EditorialSchuss vor den Bug – Das Internet macht uns verwundbar wie nie zuvor

Editorial / Schuss vor den Bug – Das Internet macht uns verwundbar wie nie zuvor
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Luxemburg wurde in der vergangenen Woche Opfer eines Angriffs. Die Attacke spielte sich nicht in der realen Welt ab, sondern im Internet. Einige staatliche Institutionen – und auch das Tageblatt – waren eine Zeit lang nicht mehr im Netz erreichbar. Alles in allem kann man sagen, dass Luxemburg den Angriff gut überstanden hat. Nur: Die Attacke am Donnerstag war nur ein Warnschuss aus einer Spielzeugpistole.

Das Internet ist für den friedlichen Austausch von Wissenschaftlern entwickelt worden. Aber insbesondere Russland hat die virtuelle Welt schon vor langer Zeit als Schlachtfeld entdeckt. Nicht erst seit dem Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 versuchen seine Troll-Armeen, Propagandisten und Hacker das Weltgeschehen, unsere Gesellschaften und unsere Politik zu ihren Gunsten zu verändern.

Russland mischte im virtuellen Raum genauso bei der Brexit-Abstimmung wie bei der Wahl Donald Trumps mit. Und es spielt eine große Rolle beim Aufstieg der neuen Rechten in Europa. Es sind zuvor undenkbare Entscheidungen und Entwicklungen. Sie gehen nicht nur auf „Unzufriedene“ in der Gesellschaft zurück. Die Gesellschaft wurde unzufrieden gemacht. Die Rechnung ist einfach: Wenn wir nicht mehr geschlossen auftreten, dann sind wir schwach. Ein leichterer Gegner.

Jetzt also ein physischer Angriff auf Luxemburg. Dabei war die Attacke am Donnerstag brutal und kunstlos. Eine bloße Schwemme von Anfragen überforderte die Server, auf denen die Inhalte gespeichert waren. Dafür braucht man keine fortgeschrittenen Computerkenntnisse. Nur etwas Kapital, um ein Netzwerk zu mieten, das dann die Anfragen stellt.

Es gibt viel größere Bedrohungen dort draußen, die nur darauf warten, über das Netz in unser Land und unser Heim einzufallen. Hacker können in staatliche Systeme eindringen, sie können unsere Daten herunterladen und manipulieren, sie können sogar unsere Nachrichtenfeeds ändern, bis wir am Ende nichts und niemandem mehr glauben können. „Wir verzeichnen seit Ende 2022 einen signifikanten Anstieg von Datenlecks, die auf Hacktivisten zurückgehen“, sagte am Freitag ein Cyber-Experte gegenüber dem Tageblatt. Und dabei geht es nicht mehr um Anfrage-Schwemmen. „Die Hacktivisten haben Wissen darüber gewonnen, wie man über Social Engineereing, kompromittierte Zugangsdaten und nicht ausreichend geschützte Ressourcen Zugang bekommt – und sensible Daten exfiltriert.“

Das Land und Europa muss sich auf Schlimmeres vorbereiten – und endlich auch Probleme in den Griff bekommen, die seit langem bestehen. Jedem sollte klar sein: Das Internet ist mittlerweile die kritischste Infrastruktur, die wir haben. Wir erledigen von Banküberweisungen über Einkäufe bis hin zu Friseurterminen unsere Geschäfte hier. Wir beantragen Pässe, Katasterauszüge und Geburtsurkunden im Netz. Unsere Fabriken, Lieferanten und Vertriebe sind vernetzt. Unsere Ärzte sind online. Unsere Häuser sind online. Unsere Autos sind online. Wir beziehen unsere Nachrichten und Informationen aus dem Netz. Wir kommunizieren fast ausschließlich über das Netz. Es ist alles so schön praktisch und schnell. Und das macht uns so verwundbar.