ForumSorge um die finanzielle Zukunft der Stadt Esch

Forum / Sorge um die finanzielle Zukunft der Stadt Esch
Die Escher Kulturnacht 2022: viel Prunk, aber wenig Platz für lokale Künstler, kritisiert der Autor Foto: Editpress/Tania Feller

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Mit dem Zitat „Demokratie ist im Grunde die Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle füreinander verantwortlich sind“ schloss der neue Bürgermeister Christian Weis seine erste Präsentation der Haushaltsvorlage ab. Das Zitat stammt von dem Schriftsteller und linken Intellektuellen Heinrich Mann.1) 

Während wir die Auswahl des Zitates und vor allem des sozialistischen Autors nur begrüßen können, sieht es bei der Interpretation der Finanzlage unserer Gemeinde leider anders aus. So wie meine LSAP-Parteikollegen unsere objektive Kritik bereits im Gemeinderat dargestellt haben, soll auch im folgenden Artikel näher auf die aktuelle Finanzlage und das Budget der Stadt Esch für das Jahr 2024 eingegangen werden.

Dabei sollte der Haushalt der Stadt für das Jahr 2024 nicht unabhängig von den politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre betrachtet werden. Auch wenn der Bürgermeister in seiner Rede bemängelte, dass der Escher Anteil aus dem nationalen „Fonds de dotation globale des communes“ (FDGC) in den letzten Jahren zurückging (2017: 6,56 Prozent; 2024: 6,20 Prozent), darf daran erinnert werden, dass sich der finanzielle Spielraum der Gemeinde in den letzten Jahren bedeutend gesteigert hat. Esch gehört zu den Gemeinden, die von der vom ehemaligen LSAP-Innenminister Dan Kersch getätigten Gemeindefinanzreform am meisten profitiert haben. Waren es 2016 noch ungefähr 71 Millionen Euro, welche die Gemeinde aus dem Fonds bezog, sind es für den Haushalt des kommenden Jahres stattliche 169 Millionen Euro. Der Betrag an die Escher Gemeinde hat sich seit 2017, mit Ausnahme des „Corona-Jahres“, kontinuierlich gesteigert. Trotz dieses finanziellen Zugewinns muss der für 2023 vorgesehene Kredit über 70 Millionen Euro dennoch gezogen werden. Danach wird die Stadt bei der aktuellen Einwohnerzahl eine Schuldenlast von rund 2.700 Euro pro Kopf zu tragen haben. Sollte der für das Jahr 2024 vorgesehene Kredit auch gezogen werden, würde sich die Gesamtschuld der Stadt auf rund 187 Millionen Euro erhöhen. Dies wäre bei der aktuellen Einwohnerzahl dann eine Schuldenlast von fast 5.000 Euro pro Kopf!

Der hauptsächliche Grund für die finanziell komplizierte Lage ist, neben der gesamtwirtschaftlichen Situation, die Ausgabenpolitik der letzten Jahre. Dazu gehört das rituelle Ausgeben von Millionenbeiträgen für eine reine „Eventpolitik“, die keinen nachhaltigen Nutzen für die lokale oder regionale Kulturszene hat. So wird das Konzert von David Guetta keinen kulturellen Mehrwert haben, jedoch die Finanzlage der Stadt weiter strapazieren. Auch die vielen „Nuits de la culture“, die in den letzten Jahren in Esch stattfanden, hatten nur einen überschaubaren kulturellen Nutzen. Die letzte „Nuit de la culture“ kostete die Stadt Esch beispielsweise 1,9 Millionen Euro. Für die Kunst war vor allem das französische Unternehmen „La Machine“ verantwortlich und für die lokale Kunstszene blieb wenig Platz. Im Haushalt von 2024 findet man keine „Nuit de la culture“. Möglicherweise fiel sie der finanziell angespannten Lage zum Opfer. So kann die kulturelle Nachhaltigkeit der Kulturnächte der vergangenen Jahre also durchaus infrage gestellt werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Escher Kulturpolitik endlich wieder mehr in Künstler*innen investieren sollte als in Events. Gerade in einer multikulturellen Stadt müsste darauf geachtet werden, dass lokale Kulturschaffende nachhaltig unterstützt werden und das Grundrecht Kultur allen Menschen zugutekommt. Denn, wie es bereits der ehemalige LSAP Kulturminister Robert Krieps formulierte, „Kultur gestalten heißt Mensch sein“.2)

Einstellungspolitik muss transparenter werden

Neben der „Eventpolitik“ sollte auch ein kritischer Blick auf die Einstellungspolitik des Escher CSV-DP-„déi gréng“-Schöffenrats geworfen werden, die mehr als die Hälfte des ordentlichen Haushalts (53,4 Prozent) ausmacht. Seit 2018 sind die Personalkosten der Gemeinde um mehr als 51 Millionen Euro gestiegen. Die 1.415 Angestellten der Gemeinde leisten gute und wichtige Arbeit und sorgen dafür, dass den Bürger*innen die bestmöglichsten Dienste gewährleistet werden können. In Anbetracht des zukünftigen demografischen und infrastrukturellen Wachstums der Stadt muss auch in den kommenden Jahren genügend Personal eingestellt werden.

Jedoch sollte die Einstellungspolitik transparenter werden. Für die kommenden Jahre wäre eine Studie sinnvoll gewesen, die offen darlegt, welche zukünftigen Arbeitsstellen am nötigsten gebraucht werden. Die Entstehung neuer Wohnviertel wie „Rout Lëns“ und „Metzeschmelz“ wird die Stadt nämlich vor große Herausforderungen stellen. Bei einer falschen Einstellungspolitik riskiert die Gemeinde, den essenziellen Bedürfnissen der Bürger*innen nicht mehr gerecht zu werden und eine nachhaltige Zukunft zu verspielen. Auch fehlt es noch immer an einem Organigramm, das die jeweiligen Verantwortungsbereiche transparent skizziert. So hätten sowohl die Angestellten als auch die Bürger*innen eine bessere Orientierung, an wen sie sich bei Problemen wenden können.

Die eben erläuterten politischen Entscheidungen haben natürlich auch einen Einfluss auf die Politik in anderen Bereichen. Nur ein Prozent des außerordentlichen Haushaltes wurde 2023 in den Bereich „Logement“ investiert! Ein Prozent für eines der dringendsten sozialen Probleme unserer Zeit. Dabei gibt es mittlerweile einen allgemeinen Konsens, dass die Wohnungsprobleme nur mit größeren Bemühungen der Gemeinden gelöst werden können. Es ist somit zu begrüßen, dass der Bürgermeister angekündigt hat, die seit Jahren leer stehen 58 Gemeindewohnungen endlich zu renovieren. Es bleibt zu hoffen, dass er zumindest hier seinen Worten Taten folgen lässt und die Pläne für den Kauf von neuen Wohnungen auch zeitnah umsetzen wird.

Ein weiterer Baustein für eine moderne Gemeinde ist die Mobilitätspolitik. Vor allem im Bereich der sanften Mobilität gibt es in Esch großen Nachholbedarf. Bei den für 1,67 Millionen Euro bezifferten Projekten des Haushaltsentwurfs 2024 handelt es sich aber größtenteils um geplante, jedoch nie realisierte Vorhaben. Dazu gehören zum Beispiel die Beleuchtung des Radweges in Lallingen und die Realisierung des Radweges zwischen dem „Dieswee“ und der „Hiehl“. Bereits der ehemalige Bürgermeister Georges Mischo meinte in seiner Haushaltsrede vom 2. Dezember 2020: „Zu der Sécherheet gehéiert natierlech och d’Beliichtung vum Vëlosréseau zu Lalleng nieft der Autobunn A4. E komplett neie Vëloswee […] ass tëschent dem Dieswee an dem Ellergronn geplangt.“ Umgesetzt wurde dies noch immer nicht. Es fehlt auch nach wie vor an einer kohärenten Strategie für ein zusammenhängendes Fahrradnetz.

Insgesamt zeigt der Escher Haushalt einige gute Ansätze, wird den Herausforderungen der kommenden Jahre jedoch nicht gerecht. Durch die vielen Ausgaben der letzten Jahre scheinen den Verantwortlichen auch finanziell die Hände teilweise gebunden zu sein. Viele Projekte stehen bereits seit Jahren im Budget, wurden jedoch nie umgesetzt. Es bleibt also zu hoffen, dass sich der in den letzten Jahren niedrige „taux de réalisation“ der Projekte (Durchschnitt von 2017 bis 2022: 43,5 Prozent) grundlegend verbessert. Die LSAP wird versuchen den Realisierungsprozess der Projekte sachlich und konstruktiv zu begleiten. Zudem ist es wichtig, die Bürger*innen der Stadt an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen, um zusammen mit ihnen die Zukunft zu gestalten. Nur dann werden die politisch Verantwortlichen dem anfangs erwähnten Zitat von Heinrich Mann auch wirklich gerecht.


1) Vgl. Manns Vortrag „Der tiefere Sinn der Republik“ von 1927. Vgl. allg. Manfred Flügge: „Heinrich Mann: Eine Biographie“, Rowohlt, Reinbek 2006.1932/33 unterzeichnete Heinrich Mann beispielsweise zusammen mit Albert Einstein Aufrufe zur Aktionseinheit der SPD und KPD gegen die Nazis.

2) Robert Krieps: „Kultur macht frei“. In: „Cahier socialiste européen n°10“, April 1984.

Sacha Pulli ist Mitglied der LSAP und des Escher Gemeinderats
Sacha Pulli ist Mitglied der LSAP und des Escher Gemeinderats Foto: Editpress/Julien Garroy