JustizSo funktioniert die „Ju-Cha“-Datenbank

Justiz / So funktioniert die „Ju-Cha“-Datenbank
 Foto: dpa/Sven Hoppe

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Was ist „Ju-Cha“?

Ju-Cha ist eine Anwendung der Staatsanwaltschaft. Sie ist die zentrale Datenbank für alle mit Strafsachen befassten Justizdienste. „Sie fasst die meisten computergestützten Verarbeitungen, die den mit Strafsachen befassten Dienststellen der Justiz ganz oder teilweise zugänglich sind, in einer einzigen Anwendung zusammen“, heißt es im Avis der ACJ. Die Ju-Cha-Datenbank verwaltet dabei auch Papierakten. In den Computer-Einträgen ist ersichtlich, wo sich die Papier-Akte befindet – und auch, welche Personen betroffen sind oder um welche Straftaten es sich handelt. „Die Ju-Cha-Applikation deckt den gesamten Prozess eines Strafverfahrens ab, von der Mitteilung des Sachverhalts an die Staatsanwaltschaft bis zur endgültigen Entscheidung über die Anklageerhebung einschließlich der Eintragung in das Strafregister. Sie umfasst auch die Vollstreckung von Strafen“, heißt es im Avis. Darüber hinaus werden auch Daten der „Abteilung für Opferhilfe“ des Sozialamts über Bewährungshilfen, Vormundschaften oder Jugendschutzangelegenheiten dort gespeichert.

Die Ju-Cha-Applikation wurde 2007 zum ersten Mal in Betrieb genommen, die endgültige Version läuft seit 2009.

Seit 2009 wurden 665.967 „natürliche Personen“ in der Ju-Cha-Datenbank erfasst. Davon 349.896 Angeklagte, 16.418 „parties civiles“ und 63.186 Zeugen. „Diese Zahlen geben nicht an, wie viele separate Personen in der Ju-Cha-Anwendung enthalten sind“, schreibt die ACJ dazu. Das liege daran, dass eine Person in einem Prozess mehrere Rollen spielen kann. Einige Akteure, wie die Versicherungsgesellschaften oder der Staat, würden zudem mehrfach aufgeführt. Da es keine personenbezogenen Akten gibt, werden Personen, die in mehreren getrennten Fällen verdächtig werden, auch jedes Mal als neue Person geführt.

Zweck der Datenbank ist vor allem das Verwalten der Akten von Strafprozessen, der Jugendschutz und auch die „Leumunds-Überprüfung“ von Personen.

Wer ist für Ju-Cha verantwortlich?

Verantwortlicher ist eigentlich die Generalstaatsanwaltschaft, heißt es im Avis. Da die Datenbank aber von mehreren Akteuren gespeist wird – Kammern, Gerichten, Staatsanwaltschaften, Untersuchungsrichtern –, ist laut dem Avis „nicht klar, welche Rolle jeder Akteur beim Betrieb von Jucha spielt“.

Leumunds-Beurteilungen

Ju-Cha wird auch dazu verwendet, „Staatsanwälte in die Lage zu versetzen, den Charakter und den guten Leumund einer Person zu beurteilen“. Für die ACJ fehlt es dabei aber an Rechtsschärfe. „Angesichts der mangelnden Genauigkeit der Bestimmungen kann man sich jedoch fragen, welche Kriterien für die Beurteilung der Zuverlässigkeit (moralité) oder des guten Leumunds (honorabilité) von der Staatsanwaltschaft verwendet werden“, schreibt die ACJ. Zudem müssten die Begrifflichkeiten „moralité“ und „honorabilité“ hinsichtlich ihrer Definition geprüft werden.

Suchfunktion

Recherchen können laut ACJ-Avis auf Basis von Personen oder der Rechtssache gemacht werden. Im Fall einer Personensuche kann nach Vornamen, Familiennamen, „Matricule“, Geburtsdatum, Wohnort, Geschlecht und vorhandenen Einträgen gesucht werden. Auch bei der Fallsuche kann nach dem Namen einer der Parteien recherchiert werden.

Von Verurteilten werden die „erforderlichen Daten“ aufbewahrt. Aber auch von anderen Personen werden „identifizierende Daten“ aufbewahrt. Auch Dokumente wie die Procès-verbaux werden gespeichert. Laut ACJ sind die Dossiers nur einer begrenzten Zahl von Richtern und Staatsanwälten sowie einer „begrenzten Anzahl“ von Verwaltungsangestellten zugänglich. „Im Hinblick auf die verfolgten Zwecke erscheinen die in der Ju-Cha-Applikation enthaltenen personenbezogenen Daten nicht unverhältnismäßig“, heißt es im Avis des ACJ.

Wer kann sich was anschauen?

Der Zugang zur Datenbank erfolgt aufgrund einer Authentifizierung à la Lux-Trust und wird nur von Arbeitsstationen gewährt, die „per Kabel“ ans staatliche Computernetzwerk angeschlossen sind. Die Haupt-Nutzerkategorien sind: Generalstaatsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft, Generalinspektion, Gerichtsschreiber, Richter, Ermittlungsrichter, SCAS-Mitarbeiter und Beamte.

Jede Hauptkategorie enthält Unterkategorien mit unterschiedlichen Zugriffsrechten. Insgesamt gibt es 345 unterschiedliche Berechtigungen. „Eine Überholung dieser Rollen wird derzeit geprüft“, heißt es im ACJ-Avis.  Es wird auch protokolliert, wer auf die Daten wann zugreift. Die Aufbewahrungsfrist für diese Logfiles ist derzeit drei Jahre. Laut dem Avis wird derzeit aber nicht der Grund für Änderungen oder Konsultationen der Ju-Cha-Akten festgehalten. Das muss „möglicherweise gemäß dem Gesetz vom 1. August 2018“ angepasst werden, heißt es.

Laut Avis wird „das Risiko des Zugriffs oder Kopierens“ durch Entwickler oder andere Dienste „nicht ausreichend gemindert“. Eine Firma, die die Ju-Cha-Datenbank wartete, hatte „bis März 2020“ ebenfalls einen Zugang.

Aufbewahrungsdauer

Strafverfolgungsakten und damit zusammenhängende Informationen werden „ohne zeitliche Begrenzung in Ju-Cha aufbewahrt“, heißt es im Avis. Die Sichtbarkeit der Informationen nimmt jedoch mit ihrem Alter ab. Je nach Schwere des Delikts werden sie nach zwei bis drei Jahren archiviert. Zum Archiv haben nur noch eine „geringe Anzahl“ von Personen Zugang. Laut ACJ-Avis sind das „im Prinzip nur der Verwaltungschef und der Generalstaatsanwalt sowie dessen Vertreter“.

Die nationale Datenschutzkommission ist der Meinung, dass es Sache des Gesetzgebers sein sollte, die Fristen zur Aufbewahrung zu bestimmen – selbst bei einem streng begrenzten Zugang. Insbesondere, da die Daten derzeit nicht gelöscht werden, kann sich die ACJ ein System vorstellen, dass diejenigen, die auf die Daten zugreifen, dafür einen Grund angeben müssen. Die Art des Vergehens könne ein Kriterium dafür sein, wie lange Daten aufbewahrt werden.

Kritik und Empfehlungen im Avis

Die ACJ kritisiert mehrmals, dass die derzeitige Gesetzeslage für die Ju-Cha-Datenbank nicht ausreicht. Zwar entspreche Ju-Cha „im Großen und Ganzen“ den Anforderungen des Gesetzes vom 1. August 2018. Aber: „Weder die Bestimmungen der Strafprozessordnung noch andere gesetzliche Bestimmungen scheinen alle Merkmale der Vorgänge zu regeln“, heißt es im Avis.

„Es ist anzumerken, dass die zitierten gesetzlichen Bestimmungen zu den Hauptmerkmalen der durch die Ju-Cha-Datenbank durchgeführten Verarbeitung schweigen“, heißt es im Avis. Das ACJ untersuchte als rechtliche Basis daher ausschließlich das Gesetz vom 1. August 2018, das die EU-Datenschutzgrundverordnung im Bereich Strafsachen und nationale Sicherheit umsetzte.

Die ACJ findet, dass eine neue „Rechtsgrundlage“ dafür geschaffen werden sollte, die die Ziele von Ju-Cha genau festlegt, Aufbewahrungsfristen und Zugangskriterien bestimmt und die Protokollierung regelt.

Die ACJ empfiehlt, dass die Archivierung systematischer durchgeführt wird und dass Nutzern die Möglichkeit gegeben werden soll, Gründe für Konsultationen oder Änderungen zu geben. Der Zugang für die externe Firma, die die Datenbank entwickelt hat, sollte „weiter eingeschränkt“ werden und müsse einem strengeren Kontrollmechanismus unterliegen.

Die „Autorité de contrôle judiciaire“

Die „Autorité de contrôle judiciaire“ (ACJ) wurde 2018 geschaffen, um der EU-Richtlinie zum Datenschutz gerecht zu werden. Sie teilt sich mit der nationalen Datenschutzkommission CNPD die Verantwortung für die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung in Luxemburg. Dabei ist sie jedoch ausschließlich für den Datenschutz im Luxemburger Rechtssystem zuständig.

Die ACJ setzt sich – normalerweise – aus sechs Mitgliedern zusammen: dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, einem Vertreter eines weiteren Gerichts, dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs, dem Generalstaatsanwalt, einem Vertreter der Staatsanwaltschaft Luxemburg oder der Staatsanwaltschaft Diekirch – und einem Repräsentanten der nationalen Datenschutzkommission. Den Vorsitz hat der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Jean-Claude Wiwinius.

Im Falle des Avis zur Causa „Ju-Cha“ haben sich die Vertreter der Staatsanwaltschaften für befangen erklärt. „Sie waren nicht an der Ausarbeitung des Avis beteiligt“, heißt es von der Justiz. 

Die ACJ ist als gerichtliche Datenschutzaufsichtsbehörde für die Überprüfung der von Gerichten und Staatsanwaltschaften durchgeführten Verarbeitung personenbezogener Daten zuständig. sen/sid