EditorialStaaten im Krisenmodus und die autoritäre Versuchung

Editorial / Staaten im Krisenmodus und die autoritäre Versuchung
Brasiliens Armee bei Desinfektionsarbeiten: Staatschef Jair Bolsonaro gerät inmitten der Corona-Krise in Bedrängnis – eine Frage ist, wie autoritäre Staatslenker mit der Pandemie und den Folgen umgehen Foto: AFP/Carl de Souza

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Die derzeitigen Ausgangssperren sind gleichsam Gebot der Stunde wie Hoffnung auf einen handelbaren Verlauf der Pandemie. Sie werden fast überall achtsam und geschlossen befolgt. Trotzdem bleibt nicht nur die Angst vor der neuen Krankheit. Keiner weiß, wie es nachher weitergeht – was es irgendwann muss, weil die Kosten sonst ins Unermessliche steigen.

Diese Abwägung, wann wir wie und zu welchen Risiken in den Normalbetrieb zurückschalten, um einen noch größeren Schaden abzuwenden, dürfte den zukünftigen Blick auf die Politik und uns alle als Gesellschaft lange prägen.

Die internationale Zusammenarbeit hat bereits jetzt großen Schaden erlitten – hier hat die gesamte Welt schnell den Normalbetrieb eingestellt. Wie die Exit-Strategie aus der Krise zurück zum Multilateralismus aussehen soll, ist fraglich. Auch die innereuropäische Solidarität wird auf ihre bislang härteste Probe gestellt. So langsam scheinen sich einige EU-Staaten zusammenzuraufen und einander zumindest ein wenig gegenseitig zu helfen. Demgegenüber stehen allerdings die Konfiszierungen von chinesischen Hilfslieferungen an Italien in Polen und Tschechien von vergangener Woche.

Inmitten einer solchen Krise überlebenswichtiges Material eines anderen Staates zu beschlagnahmen, kommt fast schon einer Kriegserklärung gleich. Hier ruderten die Regierungen zurück, versprachen eine rasche Lieferung, alles sei nur ein Irrtum gewesen. Aber dass die Italiener so etwas schnell vergessen, ist kaum vorstellbar. Genau wie alle anderen nicht so schnell vergessen werden, wer wo welche Hilfslieferung nicht durchließ, wer wen in letzter Minute im Rennen um medizinisches Material noch überboten hat, wer wem die Grenze vor der Nase geschlossen hat. Hinzu kommt jetzt noch die Unfähigkeit der EU-Staats- und Regierungschefs, den finanziellen Teil dieser Katastrophe gemeinsam zu lösen. Das Vertrauen der Staaten untereinander war eines der ersten Opfer dieser Krise.

Das spüren auch die Menschen und versammeln sich in ihren einzelnen Ländern hinter jenen, die sie durch die Krise führen. Diese Regierungen werden in Zukunft um die Erfahrung reicher sein, im Angesicht einer massiven Bedrohung ihre Bevölkerungen relativ widerspruchsfrei hinter sich vereint zu haben. Und die Ausgangssperren zeigen, was möglich ist.

Einige Staatslenker könnten den autoritären Versuchungen erliegen, die ein Land im Ausnahmezustand bietet. Und stabile Genies, denen sich so etwas auch ohne überbordende Fantasie zutrauen lässt, gibt es neben dem selbsterklärten an der Spitze der USA derzeit nicht wenige. In dieser Krise werden auch sie unter Druck geraten. Ob sie die demokratischen Spielregeln, die sie an die Macht gebracht haben, dann noch einhalten, wird sich erst zeigen. Diesen drohenden Dominoeffekt gilt es im Auge zu behalten. Erst einmal von zu Hause aus.

Steierzuëler
31. März 2020 - 14.24

Awer fiir en Äerdobservatiouns-Satellit fir d'Arméi hu mer Souën. Dee kascht elo 350 mio euro plus tva amplaatz, méi wi duebel esouvill wéi geplangt! Wat fiir eng Päif huet dee marché pilotéiert? Merde alors !!!

J-Marc Calderoni
29. März 2020 - 17.43

Herr J. Scholer, Sie haben absolut recht. Immer drohender wird das Gespenst der Diktatur, weltweit. Und diejenigen mit gesundem Menschenverstand tun gut daran ihre Mitmenschen wach zu rütteln und an die Vorkriegsgeschichte der 30er Jahre im Dritten Reich zu erinnern. Rezession und damit verbunden wachsende Armut, waren stets fruchtbarster Boden für extremistisches Gedankengut. Und dass wir ungebremst in eine Rezession ungeahnter Ausmaße hineinschlittern, dürfte kaum mehr abzuwenden sein. Jedenfalls nicht mit Politikern, die hauptsächlich das Wohlergehen der Wirtschaft im Fokus haben und die soziale Komponente vernachlässigen. Man kann nicht einerseits die Wirtschaft massiv unterstützen und andererseits die Verbraucher ungehemmt zur Kasse bitten. Die vergangenen Krisen wurden stets benutzt um die Preise in die Höhe zu treiben und den Profit zu maximieren. Wieso sollte es diesmal anders sein? Die Betriebe verdienen demnach doppelt, die Zeche aber zahlt erneut Otto Normalverbraucher. Wie gehabt ! Eine höchst unrühmliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang unser Finanzminister Gramegna, der zusammen mit Premier Bettel sowie Wirtschaftsminister Fayot das desaströse 9-Mia-Paket für u.a. Großunternehmen präsentierte, gleichzeitig aber verkündete, dass die lange versprochenen Steuererleichterungen für Klein- und.Mittelverdiener wohl bis St.-Nimmerlein auf Eis gelegt sind. Durch solch unverantwortliche, kurzsichtigen Entscheidungen wächst der Unmut in der Gesellschaft und fördert man den Zulauf radikaler Parteien. Die Ironie aber ist, dass insbesondere die liberalen Kreise die akute Gefahr für unsere demokratische Gesellschaftsordnung nicht wahrnehmen. Zu doof zu erkennen, dass sie dabei sind den Ast abzusägen, auf dem sie sitzen.

Robert Irmhof
29. März 2020 - 9.24

De Staat kann sou vill Virschreiwe wéi e wëll, wann se mangels Polizisten asw. näischt enforcéiren kënnen, bleiwt et rengen Aktionismus. Da muss een och konsequent bleiwen. Un d'Ausgangsspär hun sech dese Weekend schons ganz vill Leit net méi gehaal. Partien, Stroossen an Velosweer zimlech voll.

monique
29. März 2020 - 8.00

@justine Was haben Leute wie ich erfolgreich verhindert??? Mit ihrer Aussage wünschen Sie Menschen etwas, das wir genau bekommen sollten!! Wie bitte??? Das COV 19 macht auch vor EU Beamten und vor SAUDUMMHEIT nicht halt. Und ans Tageblöd, solch einen Comment zu veröffentlichen. In ein paar Tagen werden sie sehen wie im lux. GHETTO (ESCH) die POSt abgeht....

Justine
28. März 2020 - 17.03

@monique "Die EU hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Ist das Vertrauen erstmal futsch." Die EU ist nicht zuständig für Gesundheitsfragen, das haben Leute mit Ihrer Einstellung erfolgreich verhindert. Also haben Sie genau das bekommen was Sie wollten, klagen Sie also nicht.

Frank Goebel
28. März 2020 - 10.57

Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Interessierte finden das angesprochene Interview hier. - Die Redaktion

J.Scholer
28. März 2020 - 10.54

DLF hatte diese Tage ein interessantes Gespräch mit dem Soziologen Bunde, der genau auf diese Thematik hinweist.Am Beispiele Deutschland illustriert dieser Herr genau die Situation, die Gefahren. Der Ruf nach mehr Staat wieder beim Bürger und Politik an Akzeptanz gewinnt. Die Politik ohne Bewusstsein viele Forderungen der AFD im Zuge der Notstandsgesetze schon umgesetzt hat. Europa am Scheideweg steht zwischen Solidarität und nationalen Interessen, zwischen Humanismus oder Eigeninteressen, zwischen sozialen oder unsozialen Handeln. Die Grundfeste Europas sind ins Wanken geraten , Gefahren und Krisen tauchen am Firmament auf , die bisher nicht mehr vorstellbar waren.Das Virus rüttelt an den Pforten der Dogmen von Globalisation, Neoliberalismus,Demokratie.Seien wir wachsam , die dunklen Geister sind in Lauerstellung.

Grober J-P.
28. März 2020 - 10.03

Solidarität in Europa, bisher keine Spur. Grenzen dicht, nur noch Grenzen im Kopf. Warum lässt man Italien oder Spanien so allein?

Le méchant z.Z London
28. März 2020 - 9.25

in außergewöhnlichen Zeiten müssen eben außergewöhnliche Maßnahmen getroffen werden , und dann besteht auch die Versuchung außergewöhnliche Regierungsformen zu gestallten, und nachher auch bei zu behalten; deshalb wehret den Anfängen...

Jacques Zeyen
28. März 2020 - 9.18

Morgen steigen wieder Leute ein in den Zug und dann....?? Der Kampf der Verzweiflung.