LuxemburgSo reagieren Abgeordnete, der OGBL und weitere Akteure auf die neuen Statec-Prognosen

Luxemburg / So reagieren Abgeordnete, der OGBL und weitere Akteure auf die neuen Statec-Prognosen
Das Tageblatt hat neben dem LSAP-Abgeordneten Yves Cruchten weitere Abgeordnete, die Gewerkschaft OGBL und den Verbraucherverband ULC nach Reaktionen zu den aktuellen Statec-Inflationsprognosen befragt Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Luxemburger Statistikbehörde Statec hat am Mittwoch eine Inflationsprognose veröffentlicht – und die letzte Prognose vom Mai nach oben korrigiert. Laut den neuesten Zahlen könnte noch in diesem Jahr eine weitere Indextranche fallen. Premier Xavier Bettel hat daraufhin für September neue Statec-Berechnungen beauftragt und angekündigt: „Auf Basis dieser Berechnungen werde ich eine weitere Tripartite einberufen.“ Das Tageblatt hat Abgeordnete aus der Tripartite-Kommission der Chamber und weitere Akteure dazu befragt.

Die neuen Prognosen des Statec bestätigten die Position des „Onofhängege Gewerkschaftsbond Lëtzebuerg“ (OGBL) in der letzten Tripartite, sagt die Gewerkschaftspräsidentin Nora Back gegenüber dem Tageblatt. „Wir haben es ja gesagt!“, sagt sie. Der OGBL habe bei den Verhandlungen darauf hingewiesen, dass die Entscheidungen der Tripartite auf Prognosen basieren würden, bei denen mit einem raschen Ende des Krieges ausgegangen wurde – und das, obwohl den Beteiligten klar gewesen sein müsse, dass dies nicht der Fall sein würde.

Nora Back, Präsidentin der Gewerkschaft OGBL, sagt hinsichtlich der neuesten Statec-Prognosen: „Wir haben es ja gesagt!“
Nora Back, Präsidentin der Gewerkschaft OGBL, sagt hinsichtlich der neuesten Statec-Prognosen: „Wir haben es ja gesagt!“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Back sagt zudem, dass die nächsten Verhandlungen weiter greifen müssten: „Diese Tripartite kann jetzt wirklich nicht mehr nur eine reine Index-Tripartite werden.“ Nationale Problemherde, wie etwa die Anpassung der Steuertabelle und die Immobilienkrise, müssten bei den nächsten Diskussionen unbedingt berücksichtigt werden. „Wir befinden uns in einer Kaufkraftkrise, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat“, sagt Back.

Darum müssten die nächsten Verhandlungen gründlich vorbereitet und sämtliche Karten auf den Tisch gelegt werden. Back fordert, dass die Betriebe offen darlegen, wie es um sie steht. Besonders müsse darauf geachtet werden, dass nicht alle Betriebe die gleiche Hilfe benötigen, denn es gebe weiterhin jene, die große Gewinne einfahren, anderen wiederum gehe es richtig schlecht.

„Wir haben immer mit einer hohen Inflation gerechnet und wurden von den neuesten Prognosen jetzt nicht sonderlich überrascht“, sagt Back. Neu sei allerdings, dass laut dem hohen Szenario 2023 sogar zwei Indextranchen fällig würden. „Das bestätigt immer mehr, dass die Tripartite eine falsche Entscheidung getroffen hat“, meint die Gewerkschaftlerin. Jetzt befinde man sich nämlich in genau der Situation, die man befürchtet habe: Ein Gau, bei dem mehrere Tranchen – bei dem hohen Szenario wären das also mindestens vier – gleichzeitig ausbezahlt werden müssten. „Und wir wissen ja, dass die Arbeitgeber das nicht mitmachen“ und die Unternehmer diese Beträge nicht ausbezahlen würden, so Back.


Sven Clement, Piraten-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber
Sven Clement, Piraten-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber Foto: Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement sagt: „Jetzt tritt genau das ein, was wir in der ersten Tripartite schon gesagt haben – das war keine dauerhafte Lösung und hat die Situation auch nicht verbessert.“ Er erinnert im Gespräch mit dem Tageblatt am Mittwoch daran, dass die Piraten sogenannte Gießkannenpolitik nicht befürworteten, in der man eher Hilfen für alle verabschiede und nicht „gezielter“ helfe. Laut Clement wäre die Forderung, nochmals eine Indextranche auszuzahlen und konkret den Unternehmen zu helfen, die sich „das nicht leisten können“. Ansonsten riskiere man Streiks, weil die Preise im Alltag der Menschen überall stiegen, deren Gehalt jedoch nicht.

„Wenn die Menschen sich am Ende des Monats teilweise nichts mehr zu essen leisten können oder nicht mal mehr den Weg zur Arbeit bezahlen können, was sollen sie dann sonst machen, außer ihren Unmut zu äußern?“, so Clement. Er betont: „Und diese Menschen gibt es in Luxemburg.“ Die Fraktionsmitarbeiter, die an den Telefonen mit den anrufenden Bürgern sprächen, klängen derzeit teilweise nach Seelsorgern, so der Politiker. Die Menschen hätten gravierende Sorgen, die mit der derzeitigen Krise zusammenhingen. „Und es ist die Verantwortung der Politik, dafür zu sorgen, dass es den Schwächsten in der Gesellschaft wieder besser geht.“


Gilles Baum, DP-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber
Gilles Baum, DP-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber Foto: Editpress-Archiv/Didier Sylvestre

Gilles Baum (DP) zeigt sich nicht überrascht über die vermutlich bald neu angesetzten Verhandlungen. Man müsse nun abwarten und sich anschauen, wann genau die kommende Indextranche fallen soll. Der Abgeordnete geht davon aus, dass die Tripartite-Kommission ab September wieder zusammengetrommelt wird. Dann müsse man sich die Statec-Zahlen erklären lassen und sehen, was man tun kann. Den Verhandlungen wolle er nicht vorgreifen, so Baum. Man müsse sich die jeweiligen Forderungen aus den Verhandlungen ansehen und dann bewerten, ob diese machbar seien, auch finanziell, ergänzt er. Für weitere Forderungen oder Voraussagen sei es jedoch noch etwas zu früh.


Gilles Roth, CSV-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber
Gilles Roth, CSV-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber Foto: Editpress-Archiv/Didier Sylvestre

Während Premier Xavier Bettel auf Twitter ankündigte, möglicherweise eine neue Tripartite einberufen zu wollen, sagt Gilles Roth (CSV) gegenüber dem Tageblatt: „Eine weitere Tripartite wäre ratsam.“ Momentan, also nach der aktuellen Gesetzgebung ohne Tripartite, greife schließlich noch der reguläre Mechanismus der Indextranchen. Zudem weist Roth darauf hin, was auch Statec in der Mitteilung vom Mittwoch schreibt: „In der Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Verband luxemburgischer Unternehmen sowie den Gewerkschaftsorganisationen LCGB und CGFP vom 31. März 2022 heißt es, dass sich die Regierung verpflichtet, eine weitere Sitzung des Tripartite-Koordinierungsausschusses einzuberufen, falls sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Laufe des Jahres 2023 verschlechtern sollte oder eine weitere Indextranche im Jahr 2023 ausgelöst wird.“

Roth kritisiert zudem, dass die Regierung seit dem Jahr 2017 die Steuertabelle nicht angepasst beziehungsweise keine Steuerbereinigung vorgenommen habe. „Wir bleiben dabei, dass das ein Fehler der Regierung war, die Leute nicht zu entlasten“, sagt der Abgeordnete. Das treffe vor allem die Mittelschicht, so Roth, und sei „das, was eigentlich nicht geht“. Hinsichtlich einer weiteren Tripartite fordert er außerdem, dass die Tripartite-Kommission in der Chamber dieses Mal frühzeitig alle zur Bewertung relevanten Dokumente, die auch den Verhandlungspartnern vorlägen, bekommen solle. Hintergrund sei, dass das bei der vergangenen Verhandlungsrunde erst etwas später passiert sei, so Roth. 


Yves Cruchten, LSAP-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber
Yves Cruchten, LSAP-Abgeordneter und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Yves Cruchten (LSAP) sieht sich in dem bestätigt, was er erst kürzlich in der Chamber zu dem Tripartite-Gesetz gesagt habe – nämlich, „dass die Situation so unvorhersehbar ist, dass eine langfristige Prognose kaum möglich ist“. Es sei richtig gewesen, Statec mit der Aktualisierung der Zahlen zu beauftragen und darauf basierend neu evaluieren zu wollen. „Ich würde der Regierung ans Herz legen, sich Zeit zu lassen“, sagt Cruchten. Die Verhandlungen müssten gut vorbereitet werden, damit auch „etwas Gescheites dabei rauskommen“ könne. Man müsse sich zudem nun fragen: „Auf welche Preise haben wir als Staat noch Einfluss?“, so der Abgeordnete. „Das, was wir selbst beeinflussen können, sollten wir auch beeinflussen.“ 


Josée Lorsché, „déi gréng“-Abgeordnete und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber
Josée Lorsché, „déi gréng“-Abgeordnete und Mitglied der Tripartite-Kommission in der Chamber Foto: Editpress/Julien Garroy

Josée Losché („déi greng“) geht gegenüber dem Tageblatt ebenso wie Cruchten auf die Beeinflussung der Preise von außerhalb des Landes ein – die unter anderem durch den Krieg verursacht werden. „Diese Situation ist eine Tatsache, der wir jetzt leider ins Auge schauen müssen, deswegen müssen wir uns auch zusammensetzen“, sagt die Politikerin. „Wir wären ja auch froh, wenn dem nicht so wäre.“ Gerade die ärmeren Menschen im Land hätten unter den steigenden Preisen zu leiden, darunter zum Beispiel Alleinerziehende. Daher müsse man sich Gedanken machen, welche gezielten Abfederungsmaßnahmen für die Betroffenen möglich seien, statt generalisierte Hilfen an alle zu verteilen, erklärt Lorsché.


Der „Lëtzebuerger Konsumenteschutz“ (ULC) fordert in einer Pressemitteilung mehrere Maßnahmen hinsichtlich der neuen Statec-Inflationsprognose
Der „Lëtzebuerger Konsumenteschutz“ (ULC) fordert in einer Pressemitteilung mehrere Maßnahmen hinsichtlich der neuen Statec-Inflationsprognose Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Der „Lëtzebuerger Konsumenteschutz“ (ULC) fordert in einer Pressemitteilung vom Mittwoch, „angesichts der stark geschrumpften Kaufkraft der Verbraucher, dass im Falle einer zusätzlichen Indextranche diese zeitgleich auszuzahlen wäre“. Das Indexsystem müsse im Interesse der Verbraucher „wieder seinen normalen Weg finden“. Außerdem verlangt der Verbraucherverband eine Erhöhung des staatlichen Tankrabatts von 7,5 auf 15 Cent pro Liter Sprit – zumindest bis die Energiekrise abgeflaut sei. Darüber hinaus sei laut ULC erneut eine Verdoppelung des maximalen Einkommensbetrages zur Erhaltung der „allocation de vie chère“ sowie die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation angebracht.


Jean-Paul Olinger, Direktor der „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL)
Jean-Paul Olinger, Direktor der „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL) Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Jean-Paul Olinger, Direktor der „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL), sagt: „Die Regierung hat eine weitere Analyse für September angefragt und das zeigt ja auch, dass die Zahlen momentan noch etwas unsicher sind.“ Es handele sich derzeit durchaus um eine besorgniserregende Situation, so Olinger. „Es ist etwas trügerisch: Es ist schönes Wetter draußen, viele Menschen sind in den Ferien, wir kommen gerade aus einer Covid-Zeit heraus.“ Gewissermaßen herrsche derzeit wirtschaftlich gesehen eine Art „Ruhe vor dem Sturm“, sagt der UEL-Direktor. „Wir hatten jetzt viele Jahre Wachstum, aber irgendwann hört das auf.“ Die Betriebe hätten jedoch auch kein Interesse daran, dass es den Menschen schlecht gehe – weshalb der Sozialdialog laut Olinger auch immer geholfen habe. „Es gibt eine Vereinbarung, die wurde unterschrieben von der Regierung, den Gewerkschaften und von uns – und die sieht vor, dass jede Tranche mit einer Verzögerung von zwölf Monaten ausbezahlt wird. Sie sieht aber auch vor, dass man sich nochmal zusammensetzen muss, um weitere Kompensierungen auszuarbeiten.“


Romain Wolff, Präsident der Staatsbeamten-Gewerkschaft CGFP
Romain Wolff, Präsident der Staatsbeamten-Gewerkschaft CGFP Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

„Es muss jetzt Schluss sein mit dem Verschieben“, sagt Romain Wolff am Mittwochmorgen in einem RTL-Interview. Der Präsident der Staatsbeamten-Gewerkschaft CGFP meint damit eine weitere Verschiebung der Index-Tranche. Die vergangene Tripartite-Vereinbarung, die auch die CGFP unterstützt hatte, habe damals auf Prognosen basiert, die sich schnell als falsch herausgestellt hätten. Man solle sich deswegen für die nächsten Tripartite-Verhandlungen Zeit nehmen. Und: Genau wie Nora Back, ist Wolff der Meinung, dass nicht nur die Index-Tranche auf dem Verhandlungstisch liegen dürfe. So müsse beispielsweise die Steuertabelle angepasst werden.

Harry
6. August 2022 - 18.26

Dieses ganze Index-Getue nervt, sollten einfach diese Indextranchen bei Fälligkeit auszahlen,anstatt alles zu verschieben was alles noch komplizierter und umständlicher macht, dieses Getue bringt dreimal nichts,konzeptloser gehts wohl nicht.

Filet de Boeuf
4. August 2022 - 15.12

Herr Grober, Die höchste Berufslaufbahn beim öffentlichen Dienst in der "Administration générale" ist grösstenteils die A1 (Master) und die können sie leicht nachrechnen. 560 Punkte x 20,07 sind 11.239,2 € Brutto. Anders sieht es nur bei der Magistratur aus, da sind's 700 Punkte, also 14.049,00 Euro, und bei der Polizei/Armee, da sind's 647 Punkte, also 12.985,29 Euro brutto. Der Premierminister (oberster Herr der Generalverwaltung) hat zum Beispiel 940, also 940 x 20,07 = 18.865,8 Brutto ohne Nebeneinkünfte. Dort in der Gegend liegen auch die anderen Minister und Staatssekretäre.

De soziale Fred
4. August 2022 - 12.39

Et gët nëmme vun der Mëttelschicht geschwât, well dee klenge Biirger existéiert net méi, dee liewt op der Strooss. Also Alles wât fonctionnaire d‘état oder Politiker as waarscheinlech de Mëttelstand, an déi mussen lo blechen déi Aarm.

Waldemar
4. August 2022 - 11.34

Theater, Theater, eng traureg Geschicht an engem Akt gespillt vu bal nëmmen Statisten mat e puer Laiendartsteller.

Grober J-P.
4. August 2022 - 10.38

"Das treffe vor allem die Mittelschicht, so Roth," Alle reden von der Mittelschicht, ab wann gehört man dazu? Ein junger Mensch mit Master und 2900 Brutto, ein Rentner mit 3000 Netto, ein Staatsdiener mit 24000 Brutto? Bei wem "geht es denn nicht" H. Roth?