Corona in EuropaSchimpfen statt impfen: Streit mit AstraZeneca trübt Freude über anstehende Zulassung

Corona in Europa / Schimpfen statt impfen: Streit mit AstraZeneca trübt Freude über anstehende Zulassung
Straßenbild in Barcelona: Ganz Europa wartet auf die Impfstoffe Foto: AFP/Josep Lago

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Am Freitag soll der Corona-Impfstoff von AstraZeneca seine Zulassung für die EU bekommen. Eigentlich ein Grund zur Freude. Doch dafür ist in den vergangenen sieben Tagen zu viel passiert.

Dieser Freitag hätte, wenn auch kein Feiertag, so doch ein Meilenstein in Europas Impfstrategie werden sollen. Mit der offiziellen Zulassung des Mittels von AstraZeneca hätten die EU-Staaten zusätzlich dringend benötigten Stoff im Kampf gegen das Coronavirus in der Hand gehabt. Doch davon ist man im Bündnis weit entfernt.

Mit dem grünen Licht durch die Europäische Arzneimittelbehörde wird zwar weiter fest gerechnet. Inzwischen befindet sich die EU-Kommission aber in einem regelrechten Wirtschaftskrimi mit dem Pharma-Giganten und Impfstoffproduzenten, nachdem AstraZeneca vor einer Woche die angekündigten Liefermengen drastisch nach unten korrigiert hatte. Nur rund 20 Prozent der erwarteten Liefermengen sollen im ersten Quartal des Jahres an die EU-Staaten gehen. Luxemburg hatte ursprünglich mit 420.000 Dosen gerechnet.

Dabei steht viel auf dem Spiel. Immerhin geht es um die Gesundheit der Menschen in der EU und den langersehnten Ausweg aus dem Pandemie-Tunnel. Andererseits geht es langsam, aber sicher ebenfalls um die Glaubwürdigkeit sowohl der EU-Kommission wie auch der Regierungen in den Mitgliedstaaten. Brüssel hatte die Verträge ausgehandelt, die jetzt nichts mehr wert zu sein scheinen. Die EU-Staaten wiederum müssen sich die Frage gefallen lassen, wieso das alles so langsam vonstattengeht.

Während sich alle Beteiligten gegenseitig die Schuld am Schlamassel zuschieben, nehmen bei den Menschen Zorn und Enttäuschung zu.  Die spanische Regierung macht die EU-Kommission für die Verzögerungen bei den Corona-Impfstofflieferungen verantwortlich und reagiert damit auf Kritik aus den Regionen, weil vielerorts in Spanien die Impfungen wegen schwindender Vorräte einstweilen gestoppt werden mussten. In Frankreich sieht die Situation nicht besser aus. Wegen Impfstoff-Knappheit wird in Teilen des Landes die erste Impfung verschoben. Die Region Hauts-de-France verweist auf knappe Vorräte des Pfizer/BioNTech-Stoffs und legt Termine von Anfang Februar auf Anfang März um. Auch die Region Bourgogne-Franche-Comté kündigt Verzögerungen an. Einem Insider zufolge hat auch die für Île-de-France um Paris zuständige Gesundheitsbehörde den Krankenhäusern mitgeteilt, dass sie ab dem 2. Februar keine Bürger neu impfen können.

Jetzt schon Mangel

Dass Deutschland gestern bekannt gab, den Impfstoff von AstraZeneca aus Mangel an Studien nicht an über 65-Jährige zu verabreichen, trübt die Stimmung in Europa weiter. Schließlich genossen in allen Impfplänen Menschen im hohen Alter wegen ihrer besonderen Gefährdung oberste Priorität. Da hilft es auch nicht viel, dass der britische Premier Boris Johnson die deutsche Empfehlung zurückgewiesen hat. „Unsere eigene Zulassungsbehörde hat sehr klargemacht, dass der Oxford/AstraZeneca-Impfstoff sehr gut und wirksam ist und bereits nach einer Dosis eine sehr hohe Schutzwirkung bietet und sogar noch mehr nach zwei Dosen“, sagte Johnson am Donnerstag.

Doch auf Johnson sind die Europäer im Moment sowieso nicht gut zu sprechen. Auch hier ist das Impfmittel von AstraZeneca der Zankapfel. Die Kontinentaleuropäer fordern von AstraZeneca, ihre Lieferengpässe mit in Großbritannien hergestellten Impfmitteln auszugleichen. Bislang lehnen das sowohl AstraZeneca wie die Regierung in London ab. AstraZeneca genau wie Brüssel berufen sich auf den miteinander geschlossenen Vertrag, interpretieren diesen aber offenbar völlig gegensätzlich. An diesem Freitag soll der Vertrag nun offengelegt werden.

Ob dies den Streit beenden wird, darf aber angezweifelt werden. Längst hat die EU-Kommission auch auf Druck einzelner Mitgliedstaaten hin angefangen, schwereres Geschütz aufzufahren. So wurde die belgische Medizinaufsicht nach eigenen Angaben von der EU-Kommission gebeten, die Abläufe im dortigen AstraZeneca-Werk zu untersuchen. Probleme in der Fabrik sollen laut AstraZeneca der Grund für fehlende Impfstofflieferungen sein. In Europa aber haben einige den Verdacht, in der EU hergestelltes Impfmittel sei vor Wochen nach Großbritannien umgeleitet worden. Brüssel kündigte bereits an, künftig sollten alle Exporte solcher Mittel aus der Europäischen Union erfasst und genehmigt werden. Einzelne Mitgliedstaaten wiederum überlegen, wegen Vertragsbruch gegen den britisch-schwedischen Impfstoffproduzenten vor Gericht zu ziehen. 

Notmaßnahmen

Am Donnerstag hat nun EU-Ratspräsident Charles Michel Notmaßnahmen ins Gespräch gebracht, um die Corona-Impfungen in Europa zu beschleunigen. Sollten keine befriedigenden Lösungen mit den Herstellern gefunden werden, „sollten wir alle Optionen prüfen und alle juristischen Mittel und Durchsetzungsmaßnahmen nutzen“, schrieb Michel in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief an mehrere EU-Staats- und Regierungschefs.

Konkret bringt Michel Artikel 122 der EU-Verträge ins Spiel, der Notmaßnahmen bei Versorgungsengpässen ermöglicht. Die EU-Staaten könnten die EU-Kommission beauftragen, gezielte Maßnahmen zur Beschleunigung der Impfkampagne zu ergreifen, wie es aus EU-Kreisen hieß. Das könnten etwa Vorkehrungen sein, Impfstoffe bereits vor der Zulassung an die EU-Staaten zu verteilen. Es könnte aber auch bis hin zu Zwangslizenzen für Impfstoffe gehen, sodass Konkurrenten diese gegen Gebühr produzieren könnten, sagte ein EU-Vertreter.

Michel reagierte mit dem Schreiben auf einen Brief an die Regierungschefs von Österreich, Tschechien, Dänemark und Griechenland von voriger Woche. Sie hatten sich unter anderem für ein schnelles Zulassungsverfahren für Impfstoffe bei der EU-Arzneiagentur EMA starkgemacht.

Bereits in den Tagen zuvor waren immer wieder Drohungen laut geworden, das in der EU produzierte Mittel von BioNtech/Pfizer nicht mehr nach Großbritannien zu exportieren, sollten die Briten die Europäer nicht mit dem bei ihnen hergestellten Impfstoff von AstraZeneca beliefern. Käme es zu solchen Maßnahmen, befänden sich die EU und Großbritannien im Handelskrieg um ein überlebenswichtiges Mittel. (Mit Material aus den Agenturen)

Nomi
29. Januar 2021 - 12.38

dei' Impfstoffer sinn nemmen "authorised", mee net "approved" ! Eng kleng mee wichteg Nuance ¨!

J.Scholer
29. Januar 2021 - 11.55

Nach den Corona Virus hat nun ein schlimmeres Virus die EU befallen. „ Europa First“.