Kolumne„Schmitchen Schütze“: Petz Lahure über den 4:2-Sieg gegen Portugal vor 60 Jahren

Kolumne / „Schmitchen Schütze“: Petz Lahure über den 4:2-Sieg gegen Portugal vor 60 Jahren
Die Mannschaft, die Portugal am 8. Oktober 1961 mit 4:2 schlug: V.l.n.r.: René (Neggy) Schneider (teilweise verdeckt), Paul Steffen, Jules Zambon, Fernand Brosius, François (Bitzi) Konter, Nicky Hoffmann, Erny Brenner, Henri Cirelli, Jeannot Hoffmann, Ady Schmit, Jean Vandivinit. Privatarchiv: Petz Lahure

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Es gibt Tage, die gelten als Anfang einer Ära. Ein solcher Tag ist für den Luxemburger Fußball der 8. Oktober 1961. Der Sommer ist vorbei, es herbstet sehr. Das Wetter lädt nicht unbedingt zu einem Gang ins Stadion ein. Das WM-Qualifikationsspiel gegen Portugal aber steht an. Der Regenmantel muss mit.

Rund 6.000 Fußballbegeisterte lassen sich durch die launenhafte Witterung nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie wollen die Partie gegen die Portugiesen sehen, deren Nationalteam hauptsächlich aus Spielern von Benfica Lissabon, dem amtierenden Europapokalsieger der Meister, besteht.

Highbury als Test

Benfica kennen die heimischen Fußballfans vom Schwarz-weiß-Fernseher. Sie erinnern sich an die Partie vom 31. Mai 1961 im Berner Wankdorf-Stadion, in dem auch das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 zwischen Deutschland und Ungarn ausgetragen wurde (3:2).

Etwas mehr als vier Monate vor dem Spiel in Luxemburg hat die Lissabonner Mannschaft in Bern den FC Barcelona im Finale des Meistercups ebenfalls mit 3:2 besiegt*. Ein Novum in der Geschichte des Wettbewerbs, denn bis dahin steht mit fünf Erfolgen hintereinander nur der Name des unbezwingbar scheinenden Real Madrid im Palmarès.

Rund ein Jahr vor dem für den Luxemburger Sport denkwürdigen Tag hat der Deutsche Robert Heinz, der zuvor die Rheinland-Auswahl, den VfL Trier und danach Eintracht Trier betreute, die Nationalmannschaft als Trainer übernommen. Seine Karriere als FLF-Coach (insgesamt 64 Spiele zwischen dem 2.10.1960 und dem 23.4.1969) beginnt mit einigen gehörigen Klatschen: 2:4 gegen Belgien B, 0:9 im ersten WM-Ausscheidungsspiel zu Hause gegen England, 0:3 gegen Belgien B, 0:6 im WM-Treffen in Lissabon gegen Portugal, 1:2 und 0:1 gegen Italiens Halbprofis, 1:4 gegen Frankreichs Amateure, 2:4 gegen die Schweiz B und 0:5 gegen Deutschland B.

Dreimal ist „schmitlich“

Im Laufe des Monats September aber scheint Heinz seine Elf auf Touren gebracht zu haben. Sie verliert im Highbury-Stadion von London nach einem 0:3-Pausenstand zwar 1:4 gegen England, wird aber in der zweiten Hälfte mehrmals von den 33.000 Zuschauern applaudiert. Die Raumverteidigung, die Heinz mit seiner Truppe einstudiert hat, zeitigt erste Erfolge. Die Basis für bessere Resultate ist gelegt. Das Ehrentor in London erzielt Camille Dimmer.

Nur zehn Tage nach der Rückkehr von der Insel steht für die Luxemburger Mannschaft das nächste WM-Spiel an. Die Lage ist klar. Da Portugal und England sich im ersten Aufeinandertreffen der Europa-Gruppe 6 in Lissabon 1:1 unentschieden trennten, muss Portugal in Luxemburg gewinnen, um seine Qualifikationschancen zu wahren. Auf dem Spiel steht das Ticket für die Endrunde in Chile. „Das werden wir schon hinkriegen“, meinen die Portugiesen.

Hochmut aber kommt vor dem Fall. Die Luxemburger Mannschaft**, die in einem ungewohnten Dress spielt (weiße Trikots mit blauen Ärmeln, weiße Hosen, blaue Strümpfe), mischt in der ersten Viertelstunde sehr gut gegen den illustren Gegner mit und geht in der 22. Minute zur Überraschung aller in Führung. Aus dem Mittelfeld heraus schickt Jang Vandivinit von der US Düdelingen den kürzlich verstorbenen Heini Cirelli ins Gefecht. Der technisch hochbegabte Alliance-Spieler trickst zwei Bewacher aus und bedient den zur Mitte gespurteten Ady Schmit, der mit einem Gewaltschuss für das 1:0 sorgt.

Das Spiel seines Lebens

Kurz nach der Pause schraubt der Stürmer des CS Fola das Ergebnis innerhalb von nur drei Minuten (53. bis 56.) durch zwei weitere Tore auf 3:0. Für den erst 21-jährigen Schmit (geb. am 18. August 1940), der später als Profi zum französischen Erstligisten FC Sochaux wechselt, ist es das Spiel seines Lebens. Kein „Schmitchen Schleicher“, sondern ein „Schmitchen Schütze“!

Die Zuschauer sind aus dem Häuschen. Das hat es in der über 50-jährigen Geschichte des Luxemburger Fußballs noch nie gegeben. Ein „lupenreiner“ Hattrick, wie die Zeitungen immer so schön schreiben, ist es nicht, denn dafür hätten die drei Treffer ein und desselben Spielers innerhalb einer Halbzeit erzielt werden müssen.

Erst in der 83. Minute kommen die Portugiesen durch ihren jungen Stürmerstar Eusebio, der in Luxemburg als Nationalspieler debütiert, zum ersten Torerfolg (3:1). Dieser Treffer ist allerdings nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Vom Wiederanstoß weg leitet Kapitän Neggy Schneider den Ball zu Heini Cirelli, der Nicky Hoffmann mit einem klugen Pass in den portugiesischen Strafraum anspielt. Unter tosendem Applaus stellt der Aris-Stürmer die alte Torspanne wieder her (4:1). Die Suppe ist gegessen. Den Luxemburgern macht es wenig aus, dass Portugals Rechtsaußen Yaúca in der vorletzten Minute auf 4:2 verkürzt.

Weltweites Aufsehen

Beim Schlusspfiff stürmen die Zuschauer aufs Feld. Sie tragen die elf glückstrahlenden Spieler, allen voran den an einer Verletzung leidenden Jeunesse-Torwart Poli Steffen, auf den Schultern vom Platz.

Das Ergebnis sorgt in der ganzen Fußballwelt für Aufsehen. Die Engländer können es nicht glauben. Ady Schmit hat sie nach Chile geschossen. Für Trainer Robert Heinz ist es der erste große Erfolg seiner Laufbahn. Andere werden folgen, wobei das Portugal-Spiel allgemein als dasjenige gilt, das den Aufstieg in höhere Sphären einleitet. Es ist die Basis für die zwei Jahre später erfolgreiche Europameisterschaftskampagne, die nach dem Ausschalten Hollands sowie zwei Unentschieden und einem verlorenen Entscheidungsspiel gegen Dänemark kurz vor dem möglichen Erreichen des Halbfinales endet.

Nach Portugal baut Heinz im Laufe der Zeit eine Viererabwehrkette (Erny Brenner, Jim Hoffstetter, Fernand Brosius, Bizzi Konter) zusammen, die sich blindlings versteht und die Abseitsfalle manchmal so perfekt spielt, dass den gegnerischen Stürmern (und so manchem Zuschauer) die Lust am Sport vergeht. In ganz Europa redet und schreibt man über die sogenannte Zonenverteidigung, die der deutsche Coach den „Roten Löwen“ eingeimpft hat. „Wir haben nur beschränkte Mittel zur Hand“, sagt Heinz immer wieder. „Deshalb müssen wir schlauer als der Gegner sein.“

Auslandsprofis

Vorne kann der deutsche Trainer fest auf Camille Dimmer oder Johny Léonard zählen, an deren Seite Vollblutfußballer wie Louis Pilot, Ady Schmit, Schnuck May und die spritzigen Außenstürmer Jean und Bizzi Klein (beide nicht verwandt) stehen.

Heinz profitiert auch davon, dass nach und nach immer mehr Spieler bei ausländischen Vereinen unterkommen und er in wichtigen offiziellen Begegnungen im Schnitt auf vier bis sechs dieser Profis zählen kann. Die Reglemente sehen zu dem Zeitpunkt noch nicht vor, dass die Spieler von ihren Vereinen immer für die Nationalmannschaft abgestellt werden müssen.

Nach der EM-Kampagne von 1963 knüpft die so erfolgreiche Mannschaft allerdings nie mehr an ihre Leistungen an, sie verliert manchmal sogar mit fünf Toren Unterschied und kann nur noch am 16. April 1967 im EM-Spiel gegen Polen punkten (0:0).

Einen letzten Höhepunkt gibt es doch noch am 10. April 1969, als Mexiko im Stadion an der Arloner Straße in einem Freundschaftsspiel 2:1 geschlagen wird (Tore von Johny Léonard und Paul Philipp, Eigentor durch Fernand Jeitz). Zehn Tage später folgt die „Katastrophe“ von Polen, wo die Luxemburger Mannschaft mit Mann und Maus untergeht. Luxemburg verliert hoch mit 1:8, zur Pause steht es 0:3.

Krakau und das Ende

Dieses „schlimmste Abenteuer“ in der 113-jährigen Geschichte der FLF beginnt schon tags zuvor in Warschau, wo die Reise zum Spielort Krakau statt mit dem Flugzeug mit einem alten Reisebus fortgesetzt werden muss.

Die Delegation ist rund sechs Stunden lang unterwegs. Sie trifft erst kurz vor Mitternacht in ihrem „Hotel“ ein. Hier herrscht die ganze Nacht über so emsig „Betrieb“, dass es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist, zum Schlaf zu finden.

Der Anstoß des Spiels ist auf die ungewohnte Mittagsstunde angesetzt. Rund 30.000 Zuschauer peitschen ihr Team im ausverkauften Wisla-Stadion zu einem Schieß- und Tore-Festival. Allein Wlodzimierz Lubanski, der Polens Fußballmannschaft 1972 in München zur olympischen Goldmedaille führt, scort fünfmal, indes Johny Léonard beim Stande von 6:0 zumindest den Ehrentreffer erzielt.

Drei Tage später kauft die Luxemburger Elf sich im Vassil-Levsky-Stadion von Sofia mit einem 1:2 gegen Bulgarien zurück, wobei das bulgarische Siegtor durch einen umstrittenen Handelfmeter, den Norbert Leszczynski verursacht, zustande kommt. Es ist Robert Heinz’ 64. und letztes Spiel als Luxemburger Nationaltrainer.

* Benfica Lissabon wiederholte den Meistercup-Finalsieg im Mai 1962 durch ein 5:3 über Real Madrid. Nach nur 23 Minuten lag Benfica mit 0:2 im Rückstand, ehe es dem Spiel seinen Stempel aufdrücken konnte. Das Finale von 1962 im Amsterdamer Olympiastadion war eines der schönsten der Europapokalgeschichte.

** Beim 4:2 gegen Portugal spielte Luxemburg mit Paul Steffen, Erny Brenner, Jeannot Hoffmann, Jules Zambon, Fernand Brosius, Bizzi Konter, Jean Vandivinit, Henri Cirelli, Nicky Hoffmann, René (Neggy) Schneider, Ady Schmit. Reserven: Nico Schmitt, Jim Hoffstetter. Paul Steffen, Erny Brenner, Fernand Brosius, Bizzi Konter, Henri Cirelli, Nicky Hoffmann, Jim Hoffstetter sind nicht mehr am Leben. Trainer Robert Heinz, der 1969-1971 bei AZ’67 Alkmaar (NL) tätig war, verstarb 1972 im Alter von nur 48 Jahren an einem Herzleiden.

trotinette josy
8. Oktober 2021 - 23.34

Nicht zu vergessen der damals, augrund ihrer hervorragenden Leistungen, von Jos.Wohlfart ins Leben gerufene " Supporterclub der Nationaléquipe ". Ehre wem Ehre gebührt. Lang lang ist's her.