmenow für mehr Steuergerechtigkeit ein und thematisiert dabei auch die Einführung einer Vermögenssteuer für Privatpersonen.

Damit eine solche Wiedereinführung der Vermögenssteuer gelingen kann, sollte man allerdings aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

Rückblick: eine Vermögenssteuer ohne Wirkung

Die Idee der Vermögenssteuer ist keineswegs neu. In Luxemburg gab es in der Vergangenheit bereits eine Vermögenssteuer auf das Nettovermögen von Privatpersonen, welche von 1934 bis 2005 erhoben wurde. Dies war jedoch eine Steuer, die statt Hochvermögenden vor allem durchschnittliche Steuerzahler traf und von Vielen über die Nicht-Deklarierung ihres Vermögens umgangen wurde: „la population résidente n’est soumise au titre de l’impôt sur la fortune que des biens et des valeurs d’un montant égal au prix des voitures particulières immatriculées au Luxembourg“; somit handelte es sich um eine im Endeffekt wirkungslose Steuer.

Im Jahr 2003 lieferte das „Comité pour le développement de la place financière“ einen weiteren „Grund“ für die Abschaffung der Vermögenssteuer für Privatpersonen. In einer Analyse entwickelte das Komitee Wege, um die Verwaltung des persönlichen Vermögens von sehr vermögenden Privatpersonen – den sogenannten „high net worth individuals“ – in Luxemburg zu fördern. Zu diesem Zweck empfahl man eine grundlegende Neugestaltung des Steuersystems für Vermögen.

Diese Argumentation schien zu verfangen, so liest man im Bericht der Abgeordnetenkammer zur Abschaffung der Vermögenssteuer: „le projet de loi répond de la sorte à une demande de la communauté bancaire luxembourgeoise qui souhaite rendre encore plus attrayant le système luxembourgeois des impôts directs dans un environnement doté déjà de règles fiscales avantageuses au niveau des droits de succession“, um dann sofort wieder zu relativieren, „l’objectif primaire du projet de loi n’est pas d’attirer une foule d’étrangers fortunés“, und zu schlussfolgern „la nouvelle imposition des revenus de l’épargne représente une réduction substantielle de la charge fiscale sur les revenus concernés et par là un encouragement certain de l’épargne“ – und wer möchte sich schon solchen lobenswerten Absichten in den Weg stellen.

Statt also aus der wirkungslosen Steuer eine sinnvolle Vermögenssteuer zu machen, wurde diese abgeschafft. Dabei gab es damals auch Stimmen, die vor der Abschaffung der Vermögenssteuer für Privatpersonen warnten. So etwa der damalige Direktor der „Administration de l’enregistrement et des domaines“, Paul Bleser, welcher 2004 im Lëtzbuerger Land schrieb: „L’abolition de l’impôt sur la fortune constituerait un pas fatal dans la mauvaise direction: À déconseiller!“.

Ungleiche Verteilung der Vermögen in Luxemburg

Auch wegen der Abwesenheit einer effektiven Vermögenssteuer klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. In Luxemburg konzentriert sich das private Vermögen in sehr wenigen Händen. 2017 hat die luxemburgische Zentralbank die Anteile am gesamten Nettovermögen der Haushalte analysiert. Laut dieser Studie besaßen 2014 in Luxemburg die reichsten 5% der Haushalte rund 37% des Gesamtvermögens, während die reichsten 20% fast zwei Drittel des Gesamtvermögens besaßen. Dies entspricht einer starken Konzentration an der Spitze der Nettovermögensverteilung. Im Gegensatz dazu ist hervorzuheben, dass die 50% der Haushalte mit dem geringsten Vermögen weniger als 9% des gesamten Nettovermögens besaßen.

Bei unveränderter Steuerpolitik dürfte die Vermögenskonzentration weiter anwachsen: Die Vermögenden müssen einen erheblich kleineren Teil ihres Einkommens für Primärbedürfnisse aufwenden und können somit einen größeren Anteil ihres Einkommens „sparen“ als der Rest der Bevölkerung. Dies erlaubt es ihnen durch klassisches Sparen oder gezieltes Investieren mehr Vermögen anzuhäufen, was wiederum zusätzliches Einkommen generiert und die Vermögenskonzentration weiter verschärft.

All dies zeigt, dass unser Steuersystem im Sinne einer gerechteren Besteuerung von hohen Vermögen reformiert werden muss. Tatsächlich würden alle davon profitieren. Denn sogar Vermögende selbst haben ein großes Interesse daran, die „Ungleichheit“ in einem gesellschaftlich vertretbaren Rahmen zu halten. Ein Multimillionär wäre nichts ohne die Infrastruktur, die ihn mit dem Rest der Welt verbindet, das Kanalsystem, über das das Abwasser abläuft, die Lehrer, die seinen Steueranwälten und Ärzten das Lesen beigebracht haben, ganz zu schweigen von den Gesetzen und Gerichten, die sein Eigentum schützen! Darüber hinaus bringt auch das größte Vermögen der Welt langfristig nichts mehr, wenn es dem Staat an finanziellen Ressourcen fehlt, um genügend in Klimaschutz zu investieren und somit die Klimakrise abzuwenden.

Auch bei den Vermögenden müsste also die Einsicht einkehren, dass eine langfristige Absicherung ihres Vermögens nur über eine gerechtere Steuerpolitik und eine gerechtere Verteilung der Steuerlasten gelingen kann.

Wie die neue Vermögenssteuer aussehen könnte

Damit man wirklich von einer Vermögenssteuer im wortwörtlichen Sinne sprechen kann, sollte es hohe persönliche Freibeträge geben, damit nicht die Mittelschicht, sondern die wirklich Vermögenden besteuert werden. „Déi gréng“ schlagen vor, den Wohnsitz von der Steuer freizustellen und einen zusätzlichen Freibetrag von einer Million Euro vorzusehen, während die LSAP einen Freibetrag von 2,6 Millionen Euro in ihrem Wahlprogramm vorschlägt. Berücksichtigt man, dass das durchschnittliche Nettovermögen eines Haushalts bei ungefähr 900.000 Euro liegt, visieren beide Parteien ganz klar die Hochvermögenden und möchten von ihnen eine gemessen an ihrem Vermögen bescheidene, für die Gesellschaft aber umso wertvollere und bedeutendere Beteiligung an der Finanzierung unseres Gemeinwohls einfordern.

Neben den hohen Freibeträgen sollte bei der Ausarbeitung der Vermögenssteuer sichergestellt werden, dass es zu keiner Substanzbesteuerung von Unternehmen kommen kann. Hierfür müssen Verschonungsregeln für Vermögen, das für die Aufrechterhaltung des Betriebs dient (Betriebsvermögen), vorgesehen werden. Niemand soll gezwungen werden, Teile des Betriebs zu veräußern, nur um die Vermögensteuer bezahlen zu können. Hinzu kommt, dass die Vermögenssteuer immer nur auf das Nettovermögen anfällt, was bedeutet, dass etwaige Schulden herausgerechnet werden. Zum anderen, neben den Freibeträgen, dem Sicherstellen des Betriebsvermögens, sollte auch der Steuersatz maßvoll und dementsprechend niedrig sein. Hohes Vermögen soll nicht bestraft, sondern angemessen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden.

Kritiker der Vermögenssteuer argumentieren, die Vermögenssteuer sei unverhältnismäßig, weil sie einer doppelten Besteuerung entspreche, da auf das besteuerte Vermögen vorher bereits Einkommenssteuer erhoben wurde. Hierzu gibt es zwei Dinge zu sagen: Zum einen gibt es auch im Kontext der Mehrwertsteuer heute schon eine „doppelte Besteuerung“, da auch hier bereits Einkommenssteuer gezahlt wurde. Zum anderen fungiert die Vermögenssteuer als Korrektiv, um gegen exzessive Vermögensungleichheiten vorzugehen, die andere Steuern, darunter auch die Einkommenssteuer, nicht zu verhindern wissen.

Ein weiteres Argument gegen die Vermögenssteuer sei, dass das erhobene Geld weniger in der Privatwirtschaft investiert wird. Hier muss man unterstreichen, dass, wenn der Staat mit dem Geld aus der Vermögensteuer z. Bsp. in Infrastruktur investieren würde, davon zuerst einmal die Handwerksbetriebe profitieren würden. Die Vorstellung, wonach die Einnahmen einer Vermögenssteuer dem Wirtschaftskreislauf entzogen wären, ist falsch; vielmehr könnten diese staatlichen Mehreinnahmen mehr staatliche Investitionen auslösen, welche wiederum private Investitionen nach sich ziehen würden. Das Geld bleibt also in der Wirtschaft, mit dem Unterschied, dass es der Allgemeinheit dient.

Auch um den Wechsel weg von fossilen Brennstoffen hin zu Erneuerbaren zu beschleunigen und den Zugang zu Kapital für die fossile Brennstoffindustrie zu verteuern, wäre eine progressive verhältnismäßige Vermögenssteuer mit einem Zuschlag für Umweltverschmutzung ein möglicher Weg. Diese würde nicht nur den Umweltimpakt ökonomisch unattraktiv machen, sondern auch zur Finanzierung der zusätzlichen Investitionen, die für die Abschwächung des Klimawandels notwendig sind, beitragen. Luxemburg könnte eine solche Steuer national einführen und somit als internationales Modell dienen und mit Verweis auf die nationale Gesetzgebung könnte Luxemburg glaubwürdig auf der internationalen Bühne für eine solche internationale Steuer eintreten.

Aktive Fiskalpolitik statt Laissez-faire

Als Gegenpol der Befürworter einer aktiven Fiskalpolitik treten derzeit jene auf, die argumentieren, dass Steuersenkungen das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen würden, sodass der Staat am Ende mehr Steuern einnehme. Erhard Eppler merkte hierzu bereits an: „Würde die Gleichung: weniger Steuern gleich mehr Steuern wirklich stimmen, so gäbe es in der Tat kein vernünftiges Argument gegen kontinuierliche Steuersenkungen bis in die Nähe der Nullgrenze. Und jeder Politiker, der die Steuern nicht senkt, wäre einfach dumm.“

Ein steuerpolitisches Laissez-faire ist deshalb der falsche Weg. Die großen Herausforderungen unserer Zeit erfordern eine aktive Steuerpolitik, die nicht die Ideen der 80er Jahre neu aufwärmt, sondern neue Wege geht und die Zukunft gestaltet.

Die Einführung einer Vermögenssteuer für hochvermögende Privatpersonen wäre im Sinne einer aktiven Fiskalpolitik ein geeignetes steuerpolitisches Instrument, das dem luxemburgischen Staat wieder ein Mittel in die Hand gibt, um dem Anstieg der sozialen Ungerechtigkeiten nachhaltig entgegenzuwirken, Fairness bei der Finanzierung staatlicher Aufgaben sicherzustellen, dringend nötige Zukunftsinvestitionen zu finanzieren und dabei einen wichtigen Beitrag zum guten Zusammenleben und für eine stärkere Demokratie zu leisten.

Fabricio Costa, 28 Jahre, ist Politologe, Co-Sprecher von „déi jonk gréng“ und Kandidat bei den Nationalwahlen („déi gréng“). Max Leners, 30 Jahre, ist Anwalt und Kandidat bei den Nationalwahlen (LSAP).

F.Wagner
20. September 2023 - 18.21

Was labert Leners : in Luxemburg gibt es fast keine Hochvermögende! Ich nehme an, dass jeder der 1000 Euro mehr als Leners verdient hochvermögend ist. Welch ein Quatsch, Tatsache ist, dass diese Leute Luxemburg meiden, weil es weder angepasste Häuser gibt noch Einkaufsmöglichkeiten. Wer will schon dauernd nach Paris, London oder Zürich zum Einkaufen fliegen?! Und Junge Luxemburger kommen nicht zurück nach Luxemburg oder wandern aus, nicht wegen den Wohnungspreisen, sondern weil Luxemburg ein Provinznest ist, burokratisch und inkompetent verwaltet.

Zeltzaam
14. September 2023 - 15.18

Fortune tax gives more justice ?
If you need fortune tax in a capitalistic system, your system has a failure. You earn money, respect all the rules, and then somebody wants additional tax. That smells heavily like envy.
The authors try to give the opinion that the government spend tax to the benefit of local society and general well being. That is not the case, unfortunately, i.e. donation of Lux government to EU corona fund of net 1300 Million €, without condition or control.
A lot of people will agree with the statement, that if I would spend money like the state, I would be several times bankrupt.
The state does not need additional tax, but more wisdom with spending.