Die Entscheidung der Stadt Esch, den Gebäudekomplex des „Ciné Ariston“ nicht zu kaufen, dominierte die Haushaltsdiskussionen, die am Montag im Gemeinderat geführt wurden. Ansonsten fehlte den Oppositionsparteien LSAP und „déi Lénk“ vor allem eine langfristige Vision der CSV-„déi gréng“-DP- Mehrheit für die Stadt Esch. Rat Marc Baum sprach im Zusammenhang mit dem Budget von „erdrückender Mittelmäßigkeit“.
Die Finanzsituation der Stadt Esch sei heute so gut wie schon lange nicht mehr, erklärte Rat Marc Baum („déi Lénk“). Das liege nicht nur an den Mehreinnahmen durch die Gemeindefinanzreform des LSAP-Innenministers Dan Kersch, sondern auch an der schlechten Durchführungsrate der neuen Mehrheit. Im vergangenen Jahr seien von den im Haushalt 2018 geplanten 113 Millionen nur 67 Millionen Euro ausgegeben worden. Das entspreche einer Umsetzungsrate von lediglich 59 Prozent, monierte Baum. Dabei wachse die Stadt Esch ständig, deshalb müsse investiert werden. „Es geht nicht voran“, kritisierte der Oppositionsrat und gebrauchte damit eben den Satz, mit dem die Escher CSV 2017 die Gemeindewahlen gewonnen hatte. Dass die neue Sporthalle in Lankelz bis Ende 2021 fertig sein soll, sei nicht realistisch. Für das geplante Sportmuseum in Lallingen sei noch keine Studie vorgesehen. Auch die Fahrrad- und Fußgängerverbindung zwischen Belval und dem Escher Zentrum lasse noch immer auf sich warten.
Versäumnisse stellte Marc Baum auch in der Sozial- und Umweltpolitik fest. Das neue Abrisud werde dringend benötigt, das „Office social“ brauche mehr Platz und Personal, das Escher Lokal der „Stëmm vun der Strooss“ platze aus allen Nähten. Im Umweltbereich seien nur wenige Akzente im Haushalt zu finden, so Baum. Dabei werfe die gemeindeeigene Gesellschaft „Sudstroum“ ausreichend Gewinne ab, die die Stadt in erneuerbare Energien investieren könne. Allgemein zeigte sich Baum enttäuscht über die mangelnde Dynamik und die fehlenden Visionen des Schöffenrats, was ihn dazu veranlasste, von einem Budget von „erdrückender Mittelmäßigkeit“ zu reden.
„Cadeau empoisonné“?
Die frühere Bürgermeisterin und LSAP-Fraktionssprecherin Vera Spautz konfrontierte Bürgermeister Mischo am Montag mit seiner Aussage von vor zwei Wochen, die Haushaltsvorlage 2017 der vorigen rot-grünen Mehrheit sei ein Wahlkampfbudget und ein „Cadeau empoisonné“ gewesen. Diese Aussage sei nur schwer nachzuvollziehen, denn viele der Schul- und Betreuungseinrichtungen sowie andere Großprojekte, mit denen die neue Mehrheit sich jetzt rühme, seien schon vom vorigen Schöffenrat geplant worden, sagte Spautz. „Ist ein Invest in Schulen und ‚Maisons relais‘ ein ‚Cadeau empoisonné‘? Sind das Resistenzmuseum, die Baumhäuser, die Sporthalle und Initiativen wie CIGL oder BENU etwa ‚Cadeaux empoisonnés‘?“, entrüstete sich die LSAP-Rätin.
Bürgermeister Mischo hatte bei der Haushaltsvorstellung von 100 neuen Projekten gesprochen, die die neue Mehrheit präsentieren könne. In diesem Zusammenhang forderte Vera Spautz eine detaillierte Liste mit all diesen 100 Projekten. Schließlich stellte auch sie fest, dass insbesondere die CSV nun Opfer ihrer eigenen Es-geht-nicht-voran-Kampagne geworden sei und dass die angekündigten Visionen der neuen Mehrheit fehlten.
Der ehemalige Schulschöffe Jean Tonnar (LSAP) zog ähnliche Schlüsse und stellte fest, dass sogar die vergangene Woche vom Bürgermeister vorgestellten 750 neuen Schul- und 880 Betreuungsplätze noch größtenteils von der vorigen Mehrheit geplant worden seien.
Rätin Line Wies („déi Lénk“) vermisste eine klare Aussage, bis wann diese Plätze denn zur Verfügung stehen sollen. Wies vermisste auch nachhaltige Investitionen in die Kultur und forderte ein Escher Lokalmuseum, während Tonnar Versäumnisse des Schöffenrats in den Bereichen Kultur (ungeklärte Zukunft der Gebläsehalle auf Belval) und Wirtschaftsförderung (Leerstand im Zentrum weitet sich aus) ermittelte.
Was ist mit der öffentlichen Sicherheit?
Abschließend warb Tonnar im Zusammenhang mit der fehlenden Verbindung zwischen Esch und Belval erneut für sein Seilbahnprojekt und erhielt dabei die Unterstützung seiner früheren Schöffenkollegen Dan Codello und Henri Hinterscheid.
Letzterer beschäftigte sich genau wie seine Parteikollegin, die künftige LSAP-Innenministerin Taina Bofferding, für die es am Montag wohl die vorerst letzte Gemeinderatssitzung war, vor allem mit Detailfragen zu verschiedenen Budgetposten.
Zu den rund 50 Neueinstellungen, mit denen sich die Mehrheit bei der Budgetvorstellung gebrüstet hatte, meinte die LSAP, dass man nur die Leute einstellen solle, die auch wirklich gebraucht würden, und forderte ein Organigramm, um sich einen Überblick über die Personalstruktur zu verschaffen.
Bofferding kritisierte auch, dass sich im Bereich der öffentlichen Sicherheit nicht viel in Esch getan habe und vermisste diesbezüglich konkrete Ideen. Zudem habe das „Comité local de sécurité“ sich in diesem Jahr erst einmal getroffen. Nicht zuletzt wollte die Noch-Rätin wissen, wieso die kommunalen Subsidien für die Kulturvereine nicht erhöht würden, während die Zuschüsse für die Sportvereine vor einigen Monaten verdoppelt worden seien.
Die Mehrheitsräte Christian Weis, Bruno Cavaleiro und Tom Bleyer (alle CSV), Daliah Scholl (DP) und Luc Majerus („déi gréng“) lobten allesamt das „gute, handfeste und richtungsweisende“ (Weis) Budget, das die Lebensqualität fördere (Scholl) und „in der Kontinuität“ stehe (Majerus). Luxuriöse, überflüssige oder unvorsichtige Ausgaben würden vermieden, meinte Majerus, der die erdrückende Mittelmäßigkeit der erdrückenden Ausschweifung vorzieht. Am Freitag wird der Schöffenrat die Fragen der Oppositionsräte beantworten. Im Anschluss wird über den Haushalt abgestimmt.
Ariston: (K)eine Investition in das kinematografische Erbe
„Ja, wir haben uns dagegen entschieden. Ja, es stand im Koalitionsvertrag“, gestand der Escher „Député-maire“ Georges Mischo (CSV) am Montag, noch bevor die Diskussionen über den Haushaltsentwurf 2019 beginnen konnten. Der Schöffenrat habe sich das Ariston-Gebäude mit den Gemeindediensten angesehen und sei zu dem Schluss gekommen, dass das Projekt zu teuer würde. Zwischen 4 und 5 Millionen Euro würde eine standesgemäße Renovierung samt Umwandlung des Kinos in einen großen Saal kosten. Zusätzlich zum Verkaufspreis von 2,5 Millionen Euro und dem Erwerb des Grenzer „Paschtoueschhaus“ im Wert von einer Million Euro wäre die Stadt auf einen Gesamtbetrag von 8 bis 9 Millionen Euro gekommen, rechnete Mischo vor. In Abwägung mit anderen Projekten habe die Stadtverwaltung keine vernünftige Nutzung des Ariston gefunden.
In Zeiten von Online-Streamingdiensten und Pay-TV fänden Kinos heute sowieso kaum noch Anklang, meinte der Bürgermeister und zitierte aus einem rezenten Facebook-Post des ehemaligen „déi Lénk“-Rates und „Mérite culturel“-Preisträgers Théid Johanns, der ähnlich argumentiert habe. Die Stadt Esch habe zurzeit andere Ideen und Vorstellungen, sagte Mischo.
12 Millionen Euro hat der Schöffenrat für Immobilienkäufe in den Haushaltsentwurf 2019 eingetragen. Es ist der größte Investitionsposten im außerordentlichen Haushalt. Allerdings sei nicht präzisiert, welche Gebäude die Stadt damit kaufen wolle, merkte Oppositionsrat Marc Baum („déi Lénk“) an. Der Schöffenrat habe sich damit eine „Carte blanche“ für jedwede Art von Anschaffungen gesichert, meinte Baum. Es sei ihm ein Rätsel, wieso die Stadt nicht ein Teil dieses Geldes zum Kauf des Ariston aufwende.
„Kapitulation“ vor dem Programmkino
Der ehemalige Kulturschöffe Jean Tonnar (LSAP) warf dem Schöffenrat in diesem Zusammenhang „Kapitulation“ vor. Das Ariston sei das einzige verbliebene Kino im Escher Zentrum. Das ganze Gebäude mit dem großen Saal im Obergeschoss und dem Café mit Kegelbahn im Keller könne zur Förderung des Studentenlebens genutzt werden. Das Argument, heute brauche man kein Kino mehr, ließ Tonnar nicht gelten.
Auch Rätin Line Wies („déi Lénk“) konnte Mischos Begründung nicht nachvollziehen. Ihr schwebt im Ariston ein Programmkino vor, das anspruchsvollere Filme zeigt. Seit Jahren müssten die Escher ins Utopia in die Hauptstadt fahren, wenn sie etwas anderes als Blockbuster sehen möchten. Betreiben könnten das Kino ein Verein oder Studenten.
Programmkinos seien häufig Verlustgeschäfte – was sie aber nicht überflüssig mache, so Wies. Sie seien eine Investition in das kinematografische Erbe und damit in die Kultur. Vera Spautz und Henri Hinterscheid (beide LSAP) wiesen vor diesem Hintergrund auch auf das Kino hin, das erst vergangene Woche in der kleinen Ortschaft Kahler eröffnet hat. Der unabhängige Rat Dan Codello betonte seinerseits, die Stadt hätte das Geld, das sie in die Renovierung des „Bridderhaus“ steckt, besser in das Ariston investieren sollen.
De Maart

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