Donnerstag23. Oktober 2025

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EcuadorSolidarität mit den Beschäftigten von Bananen-Plantagen

Ecuador / Solidarität mit den Beschäftigten von Bananen-Plantagen
Jorge Acosta, hier mit einer weiteren Gewerkschafterin der Astac, zu Gast bei der „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Beschäftigten von Bananen-Plantagen arbeiten oft unter prekären und gesundheitsgefährdenden Bedingungen – und bekommen dafür nicht einmal den Mindestlohn. Der Kampf um ihre gewerkschaftlichen Rechte ist oft hart und gefährlich. In Luxemburg traf Jorge Acosta auf die Solidarität der ASTM und des OGBL.

Herr Acosta, welche Ziele verbinden Sie mit Ihrer Reise nach Europa und mit Ihrem Besuch in Luxemburg?

Jorge Acosta: Unser erstes Ziel ist, die Arbeit unserer gewerkschaftlichen Organisation, der „Asociación Sindical de Trabajadores Agrícolas y Campesinos“ (Astac), vorzustellen und auf die Bedingungen, unter denen die Menschen auf den Plantagen von Ecuador arbeiten, aufmerksam zu machen – vor allem, was die Einhaltung der Menschenrechte angeht. Das zweite Ziel ist die Solidarität der Bürger Luxemburgs mit den Plantagenbeschäftigten. 

Was hat sich für die Menschen auf den Plantagen verändert, seit Sie die Astac im Jahr 2007 gründeten?

Unter anderem wurden vom ecuadorianischen Parlament verschiedene Gesetze bezüglich der Pestizide, die mit dem Flugzeug über den Plantagen versprüht werden, verabschiedet – ebenso einige Gesetze zum Schutz der Gesundheit der Plantagenarbeiter. Diese Gesetze werden aber nicht eingehalten.

Hat die Regierung in Quito auf die Anliegen der Astac reagiert?

Nicht wirklich. Nach der Gründung der Astac wollte die Regierung unsere Gewerkschaft nicht anerkennen. Bis dieses Ziel 2021 erreicht wurde, vergingen 14 Jahre – und zwar nur auf Druck und aufgrund eines Gerichtsurteils. Wir hatten eine Klage beim Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingereicht, und eine Klage bezüglich des Handelsabkommens zwischen Ecuador und der Europäischen Union. Schließlich wurden die Prinzipien der gewerkschaftlichen Freiheit und des Rechts, sich einer Gewerkschaft anzuschließen, nicht eingehalten. An der Situation der Plantagenarbeiter änderte sich nichts. 2010 besuchte die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zur Sklaverei das Land. Sie informierte die Menschenrechtskommission darüber, dass auf den Plantagen sklavereiähnliche Zustände herrschen. Dies bestätigte auch die „Defensoría del Pueblo de Ecuador“, sozusagen der ecuadorianische Ombudsman, in einem Bericht 2019.

Wie viele Menschen arbeiten unter sklavereiähnlichen Zuständen in Ecuador?

Das ist schwer zu beziffern. Insgesamt arbeiten 250.000 Menschen in Ecuador im Bananensektor. Die Rechte von keinem von ihnen werden respektiert, aber nach unseren Schätzungen arbeiten 200.000 unter den schlimmsten Bedingungen. Sie dürfen sich keiner Gewerkschaft anschließen, sind Pestiziden ausgesetzt, verdienen nicht den festgesetzten Mindestlohn …

… wie hoch ist dieser?

460 US-Dollar. Aber das, was eine Familie in Ecuador mindestens braucht, um zu überleben, beläuft sich auf 780 US-Dollar. Die Mehrheit der Plantagenarbeiter erreicht nicht mal das Mindesteinkommen.

Mit Rafael Correa war von 2007 bis 2017 ein linksorientierter Politiker Präsident. Sein Nachfolger Lenín Morena schlug eher eine konservativ-liberale Richtung ein. Auch der darauffolgende Präsident Guillermo Lasso betrieb eine neoliberale Politik – und der aktuelle Staatschef Daniel Noboa ist sogar ein Unternehmer der Bananenindustrie. Wie haben sich die jeweiligen politischen Wechsel auf die Situation der Plantagenbeschäftigten ausgewirkt?

Es hat keinerlei Veränderungen gegeben, weder seitens der Regierungen noch in der Haltung der Unternehmen. Das beste Beispiel ist das Gerichtsurteil von 2021, das besagte, dass die Astac als Gewerkschaft registriert werden muss. Dies geschah auf eine Empfehlung der ILO hin. Gleich nach diesem Gerichtsbeschluss versuchte die Regierung mit juristischen Mitteln vor dem Verfassungsgericht zu erreichen, dieses Urteil als nichtig zu betrachten und die Registrierung zu verhindern. Wir rechnen aber aufgrund der internationalen Unterstützung nicht damit, dass das Verfassungsgericht das Urteil einkassiert.

Wir sind selbst Opfer der Gewalt

Jorge Acosta, Gewerkschafter

Nicht nur die politische und soziale Situation in Ecuador hat sich seit einem Jahr zugespitzt, sondern auch die Sicherheitslage. Die Kriminalität stieg explosionsartig an. Hat dies auch Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Sektor?

Es ist in der Tat ein soziales Problem, das mit der Situation in der Landwirtschaft einhergeht und zu einer erhöhten Emigration geführt hat. Ausgelöst wird dies durch den Mangel an Arbeitsplätzen und durch die schlechten Arbeitsbedingungen. Wir sind selbst Opfer der Gewalt, die seit Oktober 2023 zugenommen hat. So erhielt ich Morddrohungen von einer der mächtigsten und gefährlichsten kriminellen Organisationen des Landes. Sie teilte mir mit, dass wir endlich aufhören sollten, die Plantagenunternehmen zu behelligen. Ansonsten würden sie uns töten.

Ist das nicht ein Beweis dafür, dass die Bananen-Unternehmen mit den kriminellen Banden zusammenarbeiten?

Das muss man die Unternehmen selbst fragen, denn sie haben nie erklären können, warum ihre Interessen von den Banden verteidigt werden. Die EU hat uns angeboten, das Land verlassen zu können und kurzfristig ins Exil zu kommen. Das hat die Spannungen etwas abgebaut. Unterdessen führe ich meine Arbeit fort und streite mit transnationalen Unternehmen wie Dole. Die Bedrohung besteht noch latent weiter.

Bananen von Dole findet man in europäischen Supermärkten.

Zurzeit läuft eine Klage gegen Rewe, das bei Otisgraf in Ecuador einkauft, und Edeka, das seine Bananen von Megabanana hat, das wiederum zu Dole gehört. Dole verletzt die Gewerkschaftsrechte in Ecuador. Ein Mitarbeiter von Megabanana etwa wollte uns ursprünglich auf diese Reise begleiten, bekam aber keine Erlaubnis von der Firma.

Gibt es Reaktionen von Rewe und Edeka?

Die Unternehmen, die sich hier auch gegen das deutsche Lieferkettengesetz stellen, wollten nicht mit uns reden. Bevor wir Klage beim deutschen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) einreichten, gingen wir auf sie zu. Aber sie haben sich einem Austausch verweigert. Es gibt keine direkte Kommunikation. Auch der Prozess, wie ihn das Bafa führt, bereitet uns Sorgen, weil die einzelnen Parteien nicht wissen, was die jeweils andere Seite geantwortet hat, und wir deshalb nicht wissen, was von der Seit der Supermärkte kommt, wie wir uns verteidigen und unsere Verteidigung vorbereiten sollen. Es gibt auch keine richtige Untersuchung und keinen Zugang zu den Dokumenten. Eigentlich müsste man mit den Arbeitern reden. Die Gewerkschaft wurde nicht als Vertretung der Arbeiter anerkannt. So hat ein einzelner Arbeiter die Klage eingereicht.

Gibt es nicht die Möglichkeit einer Sammelklage?

Wir werden beraten von Anwälten des European Center for Constitutional and Human Richts (ECCHR) und unterstützt von der American Bar Association (ABA), der Vereinigung der US-amerikanischen Rechtsanwälte, Richter und Rechtswissenschaftler. Wir haben die Möglichkeit einer Sammelklage noch nicht in Erwägung gezogen. Die Unternehmen haben einen großen Vorteil: Die Gewerkschaften in Ecuador sind sehr schwach ausgeprägt. Nur drei Prozent der Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert, und dann auch noch auf sieben Gewerkschaftsverbände. Diese Schwäche ist die Stärke der Unternehmen, die sich immer solche Länder suchen, die gewerkschaftlich schwach sind und wo es ein hohes Maß an Korruption gibt, um uns auszubeuten. Daher ist für uns die internationale Solidarität umso wichtiger. Der Handel hat sich schon längst globalisiert, deshalb müssen wir Gewerkschaften auch unseren Kampf globalisieren.

Austausch und Solidarität

Anlässlich des Aufenthalts des ecuadorianischen Gewerkschafters Jorge Acosta in Luxemburg diese Woche hatte die Action solidarité Tiers Monde (ASTM) am 14. Oktober in Zusammenarbeit mit dem OGBL die Konferenz „Unir les luttes: solidarité de la société civile le long des chaînes d’approvisionnement“ organisiert, um am Beispiel der Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen auf den Bananenplantagen in Ecuador zu diskutieren, wie sich die Zivilgesellschaft auf internationaler Ebene organisieren kann – und um besser Druck auszuüben und konkrete Veränderungen zu fordern. Für den OGBL war es nach den Worten von David Angel, dem Zentralsekretär des Syndikats Handel, ein erster Austausch. Jorge Acosta, ehemaliger Agrarflug-Pilot, ist Mitbegründer und Generalkoordinator der ersten Gewerkschaft der Bananenarbeiter in Ecuador – der „Asociación Sindical de Trabajadores Agrícolas y Campesinos“ (Astac). Als Pilot, der mit dem Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln über den Plantagen beschäftigt war, hatte Acosta einst selbst gesundheitliche Probleme durch den Einsatz der Pestizide bekommen.