Samstag18. Oktober 2025

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Nationale DemoSpaziergang mit Protestlern: Warum Menschen gegen die Regierung demonstrieren

Nationale Demo / Spaziergang mit Protestlern: Warum Menschen gegen die Regierung demonstrieren
Die Demonstranten machten nicht nur Lärm, sondern hielten auch aufwendig hergestellte Pappschilder in die Luft Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Tausende Menschen haben am Samstag gegen die Regierungspolitik demonstriert. Hinter der Menschenmasse verstecken sich etliche Einzelschicksale. Ein Spaziergang mit den Demonstranten.

Karim Ajouaou Saidi wusste im Vorfeld nichts von der „Manif“
Karim Ajouaou Saidi wusste im Vorfeld nichts von der „Manif“ Foto: Editpress/Cédric Feyereisen

Trillern, Getrommel und Brüllen: Die Geräusche, die zu Karim Ajouaou Saidi in den Laden drängen, feuern ihn bei der Arbeit an. Vor seinem Donut-Geschäft „BSweet“ in der Avenue de la Liberté sammeln sich gegen 10.30 Uhr immer mehr Demonstranten. Die Menschenmasse aus Grün und Rot hat den Miteigentümer überrascht. „Ehrlicherweise wussten wir nichts davon. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir uns anders vorbereitet“, sagt Karim. Er ist noch am Vorbereiten, als schon die ersten Interessierten auf der Suche nach einer Stärkung vor die Theke treten. Momentan ist er noch allein, die Unterstützung soll allerdings gleich ankommen. Üblicherweise öffnet er erst um 13.00 Uhr, doch seine Tür steht jetzt schon offen.

Der Umzug setzt sich um Punkt 11.00 Uhr in Bewegung. „Stoppt de Frieden, stoppt stoppt de Frieden“, brüllt die Menge. Kurz darauf geht Monique am Donut-Shop vorbei. Auf ihrem Pappschild ist eine Pflegerin mit Atemmaske und Schutzbrille zu erkennen. „Viru fënnef Joer krute mer Applaus! Mir ware rëm séier vergiess!“, steht auf dem Plakat. „Ich erwarte, dass die Reformen zurückgeschraubt werden, es gibt andere Möglichkeiten, dieses Geld einzusparen“, sagt die Demonstrantin. 

Monique hat mehrere Stunden an ihrem Pappschild gearbeitet
Monique hat mehrere Stunden an ihrem Pappschild gearbeitet Foto: Editpress/Cédric Feyereisen

Sie arbeitet seit 25 Jahren als Pflegerin und fühlt sich besonders von der angekündigten Pensionsreform betroffen. „Mein Beruf ist sehr körperlich – ich arbeite mit Menschen und nicht Maschinen. Wenn es uns nicht gut geht, kann das auch eine Gefahr für die Patienten sein. Ich weiß nicht, ob ich fünf Jahre zusätzlich in diesem Beruf schaffe, auch wenn ich ihn liebe“, sagt Monique.

Ich weiß nicht, ob ich fünf Jahre zusätzlich in diesem Beruf schaffe, auch wenn ich ihn liebe

Monique, Pflegerin

So etwas wie diesen Protest habe sie bisher nicht mitbekommen. „Als Pflegerin, die in Schichten arbeitet, ist es immer schwierig, zu demonstrieren. Deswegen gehen die Proteste für unseren Beruf immer etwas unter“, sagt Monique. Umso wichtiger sei diese „Manif“.

Bis zum Wald

Die Menschenmasse bewegt sich mit ohrenbetäubender Geräuschkulisse langsam, aber sicher in Richtung Knuedler. Darunter auch Christian Keller, Präsident der Personalvertretung der Escher Gemeinde, und seine Delegation. „Ich hoffe, dass Frieden, Reckinger und Thelen uns bis in den Wald brüllen hören“, sagt der Gewerkschafter lachend. Auch er erwartet sich, dass die Regierung ihre Pläne für die Pensionsreform zurückzieht und sich auf Augenhöhe mit den Gewerkschaften zusammensetzt, um zu diskutieren. Dem stimmt Jeff Lerario, Sekretär der Delegation, zu: „Sie sollen das Geld dort sammeln, wo Milliarden an Einnahmen generiert werden“, meint Lerario. „Und nicht bei armen Studenten, die jetzt schon keine Lust mehr haben, weil sie wissen, dass sie fünf Jahre länger arbeiten müssen“, fügt Keller hinzu.

Ich hoffe, dass Frieden, Reckinger und Thelen uns bis in den Wald brüllen hören

Christian Keller, Präsident der Personalvertretung der Escher Gemeinde

Nina macht sich Sorgen um die Zukunft ihrer Schüler
Nina macht sich Sorgen um die Zukunft ihrer Schüler Foto: Editpress/Cédric Feyereisen

Gegen 12.00 Uhr kommt der Umzug auf dem Knuedler an. Der Platz füllt sich, in der rot-grünen Masse steht Nina und hält ein Pappschild hoch: „From classroom to care home“ steht auf ihrem Plakat. „Ich will nicht, dass meine Schüler arbeiten, bis sie umkippen“, meint die Lehrerin. Doch sie macht sich nicht nur um die Gesundheit ihrer Schulkinder im Cycle 1 Sorgen. „Wir sind noch jung und müssen noch sehr lange arbeiten“, sagt Nina. „Work-Life-Balance existiert sowieso schon nicht mehr – sie sollen die Arbeitszeit zurückschrauben, anstatt noch draufzulegen.“ Glückliche Menschen seien schlussendlich auch produktiver. Das würden skandinavische Länder, in denen die wöchentlichen Arbeitsstunden verringert wurden, beweisen.

Ich will nicht, dass meine Schüler arbeiten, bis sie umkippen

Nina, Lehrerin

Sie erhofft sich, dass die politischen Verantwortlichen durch den Protest nun erkennen, dass „sehr viele Menschen“ nicht mit der momentanen Politik einverstanden seien. „Es wird Zeit, mit den Gewerkschaften und der Opposition zusammenzuarbeiten, um eine Lösung zu finden“, sagt Nina. Die Lehrerin ist zufrieden mit der Anzahl an Demonstranten, es seien immerhin mehr als die 10.000, die angekündigt wurden. „Es sind definitiv genug Menschen, um ein Zeichen zu setzen.“ 

Karim Ajouaou Saidi hat jedenfalls von der Menschenmasse profitiert. „Es lief gut“, sagt der Mitbesitzer des Donut-Shops um 16.00 Uhr. Viele Menschen seien während des Umzugs kurz hereingesprungen, um einen Kaffee oder ein anderes Getränk mitzunehmen. Auch nach der „Manif“ seien noch vereinzelte Demonstranten auf dem Weg zurück zum Hauptbahnhof vorbeigekommen. „Die Stimmung war wirklich gut“, sagt der Unternehmer.

A.Riese
29. Juni 2025 - 8.56

Frieden schau dir das skandinavische Rentenmodell an. Alle zahlen in dieselbe Kasse,es gibt eine Höchstrente und eine Minimalrente(von der man leben kann). Wer mehr haben will im Alter muss eine Zusatzinvestition machen.

Phil
28. Juni 2025 - 22.08

Einer Einladung der "Lux Times", durfte ich Luc Frieden letzten November "life & in colour" erleben. Bevor es überhaupt zu den luxemburgischen Sozialthemen kam, überraschte (!) er das Auditorium im Saal mit einem Wortgeflecht aus "...wir haben Krieg in Europa... und wir dürfen unsere Freunde aus der Ukraine nicht alleine lassen..."
Erst nach dieser Aussage wendete er sich den Sorgen und Nöten des einheimischen Volkes zu. Mein erster Gedanke war, wie will er diesen "Doppel-Wums" wohl finanzieren. Jetzt wissen wir es!
2024 habe ich weder Frieden noch seinen jetzigen "Club Situierter Verdiener" gewählt, obwohl ich über Jahre Friedens Chef, Jean-Claude Juncker, sehr respektierte. Aber dieser Schlag an Profi-Politikern wird wohl der Vergangenheit angehören.
PS: War heute bei der LCGB/OBGL Demo mit dabei!