ForumSozialdialog als Standortvorteil: Über Sinn, Zweck und Nachhaltigkeit eines Sozialmodells, das auf Solidarität und Gerechtigkeit beruht

Forum / Sozialdialog als Standortvorteil: Über Sinn, Zweck und Nachhaltigkeit eines Sozialmodells, das auf Solidarität und Gerechtigkeit beruht
 Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Das luxemburgische Sozialmodell ist ein Standortvorteil, bei dem das Erfolgsmodell der nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft vorherrscht. Und dies ist nicht als Nachteil oder Bremse für Wachstum anzusehen. Einfach gesagt: Solidarität ist nicht nur moralisch richtig, nein, Solidarität rechnet sich auch. Volkswirtschaftlich sowieso, aber auch betriebswirtschaftlich durch gute Arbeitsbedingungen und ein ebensolches Arbeitsklima.

Gesellschaft zusammenführen statt spalten

Deshalb gilt auch in Zukunft: Ein starker Sozialstaat braucht eine starke Wirtschaft. Und eine starke Wirtschaft braucht einen starken Sozialstaat. Freiheit und Gerechtigkeit, Subsidiarität und Solidarität sind die zwei Seiten des „Lëtzebuerger Modell“. Ein Modell und somit auch eine Politik, die die Gesellschaft nicht spaltet, sondern zusammenführt. Und dies gilt für alle Mitglieder unserer Gesellschaft: für kranke wie gesunde Menschen.

Bislang gibt es das sogenannte Bonus-Malus-System in Luxemburg nur bei der Autoversicherung. Mit einer gesetzlich geregelten Bonus-Malus-Tabelle und einer optionalen zweiten Tabelle für den Versicherungsschutz für Sachschäden. Das Prinzip ist einfach: Hat man weniger Unfälle, zahlt man weniger für seine Versicherungsprämien. Das gute, defensive Autofahren soll belohnt werden. Offensives, risikovolles Autofahren soll bestraft werden. So weit, so gut.

Nun gibt es einige, die dieses Bonus-Malus-System aus der Versicherungswelt beim krankheitsbedingten Fehlen in der Arbeitswelt anwenden wollen. Die also Menschen mit Sachen, sprich Autos, gleichsetzen. Und Krankheit mit selbst verschuldeten Unfällen. Diese Analogie sucht ihresgleichen und ist verwerflich. Gleiches gilt für den pauschalen Vorwurf des „Absentéisme“, der somit alle kranken Arbeitnehmer unter Generalverdacht stellt.

Menschen sind keine Maschinen

Menschen sind keine Maschinen, und schon gar keine Kraftfahrzeuge. Auch in Zeiten von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz ist dies ein unzulässiger Vergleich, der auch noch kausal hinkt. Fährt man defensiv und vorausschauend, hat man weniger Unfälle – zumindest statistisch gesehen. Nur: Seine Fahrweise kann man steuern, seine Genetik hingegen nicht.

Unser aktuelles Krankenversicherungsmodell gründet deshalb gerade nicht auf einem unmenschlichen Bonus-Malus-System, sondern basiert auf dem Prinzip der Solidarität, der Gerechtigkeit, des Gemeinwohls.

Sozialmodell ist Zukunftsmodell

Die Krankenversicherung – so, wie wir sie kennen – ist Teil unseres Luxemburger Sozialsystems. Ein Sozialsystem, das zum Fundament unseres Sozialmodells gehört. Ein Sozialsystem, zu dem auch der Sozialdialog gehört. Nur dank des bestehenden Sozialdialoges ist der Erfolg des Luxemburger Modells möglich gewesen. Wer nun diesen Sozialdialog infrage stellt, stellt auch das Modell Luxemburg infrage, und somit unsere gemeinsame Zukunft, die auf Konsens, sozialem Frieden und geteiltem Wohlstand basiert.

Die wichtigsten Akteure in diesem Kontext – dem Sozialdialog – sind und bleiben die Sozialpartner. Allen voran sind es die Gewerkschaften. Auf deren Engagement, deren Eintreten für Sozialstandards, für mehr Gerechtigkeit bei der Entlohnung, und vieles Mehr beruht der soziale Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte, von dem wir alle profitieren. Unsere heutigen sozialen, arbeitsrechtlichen Errungenschaften sind das Resultat von Generationen von engagierten Gewerkschaftern, die dies oftmals gegen erbitterten Widerstand durchgesetzt haben.

Gewerkschaften bleiben unverzichtbar

Auch im 21. Jahrhundert bleiben die Gewerkschaften unverzichtbar für das Wohl der Arbeitnehmer. Und im Übrigen auch für das Gemeinwohl unseres Landes. Natürlich müssen auch Gewerkschaften sich modernisieren; ebenso die Arbeitgeber. Und nicht zuletzt auch die Politik. Und dennoch: Ohne Gewerkschaften gibt es keinen Sozialdialog, der diesen Namen verdient.

Land und Bürger stärken

„Lëtzebuerg fir d’Zukunft stäerken“ – so ist das Programm der Regierung überschrieben. Ich möchte hier meine Kernaussage aus der Parlamentsdebatte zum Koalitionsabkommen wiederholen: Luxemburg für die Zukunft stärken, heißt in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stärken. Auch und gerade sozial. Das geht nur mit mehr, nicht mit weniger Solidarität.

Diskriminierung ist kein Mehrwert

Ein Bonus-Malus-System, welches eine offensichtliche Diskriminierung kranker Menschen darstellt, ist sicher kein gesellschaftlicher Mehrwert. Nicht für unser Land, und schon gar nicht für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Marc Spautz ist Abgeordneter der CSV
Marc Spautz ist Abgeordneter der CSV Foto: privat