Kindergarten auf DistanzSo läuft das mit der Schule zu Hause aus Sicht einer „Spillschoulsjoffer“

Kindergarten auf Distanz / So läuft das mit der Schule zu Hause aus Sicht einer „Spillschoulsjoffer“
Kleine Kinder sind beim Lernen zu Hause auf die Eltern angewiesen Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ab dem 4. Mai werden in Luxemburg einige Schulen öffnen. Die Kinder der Grundschule müssen allerdings noch bis zum 25. Mai warten. Das Tageblatt sprach mit Nancy, einer „Spillschoulsjoffer“ aus der Hauptstadt, unter anderem über ihre Erfahrungen mit der Schule zu Hause.

Tageblatt: Als Kindergartenlehrerin müssen Sie noch ein paar Wochen länger bis zum Schulbeginn warten. Was halten Sie davon?

Nancy: Ich bin froh, dass Eltern und Lehrer endlich wissen, wie es weitergeht. Die Zeit fängt an, lang zu werden, vor allem für die Kinder, deren Eltern nicht so mit ihnen arbeiten, wie es eigentlich sein sollte. Kleine Kinder sind, da sie ja weder lesen noch schreiben können, beim Lernen zu Hause auf ihre Eltern angewiesen. Was jetzt den Schulbeginn am 25. Mai betrifft, ist noch vieles unklar, wie ja auch der Minister gesagt hat. Es ist aber sonderbar, vor allem weil eine Woche später bereits die nächsten Ferien – die Pfingstferien – beginnen.

Schon seit Mitte März findet kein regulärer Unterricht mehr statt. Fehlen Ihnen „Ihre“ Kinder?

Ja, natürlich. Auch wenn sie einen während der Schulzeit etwas stressen können, merkt man doch, wie sehr man an ihnen hängt, wenn man sie ein paar Wochen nicht sieht.

Wie sieht der Alltag mit der Arbeit von zu Hause aus für Sie aus?

Ich arbeite viel am Computer, recherchiere im Internet, was ich noch mit den Kindern tun könnte. Anfangs gab es auch viele E-Mails vom Ministerium, das viel Wert darauf legt, dass wir in regem Kontakt mit den Eltern stehen. Wie wir das tun, wurde uns selber überlassen. Und dann ist da natürlich noch der Austausch mit den Kollegen.

Wie ist dieser Austausch?

Ich bin persönlich sehr froh, dass der Kontakt zwischen dem Lehrpersonal bestehen geblieben ist. So kann einer dem anderen helfen. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe gegründet, über die wir viel kommunizieren, allerdings nicht nur über die Arbeit, sondern auch, um uns gegenseitig aufzumuntern.

Wie ist der Kontakt mit den Eltern?

Fast alle Eltern meiner insgesamt 16 Schüler haben sich wenigstens einmal bei mir gemeldet, allerdings tun es nur rund die Hälfte regelmäßig. Bei den anderen sind es bis dato nur zwei- oder dreimal gewesen. Eine alleinstehende Mutter hat sich bis jetzt noch gar nicht gemeldet. Ich habe sogar einen Brief in ihren Briefkasten geworfen – ohne Ergebnis. Die, die sich regelmäßig melden, sagen aber nicht nur „Hallo“, sondern sind aktiv: Sie schicken mir zum Beispiel Fotos von den Kindern, was mich sehr erfreut, und fragen natürlich, wie es mir geht. Mit manchen von ihnen führe ich lange Telefongespräche. Ein Vater hat mir sogar vorgeschlagen, gemeinsam mit seinem Kind über FaceTime zu kommunizieren. Ich fand das eine gute Idee und habe das den anderen vorgeschlagen. Bis dato ist aber noch niemand darauf eingegangen.

Im Internet zirkulieren viele Witze über Eltern, die der Situation zu Hause mit den Kindern nicht gewachsen sind. Trifft das in der Realität zu?

Nein, ich glaube nicht, dass es so schlimm ist und die Eltern es nicht mehr aushalten, außer sie trauen sich nicht, es zuzugeben. Ich glaube, dass die Eltern froh sind, dass sie selbst mit den Kindern arbeiten können. Problematisch ist es dort, wo mehrere Kinder im Haushalt sind. Dort scheint es so zu sein, dass sich die Eltern meistens vorrangig mit den Hausaufgaben der Kinder beschäftigen, die in die Grundschule gehen, was ich aber als normal empfinde. Hinzu kommt, dass viele Eltern ja auch arbeiten müssen, und zudem von zu Hause aus. 

Was ist das größte Problem für Kinder, wenn sie so lange nicht zur Schule gehen?

Dass sie das vergessen, was sie bis dahin gelernt haben. Vor allem ausländische Kinder, bei denen kein Luxemburgisch zu Hause gesprochen wird, riskieren, das bisschen Luxemburgisch, das sie gelernt haben, wieder zu vergessen. Einer meiner Schüler hatte gerade erst angefangen, die Sprache ein wenig zu sprechen. Schade, wenn das jetzt alles weg wäre. Bei Mathematik ist die längere Pause kein Problem – einmal verstanden, ist das Ganze „acquis“. Schwieriger ist es im Fach „Découverte du monde“ über Entdeckungen im Alltag wie Tiere, die Natur usw. Da könnten Schüler den Wortschatz vergessen.

Und die sozialen Benimmregeln?

Das werden wir sehen. Oft wissen die Kinder, dass die Lehrerin nicht alles durchgehen lässt, was zu Hause erlaubt ist. Ich kann mir aber vorstellen, dass ich sie in der ersten Woche öfters zur Ruhe ermahnen muss. In ihrem Alter sind die meisten sehr mitteilsam.

Welche Hausaufgaben geben Sie den Kindern?

Oh, da gibt es einiges, zum Beispiel Maldiktate. Ich schicke den Eltern den Link eines Videos, in dem eine Lehrerin vorsagt, was gemalt werden soll. Die Eltern sollen mir die Fotos von den Bildern zurückschicken und mir auch Feedback über eventuelle Schwierigkeiten geben. Eine andere Hausaufgabe war, eine Collage anzufertigen: Ich habe allen einen Umschlag mit Material, also farbigem Papier und DIN-A3-Blätter, zukommen lassen, dazu eine Anleitung auf Französisch und Luxemburgisch, die Eltern konnten es den Kindern allerdings in der Muttersprache erklären. Auch hiervon sollten die Eltern mir Fotos schicken

Also nur malen und basteln?

Nein, Ich gebe auch Aufgaben, die das Zahlenverständnis trainieren, zum Beispiel mit einem Kartenspiel: Die Kinder drehen zwei Karten um; ist es zweimal die gleiche Zahl, können sie die Karten behalten. Oder noch einfacher: Ein Erwachsener zeigt auf eine Zahl und das Kind muss die entsprechende Karte auswählen. Auch beim Spazierengehen kann man das Zahlenverständnis trainieren, zum Beispiel können Kinder alle gelben Blumen aufzählen und die Anzahl mit den Fingern zeigen.

Wie sehen Kinder Ihrer Einschätzung nach die ganze Situation? Sind Ihnen Reaktionen bekannt?

Ich glaube nicht, dass die Kinder verstehen, was die Corona-Krise bedeutet. Ich glaube, sie sehen das eher als große Ferien. Aber soweit ich das vom Feedback der Eltern beurteilen kann, sind die Kinder motiviert und haben Spaß daran. Ich habe ihnen unter anderem Aufnahmen der Lieder geschickt, die wir in der Klasse gesungen haben, damit sie diese zu Hause singen können. Ein Kind hat mir dazu begeistert am Telefon gesagt: „Meine Mutter singt die gleichen Lieder mit mir, wie du mit uns in der Schule.“

Sind die Hausaufgaben eigentlich obligatorisch?

Ich habe den Eltern zwar keine Abgabefrist gesetzt, aber die Aufgaben sind obligatorisch. Falls die Arbeiten nicht gemacht werden, wird dies im „Bilan intermédiaire“ vermerkt.

Welche Ratschläge würden Sie den Eltern geben?

Sie sollen auf jeden Fall den Kontakt zu der Lehrerin aufrechterhalten und keine Angst haben, mit ihr über Probleme zu reden. „D’Joffer“ hat vielleicht eine Lösung parat. Die Eltern sollen nicht vergessen: Sie sind nicht das Lehrpersonal – Eltern und Lehrer haben verschiedene Rollen. Sie sollen auch nicht zögern, uns Fotos von den Kindern zu schicken. Ich freue mich persönlich darüber, zu sehen, dass es den Kindern gut geht. Immerhin habe ich sie alle sehr gern.