Montag20. Oktober 2025

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Solaranlagen zu verschenken: Geschäftsmodell gegen den Klimawandel

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In einem kleinen Büro in Steinfort sitzt Enerdeal. Das Unternehmen finanziert, baut und unterhält weltweit Solaranlagen von industrieller Größe. Dank ihr können Unternehmen umweltfreundlicher werden, ohne Geld investieren zu müssen.

Insgesamt 130 Projekte hat Enerdeal seit seiner Gründung im Jahr 2009 bereits umgesetzt. Aktiv war das Unternehmen dabei in allen möglichen Städten und Ländern: von Belgien über Foetz und Rümelingen bis nach Westafrika, Madagaskar und Kongo. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet Enerdeal mit einem Umsatz von 7 Millionen Euro. Gegründet wurde das Unternehmen von drei Ingenieuren aus Belgien. Sie hatten sich für Luxemburg als Standort entschieden, da das Land „gut aufgestellt ist, um internationale Finanzierungen zu organisieren“, wie Geschäftsführer François Neu gegenüber dem Tageblatt erklärt.

Nach zehn Jahren als Angestellter bei Total und Lafarge sowie fünf Jahren bei der Luxemburger BIL habe er festgestellt, dass er „doch das Temperament eines Unternehmers habe“. Und er hat seine Entscheidung nicht bereut. Am allerliebsten sind ihm Projekte in Afrika. „Das ist spannend, da kann man innovieren und einen Unterschied machen“, so François Neu. Es gibt aber auch gute wirtschaftliche Gründe: „Das Potenzial in Afrika ist enorm – doch kaum jemand interessiert sich dafür. Bei Projekt-Ausschreibungen in Europa hingegen tritt die halbe Welt als Konkurrenten an.“ Zudem sieht er sein Unternehmen klar im Vorteil: „Solarmodule verkaufen kann jeder. Wir aber bringen die Technik und auch eine Finanzierung mit.“

„In Afrika dauert alles dreimal länger“

Vor einigen Monaten hatte Enerdeal ein Vorzeigeprojekt im Kongo umgesetzt. Es handelt sich um die größte alleinstehende Solaranlage (die an kein Netz angeschlossen ist) in Afrika. Zuvor waren die 20.000 Einwohner der Stadt Manono auf Diesel-Generatoren angewiesen. „Das ist, wie im südlichen Afrika 85 bis 90 Prozent allen Stroms hergestellt werden“, so der Experte. In Manono hat Enerdeal schließlich 3.200 Solarpanels installiert. Hinzu kamen noch Batterien, damit Strom auch nachts verfügbar ist. Besitzer und Betreiber der Anlage ist die staatliche Energiegesellschaft des Kongo.

Einfach ist der afrikanische Markt sicher nicht. „Es dauert alles dreimal länger und ist dreimal komplizierter“, sagt François Neu. „Zudem kostet das gleiche Projekt in Afrika das Doppelte von dem, was es hierzulande kosten würde.“ Dies macht die Investitionen aber nicht unattraktiv. „Die Menschen dort sind bereit, bis zu zehnmal mehr für ein Kilowatt Strom zu bezahlen.“

Doch trotz allem Potenzial und aller Abenteuerlust geht François Neu den afrikanischen Markt mit Vorsicht an: „Nach Afrika kann man nicht alleine gehen. Wir arbeiten immer mit starken Partnern zusammen.“ Das kann ein Unternehmen mit Sitz in Westeuropa sein – oder eine staatliche Institution, die Garantien geben kann. Genutzt werden auch Export-Versicherer wie das „Office du ducroire“. Daneben beteiligt er sich an Luxemburger Wirtschaftsmissionen in der Region. „Das hilft beim Knüpfen von Kontakten“, so Neu.

Finanzieren, bauen und unterhalten

Und aktuell steht wieder ein spannendes Projekt an: Nun gilt es, 30 Krankenhäuser in einem westafrikanischen Land mit Strom zu versorgen. Gleichzeitig werden, gemeinsam mit der Luxemburger Entwicklungshilfe, auch neue Projekte in Kap Verde in Angriff genommen. Solche Auftragsarbeiten sind jedoch nur ein Teil des Geschäfts der kleinen Gruppe mit 15 Mitarbeitern. „Viele Unternehmen wollen derzeit mit gutem Beispiel vorangehen. Gleichzeitig haben aber viele keine Lust, sich darum zu kümmern – es zählt halt nicht zu ihrem Kerngeschäft“, meint Neu. „Da viele Firmen aber von Aktionären und Kunden gefragt werden, was sie für die Umwelt tun“, könnten sie sich an Enerdeal wenden. Die kleine Luxemburger Gesellschaft baut dann die Anlage für den Kunden auf, kümmert sich um die Finanzierung und den Unterhalt.

Der Kunde kann zeigen, dass er sozial verantwortlich handelt. Enerdeal erhält während 15 Jahren die Einnahmen vom Strom. „Nach 15 Jahren geht die Anlage dann für einen symbolischen Euro an den Besitzer des Gebäudes über.“ Und für den Besitzer müsste sich das lohnen: In einem früheren Gespräch mit dem Tageblatt hatte Susanne Siebentritt, Solarforscherin an der Luxemburger Universität, erklärt, dass die Hersteller von Solarzellen eine Garantie von 25 bis 30 Jahren auf ihre Produkte geben. „Man kann Solarzellen lange laufen lassen – die, die in den 70ern installiert wurden, funktionieren auch heute noch.“

Fonds über zehn Millionen Euro

Da Enerdeal nicht auf einem millionenschweren Kapital sitzt, sammelt das Unternehmen Gelder bei Investoren ein. Hier sei Luxemburg natürlich ein ideales Pflaster, so der Ex-Banker. Derzeit sei man dabei, einen Fonds aufzulegen, erklärte François Neu weiter. Insgesamt zehn Millionen Euro will man zusammenbekommen. Die Investoren erhalten dann das Recht auf die Einnahmen vom produzierten Strom. Von jedem Projekt erwartet er, dass es sich innerhalb von sieben Jahren rechnet.

Mehrere Gebäude wurden auf diese Art bereits in Luxemburg mit Solarmodulen versehen. Dazu zählen beispielsweise Supermärkte oder etwa eine Fabrik in Rümelingen und ein Unternehmen auf Windhof. Sie alle tragen somit zum Kampf gegen den Klimawandel bei – und das, ohne eigenes Geld eingesetzt zu haben. Privatpersonen bietet Enerdeal diese Dienstleistungen jedoch nicht an. „Es bedarf einer gewissen Größe und Fläche, damit sich alles rechnet“, erklärt Neu. So braucht es mindestens eine Fläche von 2.000 Quadratmetern, die nicht im Schatten liegt.


Revolution in Sicht

Laut François Neu steht die nächste Revolution in der Energiebranche gerade vor der Tür. „Seit vier Jahren beschäftigen wir uns nun mit dem Thema“, so der Geschäftsführer von Enerdeal. „Und die Revolution wird noch gewaltigere Auswirkungen haben als die der Solarindustrie selber.“ Heute könne die Solarindustrie immer nur einen Teil der Stromproduktion ausmachen – auch wenn die Preise weiter fallen. Hintergrund ist, dass „Batterien immer noch zu teuer sind“.

In zwei Jahren werde das aber anders sein, prophezeit er. Wenn die Batteriekosten im gleichen Rhythmus fallen wie die Kosten im Solarbereich, dann seien sie in zwei Jahren 30 Prozent billiger. „Und dann wird es wirtschaftlich interessant, eine Batterie im Keller zu haben – selbst ohne Solaranlage auf dem Dach.“ Trotzdem ist er überzeugt, dass die Zukunft einem Energie-Mix gehört. Als derzeit billigste Energie in Europa bezeichnet er die Kohle: „Der Rohstoff ist billig und auch im Winter verfügbar.“

Für die Nuklearindustrie sieht er keine große Zukunft mehr. „Die Abrisskosten wurden nicht in die Rechnungen mit einbezogen. Und selbst wenn sie es wären, wäre alles unfinanzierbar.“ Das erkenne man an den Kostenexplosionen bei den laufenden Projekten in Frankreich, Finnland und Großbritannien.


Was Solarenergie angeht, „hinkt Luxemburg klar hinter den anderen Ländern her“, sagte Enerdeal-Geschäftsführer François Neu.“Es ist das wahrscheinlich einzige Land in Europa ohne größere Anlage auf dem Boden.“ Das Großherzogtum sei zwar klein, aber Möglichkeiten gäbe es genug. „In Saarbrücken wird Solarenergie auf dem Flughafengelände produziert – in Luxemburg nicht einmal auf dem Dach des Flughafengeländes.“ Bis zum Jahr 2012 habe es in Luxemburg eine attraktive Unterstützung für große Solarprojekte gegeben. Dann habe die Regierung diese gestoppt. „Es ist aber nun mal so, dass die Solarindustrie im Norden Europas immer noch staatliche Unterstützung braucht. Damit größer und mehr gebaut wird … damit die Preise fallen.“

Man dürfe nicht vergessen, dass nicht jede Investition, die sich für Privatleute lohne, sich auch für Geschäftsleute lohne. „Und der industrielle Kunde zahlt einen billigen Preis für seinen Strom“, erinnerte Neu. „Daher wird weiterhin Unterstützung (’subsides‘) benötigt. (…) Es ist aber auch so, dass wir die gewünschten Ziele nicht erreichen werden, wenn wir nur auf ein paar kleine Dächer setzen“, so der Ingenieur und Unternehmer weiter.

„Luxemburg ist aus dem Winterschlaf erwacht“

Diese Situation sei auch der Grund, warum man das eigene technische Büro mit einem Dutzend Mitarbeitern in Brüssel aufgebaut habe, erklärte der Geschäftsführer. „Seit fünf Jahren ist in Luxemburg nichts los. Wir wollen und müssen aber nahe am Markt sein. (…) Wenn wir nur auf Luxemburg gesetzt hätten, dann wären wir heute nicht mehr da.“
Pessimistisch ist er aber nicht eingestellt. „Luxemburg ist aus fünf Jahren Winterschlaf erwacht“, sagte Neu. Derzeit werden die Regeln wieder geändert. Neue offizielle Ausschreibungen wurden gestartet. „Und Luxemburg hat die Fähigkeit, seine Gesetzgebung schnell und flexibel anpassen zu können“, unterstrich er. „Die Solarindustrie wird hierzulande wieder attraktiv.“

Mit dem Rifkin-Prozess habe Luxemburg zudem eine Vorreiterrolle eingenommen. Er selber habe an vielen Veranstaltungen teilgenommen. „Jetzt ist es aber an der Zeit, diese Sachen auch umzusetzen. Stellt sich jetzt nur die Frage, welches große Unternehmen des Landes die Vorreiterrolle übernehmen wird. Jetzt ist der richtige Moment.“ „Mein Traum wäre ein großes Solarprojekt (mit Batterien) in Luxemburg. Das wäre innovativ und macht wirtschaftlich Sinn. Es muss aber groß genug sein, damit es sich lohnt.“