Es war ein historischer Oscar-Moment. Als Sidney Poitier am 13. April 1964 die goldene Statuette in der Hand hielt, da bebte Hollywood. Er war der erste Schwarze, der mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde. Es sei „eine lange Reise bis zu diesem Moment“ gewesen, sagte Poitier in seiner Dankesrede.
Poitier bekam den Oscar in einer Zeit, als Afroamerikanern in den USA noch viele elementare Rechte verwehrt wurden und vielerorts ein erdrückender Rassismus herrschte. Illustrativ ist der Wirbel um das Küsschen, das die weiße Schauspielerin Anne Bancroft ihrem schwarzen Kollegen bei der Oscar-Übergabe auf die Wange drückte. Manche weiße Konservative empfanden dies als anstößig.
Gewaltig waren also die Barrieren, die der Sohn armer Tomatenpflanzer von den Bahamas überwinden musste, bevor er die goldene Trophäe in den Händen hielt. Als er Anfang der 50er Jahre nach Hollywood kam, waren dort Schwarze überwiegend noch auf kleine Nebenrollen mit Klischeecharakter beschränkt: der Butler, das Hausmädchen, der Possenreißer.
Kampf gegen Stereotypen
Doch der hochtalentierte, gutaussehende und charismatische Poitier ergatterte von Anfang an Hauptrollen – und dies in Filmen, die mit den Stereotypen über Afroamerikaner brachen und sich oft direkt mit den Rassenspannungen auseinandersetzten.
Poitier setzte sich nicht zuletzt dank des Selbstbewusstseins durch, das ihm in seiner Kindheit eingeimpft worden war. Nur durch Zufall hatte er die US-Staatsbürgerschaft – seine Mutter hatte ihn bei einem Kurzaufenthalt in Florida vorzeitig zur Welt gebracht. Doch seine Kindheit verbrachte Poitier in der karibischen Heimat seiner Eltern, die mehrheitlich von Schwarzen bewohnt war.
Dort habe er gelernt, „dass ich grundlegende Rechte als menschliches Wesen“ habe, erzählte er viele Jahre später der Talkmasterin Oprah Winfrey. Für Poitier war es ein Schock, als er mit 15 Jahren zu einem älteren Bruder nach Florida zog und dort erstmals mit der Rassendiskriminierung konfrontiert wurde.
Später schlug er sich mit kleinen Jobs in New York durch, wo er in der Toilette eines Busbahnhofs schlief, bevor er gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kurz in der Armee diente. Um danach den Einstieg in den Schauspielberuf zu schaffen, musste er sich zunächst seinen karibischen Akzent abtrainieren. Doch der Erfolg kam dann ziemlich schnell – zuerst am Broadway und dann in Hollywood.
Sanfter Rebell
Schon Poitiers erster Film „Der Hass ist blind“ (1950) handelt vom Rassenkonflikt. Poitier verkörpert einen Arzt, der einen aggressiven weißen Rassisten behandelt. In Teilen der USA war der Film verboten. Poitiers Karriere bremste dies nicht. Für „Flucht in Ketten“ (1958) bekam er seine erste Oscar-Nominierung. In dem Klassiker spielt er einen Häftling, der zusammen mit einem Weißen flüchtet – beide sind durch eine Kette aneinandergefesselt.
Der Oscar-Triumph glückte Poitier dann schließlich mit „Lilien auf dem Felde“. Darin spielt er einen Handwerker, der für europäische Nonnen eine Kapelle in der Wüste baut. In kurzer Folge feierte er einen großen Leinwanderfolg nach dem anderen. Dazu gehörte der Krimi „In der Hitze der Nacht“ (1967), in der er als Kommissar zusammen mit einem weißen Kollegen im von Rassismus geprägten Südstaat Mississippi ermittelt.
In „Rat mal, wer zum Essen kommt“, einer Komödie aus demselben Jahr, geht es um die Liebe zwischen einem schwarzen Arzt zu einer weißen Frau. Der innige Kuss zwischen Poitier und seiner Filmpartnerin Katharine Houghton war eine Premiere in der US-Filmgeschichte: So viel explizite Leidenschaft zwischen einem Schwarzen und einer Weißen war bis dahin nicht auf der Leinwand zu sehen gewesen.
Poitier war ein eher sanfter Rebell – auf und außerhalb der Leinwand. Beharrlich, aber nicht tobend kämpfte er gegen die Rassenbarrieren an. 2002 wurde er mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet, 2009 mit der Freiheitsmedaille des US-Präsidenten. Im Alter von 94 Jahren ist die Hollywood-Legende jetzt gestorben.
De Maart
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