„Sie verstehen Europa nicht“: Wieso ein Analyst am rumänischen EU-Ratsvorsitz zweifelt

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Nicht nur der EU-Austritt von Großbritannien und die bevorstehenden Haushaltsplanungen, sondern auch die Übernahme des EU-Vorsitzes durch ein Problemkind drohen Brüssel im nächsten Halbjahr zu schaffen zu machen. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Thomas Roser erläutert der Analyst Cristian Pirvulescu, warum er Rumäniens EU Präsidentschaft eher skeptisch entgegenblickt.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Tageblatt: Ist Rumänien auf den EU-Vorsitz vorbereitet?

Cristian Pirvulescu: Technisch gibt es keinerlei Probleme. Rumänien hat ein sehr gutes Team von sachkundigen Fachleuten in Brüssel und in Bukarest, das die EU-Präsidentschaft vorbereitet. Trotzdem haben wir kurz vor dessen Beginn immer noch kein klares Programm und keinen Zeitplan für den EU-Vorsitz. Doch das Problem liegt auf dem politischen, nicht auf dem operativen Niveau.

Wie meinen Sie das?

Premierministerin Dancila und die meisten ihrer Minister sind absolut nicht erfahren und verstehen Europa nicht. Ich glaube nicht an die Kapazitäten dieser Regierung, die europäischen Probleme und Abläufe zu verstehen – und zu managen.

Ist es keine Hilfe, dass die Regierungschefin früher selbst im Europaparlament saß?

Es stimmt, dass Dancila Europaabgeordnete war. Aber sie hat keinerlei Erfahrung beim Umgang mit solch sensiblen Problemen, vor denen nun die EU steht. Auch was die Richtung ihrer Politik angeht, haben wir ein Problem: Viele Minister glauben selbst an die von ihnen verbreitete These eines gegen die Regierung operierenden Parallelstaats der Justiz. Allenfalls Liviu Dragnea (der Chef der regierenden PSD; Anm.d.Autors) nutzt diese Verschwörungstheorien ähnlich bewusst für seine Zwecke wie Ungarns Premier Viktor Orban.

Inwiefern ist das seit fast zwei Jahre anhaltende Tauziehen um die Unabhängigkeit von Rumäniens Justiz für den EU-Vorsitz eine Belastung?

Erst vor zwei Wochen hielt PSD-Chef Dragnea eine antieuropäische Rede – und das ist für den EU-Vorsitz natürlich ein Problem. Ihm ist es bereits geglückt, das Justizsystem in Rumänien weitgehend zu zerstören – das gilt nicht nur für die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption, die inzwischen nur noch eine Fiktion ist.

Und welche Auswirkungen könnte das angespannte Verhältnis zwischen der Regierung und Staatschef Johannis auf Rumäniens EU-Vorsitz haben?

In Rumänien ist eine ständige Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und der Regierung in außenpolitischen Fragen sehr wichtig. Normalerweise ist es die Regierung, die das Land im EU-Rat vertritt. Doch laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichts von 2012 ist es der Präsident, der das Land bei EU-Gipfeln repräsentiert. Die Kooperation zwischen dem Präsidenten und der Regierung ist schon jetzt sehr kompliziert – und hart. Und das erschwert die Bedingungen für eine gute EU-Ratspräsidentschaft.

Fürchten Sie, dass auch Rumäniens Wahljahr den EU-Ratsvorsitz beeinträchtigen könnte?

Im Mai steigen die Europa- und im November die Präsidentschaftswahlen. PSD-Chef Dragnea hat sich bereits als Präsidentschaftskandidat positioniert. Er hat keinerlei Interesse, dass sich Präsident Johannis als Gastgeber des EU-Gipfels im Mai als Rumäniens starker Mann präsentieren kann. Ich glaube, dass die PSD mit Hilfe der von ihr unter Kontrolle gebrachten Justiz darum versuchen wird, Johannis in eine schwierige Lage zu manövrieren und seine Legitimität in Frage zu stellen. Schon jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen seine Frau wegen angeblich zweifelhafter Immobiliengeschäfte eingeleitet. Es könnte nun noch die von Dragnea geforderte Anklage gegen Johannis wegen Landesverrats folgen.

Glauben Sie, dass diese Regierung bis zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft amtieren wird?

In diesem Moment hat die Regierung keine eigene Mehrheit im Parlament. Das kann zu einem Problem für Rumänien im nächsten Halbjahr werden. Das Problem der Opposition ist bisher, dass sie die Parlamentsmehrheit nicht von der Notwendigkeit eines Regierungswechsels überzeugen konnten. Aber wenn sich das Kabinett als unfähig erweist, das EU-Dossier zu meistern, ist ein Regierungswechsel in den nächsten sechs Monaten durchaus möglich. Auch in anderen EU-Staaten kam es während der Präsidentschaft schon zu Regierungswechseln.