Ein gewaltiger Kran kündet am Sofioter „Tsar Osvoboditel“-Boulevard von Bulgariens Zeitenwende. Rund um die Uhr bewacht die Polizei die umstrittenste Baustelle im Balkanstaat. Ein Jahrzehnt nach dem sowjetischen Einmarsch in Bulgarien war das 37 Meter hohe Monument zu Ehren der Roten Armee 1954 unweit der Universität von Sofia errichtet worden. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatenwelt hatte Sofias Stadtrat zwar bereits 1993 die Entfernung der wuchtigen Huldigung für die einstige Besatzungsarmee verfügt. Doch diese blieb drei Jahrzehnte aus. Der Grund: Rücksicht auf Moskau, aber auch russophile Sentiments im Land selbst ließen Stadtmütter und Väter von dem beschlossenen Denkmalsturm lange zurückschrecken.
Der Park um das kontroverse Kriegsmonument hat sich zum Treffpunkt der örtlichen Punk-, Hip-Hop- und Skater-Szene gemausert. Das abgetakelte Denkmal selbst machte zuletzt vor allem durch kontroverse Bemalungen von sich reden.
2011 verwandelte ein Graffiti-Kollektiv die im Sockel abgebildete Soldatengruppe in US-Ikonen wie Superman, Santa Claus oder Ronald McDonald, um den Zeitenwandel zu illustrieren. Aus Protest gegen die russische Besatzung der Krim wurden die Uniformen der Denkmalsoldaten 2014 mit den ukrainischen Landesfarben bemalt. In blutigem Protestrot leuchtete das Soldatenornament nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022.
Wir demontieren nicht nur ein Denkmal, sondern verschaffen uns die Möglichkeit, Geschichte erneut durch unser eigenes Prisma zu verstehen und nicht durch das der russischen Propaganda
Offiziell wurde der Abbau des bröckelnden Denkmals aus „Sicherheitsgründen“ angeordnet. Aber es sind der Ukraine-Krieg und die Machtwechsel im Sofioter Rathaus und auf Bulgariens Regierungsbank, die das Ende des Soldatenmonuments besiegelt haben.
Marija Sacharowa schäumt, andere sind erleichert
260.000 Lewa, umgerechnet 130.000 Euro, lässt sich die Stadt allein dessen Demontage kosten. Dessen Skulpturen sollen hernach restauriert werden, aber keinesfalls an ihren bisherigen Platz zurückkehren: Wie die Ornamente werden diese vermutlich ins Museum für Sozialistische Kunst wandern.
Vor einer „Restaurierung des Faschismus in Bulgarien“ warnt düster der Parlamentarier Georgi Swilenksi von den russophilen Sozialisten (SPS). Sofia habe „wieder einmal die falsche Seite der Geschichte gewählt“, schäumt derweil in Moskau Marija Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums: „Bulgarien wird die Konsequenzen dieser schändlichen Entscheidung voll zu zahlen haben.“
Erleichterung macht sich hingegen bei den Gegnern des als „Symbol des russischen Imperialismus“ kritisierten Monuments breit. Dieses habe nicht nur auf die Hauptstadt, sondern „auf unsere gesamte Geschichte einen Schatten geworfen“, so der prowestliche Parlamentarier Iwajlo Mirtschew: „Wir demontieren nicht nur ein Denkmal, sondern verschaffen uns die Möglichkeit, Geschichte erneut durch unser eigenes Prisma zu verstehen und nicht durch das der russischen Propaganda.“
De Maart
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