Montag27. Oktober 2025

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Mobilität„Sauber, schmuck, adrett“: Passagiere freuen sich über die neue Tram

Mobilität / „Sauber, schmuck, adrett“: Passagiere freuen sich über die neue Tram
Geschäftiges Treiben: Am Tag nach der Jungfernfahrt greifen schon viele Passagiere auf die Tram zurück. Für die meisten von ihnen ist es die erste Fahrt auf der neuen Strecke.  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Als „gewaltiger Schritt“ für das nationale Mobilitätskonzept wurde die Inbetriebnahme des dritten Teilstückes der Tram am Sonntag bei der Jungfernfahrt beschrieben. Opfer habe man bringen müssen, die sich aber gelohnt hätten, so die Politik. Doch was denken eigentlich die Passagiere und Anrainer? Das Tageblatt ist mitgefahren.

„Place de Paris“, verkündet eine sympathische Stimme über die Lautsprecheranlage, während die Ansage von einer verspielten Melodie im Hintergrund musikalisch umrahmt wird. „Jede einzelne Haltestelle hat ihre eigene Erkennungsmusik“, erklärt eine Frau einem kleinen Mädchen – allem Anschein nach ihre Tochter. Die nickt zustimmend, fragt plötzlich aber nach dem Urheber. Das wisse sie leider nicht, erwidert die Mutter. Die Antwort, dass der Luxemburger Jazzpianist und Komponist Michel Reis für jede der 15 Haltestellen eine eigene Melodie komponiert hat, bleibt sie dem Nachwuchs demnach schuldig.

Währenddessen blickt in der Sitzreihe dahinter eine junge Frau ungeduldig auf ihr Smartphone. Schräg gegenüber sitzt ein älteres Paar. Der Mann scheint in Gedanken versunken, den Blick ausdruckslos nach vorne gerichtet. Seine Partnerin beobachtet indessen das Geschehen hinter den großen klaren Scheiben, während die Tram die Haltestelle ansteuert.

Eine Handvoll Passagiere erheben sich von ihren Sitzen, betätigen den Türknopf und verlassen die schmucke, gut gefüllte Straßenbahn. Andere wiederum steigen hinzu. Eine ältere Dame steuert den ersten Platz neben der automatischen Schiebetür an, blickt etwas unsicher den Gang entlang zum Heck der Maschine. Dem Beobachter wird sofort klar: Es ist ihre erste Fahrt durch die Avenue de la Liberté, vielleicht sogar die erste Erfahrung mit einer Luxemburger Tram überhaupt.

Fast auf den Tag genau drei Jahre nach der offiziellen Jungfernfahrt wurde am Sonntag das dritte, vielleicht sogar wichtigste Teilstück der Strecke freigegeben. Mit der Inbetriebnahme von vier neuen Haltestellen – Hamilius, Place de Metz, Place de Paris und Gare centrale – wurde damit nun das Stadtzentrum mit dem Hauptbahnhof verbunden. Und zum ersten Mal seit 1964 fährt wieder eine Straßenbahn durch die Avenue de la Liberté.

„Noch schöner als vorher“

Und die stehe der Luxemburger Prunkallee tatsächlich gut zu Gesicht, wie Arek betont. Seit neun Jahren arbeitet der junge Mann in der Avenue de la Liberté. Doch so ruhig wie in den letzten Monaten, sei es in seinem Laden, einer Bäckerei, noch nie zugegangen. Dort, wo sich die Kunden ansonsten an Kaffee und Kuchen erfreuen, herrscht nun gähnende Leere. In den Regalen warten die letzten Backwaren auf Kundschaft. Wegen der Pandemie darf Arek den beiden Gästen nur ein „Coffee to go“ anbieten.

Bei der Frage nach der Eröffnung der Tramstrecke blitzen seine Augen kurz auf. Hinter der chirurgischen Maske deutet sich ein Lächeln an. „Zugegeben, es ist wirklich schön geworden“, beurteilt Arek das Resultat der Bauarbeiten. Die „Nei Avenue“ sei noch schöner als vorher. „Sauber, schmuck, adrett“, so sein Fazit. Allerdings habe man auch lange leiden müssen: „Die Baustelle war laut und schmutzig“, unterstreicht Arek.

Wegen Corona muss sich Arek noch etwas in Geduld üben
Wegen Corona muss sich Arek noch etwas in Geduld üben Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Auf die Kundschaft hätten die Bauarbeiten aber kaum eine Auswirkung gehabt, im Gegensatz zu den aktuellen Umständen. „Vor der ganzen Sache musste man reservieren, um hier tagsüber einen Tisch zu ergattern“, erklärt der junge Mann und deutet mit dem Kopf in Richtung Speiseraum. Mit „der ganzen Sache“ meint er natürlich die Pandemie und ihre Folgen. Nun sei die Tram zwar fertig, doch die Kunden blieben zunächst noch aus. Man müsse halt noch etwas Geduld haben, meint Arek schulterzuckend.

So sehen es auch Camelia und Angela, die zwei Mitarbeiterinnen einer kleinen Trattoria gleich gegenüber der Haltestelle „Place de Paris“. „Natürlich sind wir glücklich, dass die Bauarbeiten endlich abgeschlossen sind. Es ist doch schon etwas laut hergegangen“, meint Camelia. Angela nickt zustimmend, fügt aber sofort hinzu, dass die Tram und die damit einhergehenden Sanierungsarbeiten in der Avenue de la Liberté dennoch positiv zu bewerten seien. „Es ist wirklich schön geworden“, so die Mitarbeiterin.

Man habe zuvor bereits Glück gehabt, mit den Bushaltestellen gleich vor der Tür. „So haben sich immer wieder Passagiere zu uns verirrt, um sich mit einem Panini oder Cappuccino einzudecken“, erklärt die junge Frau. Eine ähnliche Wirkung erhoffe man sich jetzt von der modernen Tramhaltestelle. Lange warten müssen die Passagiere allerdings nicht: Laut Fahrplan wird jede Haltestelle tagsüber alle fünf Minuten angefahren. Und wie zum Beweis kündigt ein elektronisches Surren hinter den jungen Frauen die Ankunft der nächsten Bahn an.

Angela und Camelia freuen sich über das Ende der Bauarbeiten. Es sei mitunter ganz schön laut hergegangen in der Avenue de la Liberté, so die jungen Frauen. 
Angela und Camelia freuen sich über das Ende der Bauarbeiten. Es sei mitunter ganz schön laut hergegangen in der Avenue de la Liberté, so die jungen Frauen.  Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Chaos in der Hauptstadt“

Die Türen öffnen sich, Passagiere springen heraus, andere steigen hinzu. Ein Mann mit wuscheligen Haaren bleibt hinter dem Führerstand stehen und greift nach der modernen Haltestange, die in der Mitte der Kabine aus dem Boden emporwächst. Es sei seine erste Fahrt auf diesem Teilabschnitt, erklärt Pierre. Eigentlich sei er immer per pedes in der Stadt unterwegs. „Doch die Tram macht mich faul“, scherzt der Hauptstädter. Währenddessen setzt sich die Bahn wieder sanft in Bewegung und gleitet fast geräuschlos der nächsten Haltestelle kurz vor dem Pont Adolphe entgegen. Hinter den Scheiben ist das ikonische Sparkassengebäude zu erkennen.

Il n’y a que les imbéciles qui ne changent pas d’avis

Pierre, Passagier

Pierres Augen blinzeln schelmisch auf: Ob das nicht die Stelle sei, an der Bürgermeisterin Lydie Polfer kurz vor den Wahlen 1999 mit einem effekthascherischen PR-Stunt gegen den Bau einer Straßenbahn zu demonstrieren versuchte? „Um zu zeigen, wie unmöglich das ganze Projekt doch sei“, erinnert sich der ehemalige Journalist. „Die Bahn sei viel zu groß, viel zu lang und sehe doch grausam aus …“

Und Pierre hat Recht: Ein halbes Dutzend AVL-Gelenkbusse hatte die Stadtführung am 19. März 1999 im Rahmen einer politischen Kampagne gegen das BTB-Projekt der Regierung auf der Avenue de la Liberté hintereinander gereiht. Um auf die Ausmaße einer Straßenbahn aufmerksam zu machen, wie es dem Tageblatt-Artikel von damals zu entnehmen war. Der Titel: „Lydie Polfer verursacht Chaos in der Hauptstadt“.

„Meine erste Fahrt widme ich also all diesen Politikerinnen und Politikern, die die Bürger in Panik versetzen wollten, gelogen haben, ewiggestrig und opportunistisch waren“, fährt Pierre augenzwinkernd fort. Wie aufs Stichwort ist plötzlich Lydie Polfers Stimme aus den Lautsprechern zu vernehmen. Die Haltestellen haben nämlich nicht nur ihre eigene Erkennungsmelodie: Sie werden auch von verschiedenen Sprechern angekündigt. „Hamilius“, verkündet die Gemeindemutter, während hinter Pierre die Tür aufgleitet. „Ich hoffe, sie haben eines eingesehen: Il n’y a que les imbéciles qui ne changent pas d’avis“, sagt er und verabschiedet sich in Richtung Stadtmitte.

Pierre widmet seine erste Fahrt auf der neuen Strecke den politischen Tram-Gegnern von einst
Pierre widmet seine erste Fahrt auf der neuen Strecke den politischen Tram-Gegnern von einst Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Von dort kommt gerade Jens. Der gebürtige Deutsche wohnt im Landeszentrum. „In der Nähe von Mersch, wo für verschiedene Luxemburger ja schon das Ösling beginnt“, meint der junge Familienvater augenzwinkernd. Er arbeite zwar in der Stadt Luxemburg, sei wegen Corona aber im Home-Office. „Ich kann also noch nicht beurteilen, wie sich die Tram auf meinen Arbeitsweg auswirken wird“, so Jens. „Wenn alles wieder normal läuft, werde ich dann wohl am neuen Bahnhof ,Pafendall‘ aussteigen und an der Roten Brücke die Tram in Richtung Hamilius nehmen.“

Praktisch aber sei sie jetzt schon. Eigentlich meide er nämlich das Stadtzentrum außerhalb seiner Arbeitszeiten. „Zu viel Verkehr, kaum Parkplätze“, erklärt der junge Mann. Er habe aber noch Weihnachtsgeschenke besorgen müssen. Deshalb sei er nun aber mit dem Wagen in die Hauptstadt gefahren. „Den habe ich hier auf dem Glacis abgestellt, um anschließend die Straßenbahn zum Centre Royal Hamilius zu nehmen. Das ging einwandfrei“, zeigt sich Jens sichtlich begeistert. Außerdem sei sie recht schmuck geworden, die Tram.

Noch sind die LTC-Schüler nicht davon überzeugt, dass die Tram ihnen einen Zeitgewinn bereiten wird
Noch sind die LTC-Schüler nicht davon überzeugt, dass die Tram ihnen einen Zeitgewinn bereiten wird Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Und da ist es wieder, das Kompliment, das fast jeder Ansprechpartner der neuen Straßenbahn ausspricht. Schmuck sei sie, modern und praktisch. So weit der Tenor. Doch sind nicht alle Passagiere restlos davon überzeugt. „Ob sie wirklich auch praktisch ist, wird sich noch zeigen müssen“, sagt eine Jugendliche. Es ist kurz nach 16 Uhr, an der Haltestelle „Faïencerie“ etwas unterhalb des Glacis haben sich nun einige Schüler eingefunden.

Für viele von ihnen ist es die erste Fahrt mit der Tram. „Bis jetzt konnten wir immer den Bus zur Schule nehmen“, erklärt ein junger Mann. Wegen des Fahrplanwechsels und der Inbetriebnahme der Tram aber seien diese Busse nun gestrichen worden. „Nun müssen wir mit der Tram zum Hauptbahnhof, um dort einen Bus nach Hause zu erwischen“, erklärt der Schüler aus dem „Lycée technique du Centre“ (LTC). Zeit gewinnen sie also nicht durch die Tram. Im Gegenteil: „Mit dem Umsteigen und Warten dauert es womöglich noch länger“, betont wiederum die Jugendliche. „Doch schön ist die Tram allemal.“

J.Scholer
16. Dezember 2020 - 5.31

Den Tram als nationales Mobilitätskonzept abtun ist übertrieben , der Begriff lokaler Mobilität eher korrekt.National an diesem Projekt , alle Bürger dieses Prunkobjekt mitfinanzieren müssen. Auch wenn es die Denkweise unserer Politik nicht für möglich hält , viele Bürger des Landes werden nie vom Tram profitieren, da sie weder Bezug zur Stadt Luxemburg haben, weder dort einkaufen wollen . Ich war schon etliche Jahre nicht mehr in unserer Hauptstadt, weder d‘Schouberfouer, noch d‘Oktav, d‘Braderie oder das Shoppen ist für mich von Interesse. Nun nicht , dass ich den „Staater“ nicht den Tram vergönne, aber stelle ich fest die ländlichen Regionen immer mehr zur“ Mellechkouh vun der Natioun“ degradiert werden .Banken, Verwaltungen,Post .....die abwandern, Verschlechterung des Öffentlichen Transportes, Kultur die im Süden,Zentrum zentralisiert wird, bei der medizinischen Versorgung ebenso,.......

niconk
15. Dezember 2020 - 16.51

Ech hu gemengt am Tram wir Maskeflicht. Der Foto no stemmt dest erem fir verschidden Leit net.

trotinette josy
15. Dezember 2020 - 10.20

Diese Tram kann sich wirklich sehen lassen und trägt einen erheblichen Teil zur Verkehrsberuhigung in der Hauptstadt bei. Verkehrsminister Bausch hat sich damit ein Monument gesetzt, man kann zu ihm stehen wie man will, die Tram ist grösstenteils sein Verdienst.

GéBé
15. Dezember 2020 - 9.59

Ein Glück , dass wenigstens unsere Grünen noch was im Köpfchen haben !
Denn im Notfall , bei Windstille oder Nuklearpannen können unsere guten alten Dampflocks ja wieder auf den Tramschienen eingesetzt werden. Wenn auch nicht sauber , schmuck und adrett .........
Schlage vor auch mal im Kämmerlein über Droschken , Karren usw Überlegungen anzustellen solange es noch Pferde gibt. Esel wird es ja immer geben.......