EditorialSchwierige Lage in exzellenter Atmosphäre – von den Botschaften der vergangenen Woche

Editorial / Schwierige Lage in exzellenter Atmosphäre – von den Botschaften der vergangenen Woche
Wiseler, Frieden und Bettel vergangene Woche in Senningen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Eine Woche sind die Wahlen her. Luc Frieden, Xavier Bettel und ihre Parteien geben Gas. Die Lage des Landes ist „schwierig“ (Luc Frieden), aber das wird in „exzellenter Atmosphäre“ besprochen (auch Luc Frieden). Die ersten Gespräche in Senningen wurden geführt, die ersten Experten und Interessenvertreter gehört.

Das ist gut, es soll und muss vorangehen. Es erzeugt aber auch ein Bild. Es sind Tage und Wochen, an denen politisches Terrain vorbereitet wird. Das geht am besten, indem eine gewisse Stimmung erzeugt wird – erste harte Maßnahmen, sollten sie nötig werden, brauchen eine gewisse Akzeptanz im Land, damit die Laune nicht noch weiter kippt. Ganz nach dem Motto: Geht halt nicht anders.

Luc Frieden, Formateur mit besten Aussichten auf den Staatsministerposten, nannte die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes in einer der ersten Wortmeldungen „schwierig“. Zudem gab es ein Bekenntnis zum Triple A und damit zur Schuldenobergrenze von 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Bereits jetzt hat sich die CSV damit wohl auch die Erfüllung eines ihrer prominentesten Wahlversprechen eingespart – jenem der Steuervorteile für alle, was sich nun einmal nicht gut auf „schwierige“ Lage reimt.

Alles keine Überraschung, aber trotzdem sollte ab da jedem klar gewesen sein, wo die Reise hingeht: Kommt es hart auf hart, wird gespart – nur wo und wie das geschehen soll, wird sich dann noch zeigen müssen.

Am Tag der „schwierigen“ wirtschaftlichen und finanziellen Lage haben Schwarze und Blaue ebenfalls die Bekämpfung der Armut in diesem weiterhin reichen Land zur Chefsache erhoben. Dass das nötig ist, muss sich die abgewählte Dreierkoalition ankreiden lassen: Auch in zehn Jahren der Mitte-links-Regierung unter DP, LSAP und Grünen sind die Ungleichheiten in Luxemburg gestiegen – ihr größtes Versäumnis. Bislang haben die Aussagen von Frieden, dessen CSV „null Armut“ („zero poverty“) im Wahlprogramm versprach, aber nicht mehr als Symbolcharakter. Man darf gespannt sein, ob den Worten hier tatsächlich Taten folgen.

Dabei fällt die „schwierige“ Lage nicht vom Himmel. Um die Folgen der Pandemie, des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise abzufedern, hat die abgewählte Bettel-II-Regierung viel Geld auf den Tisch gelegt. Damit wurde nicht nur ein Loch gerissen, das hat auch dazu geführt, dass Luxemburg diese Krisen im Vergleich zu anderen Ländern noch recht gut gemeistert hat. So hatte Luxemburg beispielsweise eine der niedrigsten Inflationsraten in der Europäischen Union.

Frieden erwähnte diesen Hintergrund der „schwierigen“ Lage nicht – er passt auch nicht in das Bild, das jetzt transportiert werden soll: Von den ersten Gesprächen an gaben sich die CSV und die DP als Retter auf eigentlich unmöglicher Mission, bei der es keine Sekunde zu verlieren gäbe, da das Schiff schon am Kentern wäre.

So sind auch die ersten Statusmeldungen aus Senningen zu interpretieren. Viel Symbolcharakter – und Stimmungsmache – dafür, dass es bald ernst werden könnte. So könnte die von der CSV versprochene „neue Politik“ am Ende doch nur ein Deckmantel für alte Sparpolitik auf Kosten der Schwächeren sein. Damit ein solcher Deckmantel so lange wie möglich hält, brauchen CSV und DP die dafür „exzellente Atmosphäre“ im Land.

Emile Müller
23. Oktober 2023 - 13.32

Dass irgendwann mal gespart werden muss und die Staatsverschuldung abgebaut werden muss kann och niemanden verwundern. Es stimmt auch dass die Regierung Bettel-II, viel Geld aus den Staatskassen genommen hat um uns durch die Krisen zu bringen, jedoch war es auch die Regierung Bettel-I, welche es während den guten Jahren verpasst hatte Rücklagen anzulegen. Es fehlte halt an Weitsicht.

liah1elin2
16. Oktober 2023 - 14.53

@Romain Im Umkehrschluss heisst dies nun, ab jetzt alles zu Lasten der Steuerzahler? Die neue Regierung wird sehr bald am Index rumschrauben, wie vor Gambia ja schon probiert. Ein AAA zu erhalten bedeutet auch, dass ua die Sozialkosten nicht ansteigen dürfen um die Armut zu senken, es sei denn, die Finanzierung erfolgt über Steuererhöhungen. Diese Schritte zu akzeptieren braucht jedoch eine solidarische Gemeinschaft wie in skandinavischen Ländern, doch sowas sehe ich in Luxemburg nicht. Gambia hat die Pandemie und die Verwerfungen des Ukraine-Konflikts umsichtig und mit Bravour angegangen und gut gelöst, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wie zb Österreich.

Jill
16. Oktober 2023 - 13.19

Herr Back, apropos „Stimmungsmache“ - Zuerst wird Ihren Lesern ein Rechtsruck suggeriert, wo keiner ist und jetzt wird „Stimmung“ gemacht gegen eine Regierung, die noch nicht mal steht. Egal waat!

Romain
16. Oktober 2023 - 11.31

Gambia hat vieles gratis gemacht. Alles auf Kosten der Staatsverschuldung. Da muss ein Sparkonzept kommen.

JJ
16. Oktober 2023 - 10.59

Wie gesagt. Ein déjà vu aus den 70-gern. Index und Steuer im Visier. Das Loch das die Pandemie gerissen hat muss gestopft werden. Also keine Velodrome und Radbrücken mehr, sondern Steuern rauf.Die skandinavischen Länder sind gutes Beispiel.Höchste Steuern und Menschen am zufriedensten in ganz Europa. Wir haben ja jetzt einen Frieden.Mal sehen ob wir in einem Jahr noch zu Frieden sind.

Grober J-P.
16. Oktober 2023 - 9.19

"da das Schiff schon am Kentern wäre." Versteh die Welt nicht mehr, und trotzdem wählt man die "Riege" zurück die am Kentern mitgeholfen hat. Freue mich auf die nächsten Steuererhöhungen.